Ski-WM: Vereiste Pisten:"Dann müssen wir in eine Halle gehen"

Stefan Stankalla, früherer Skifahrer und Verantwortlicher für die Frauen-Strecke, über vereiste WM-Pisten und die Beschwerden von Fahrerinnen wie Lindsey Vonn.

M. Neudecker und J. Mölter

Der ehemalige Skirennläufer Stefan Stankalla, 35, ist bei der WM in seinem Heimatort Garmisch-Partenkirchen für die Strecken der Frauen verantwortlich. Beim Super-G am Dienstag war die Piste auf der Kandahar kritisiert worden. Die SZ sprach mit ihm über die Präparierung.

Women's Super G - Alpine FIS Ski World Championships

Stürze auf glatter Piste: Mireia Gutierrez aus Andorra beim Super-G der Frauen am Dienstag.

(Foto: Getty Images)

SZ: Herr Stankalla, Sie haben noch am Dienstagnachmittag, gleich nach dem Super-G, die Piste aufrauen lassen. War das eine Reaktion auf die Kritik einiger Fahrerinnen, die Strecke sei zu eisig gewesen, zu glatt, zu gefährlich?

Stefan Stankalla: Sicher nicht. Schon beim Hangbefahren haben zwar einige gesagt, die Piste sei schwierig. Aber das fasse ich nicht als Kritik auf. Es ist nur im Abschnitt Hölle glatt gewesen, die anderen Stellen waren einwandfrei zu fahren.

SZ: Warum haben Sie dann überhaupt noch mal an der Piste gearbeitet?

Stankalla: Wir haben jetzt jeden Tag ein Training oder ein Rennen in der Abfahrt und mussten deswegen schauen, dass die Piste nicht noch glatter wird.

SZ: Wie muss man sich das vorstellen: eine Piste aufzurauen?

Stankalla: Die obersten zwei, drei Zentimeter der Schneeoberfläche werden mit der Pistenraupe leicht angefräst. Das sieht so aus, dass die Raupe an einem Drahtseil eingehängt wird, das über der Strecke gespannt ist ...

SZ: Die Raupe hängt in der Luft?

Stankalla: Nein, die fährt ganz normal. Aber sie muss bei der Steilheit des Hangs gesichert sein. Das hat den Vorteil, dass das Seil die Raupe mit hochzieht und die Last, die auf die Piste drückt, nicht so groß ist. Das ist wie beim Auto: Wenn die Räder durchdrehen, ist das für den Boden auch schlechter als wenn man ein bisschen zieht oder schiebt. Die Raupe wird also eingehängt, damit sie fahren kann und die Piste nicht kaputtgemacht wird. Sie fährt langsam über den Schnee und zieht eine Fräse hinter sich her. Die kann man einstellen, wie tief sie gräbt oder wie schnell sie dreht.

SZ: Das macht man jetzt jeden Tag?

Stankalla: Nein, das haben wir nur am Dienstag gemacht, und das war's.

SZ: Und warum haben Sie das nicht schon vor dem Super-G gemacht?

Stankalla: Es ist ja erst am Sonntag so glatt geworden. Der Weltverband Fis und ihr Renndirektor Atle Skaardal haben dann entschieden, dass man das für den Super-G so lässt. Das war auch okay. Das sind eben Witterungseinflüsse, welche die Grundpräparierung der Strecke beeinflussen.

SZ: Die Grundpräparierung?

Stankalla: Wir haben schon vor zwei Wochen angefangen, die Piste für die WM zu präparieren. Wir hatten einen Grundschnee, auf den haben wir Kunstschnee draufgeschneit. Alten und neuen Schnee verbindet man, indem man ihn aufgräbt und etwas Wasser dazugibt. Bei kalten Temperaturen friert das und man hat eine kompakte Grundlage. Als es zuletzt warm geworden ist, ist tagsüber die Feuchtigkeit an die Oberfläche gedrungen und nachts wieder gefroren. Das hat den glasigen Film gegeben.

SZ: Die amerikanische Titelverteidigerin Lindsey Vonn hat behauptet, die Piste sei zu gefährlich für Frauen.

Stankalla: Die Aussage mag ich gar nicht kommentieren. Die Frauen sind voriges Jahr beim Weltcup-Finale hier gefahren, sie waren 2009 hier, sie kennen den Berg. Vielen gefällt er, sie wollen eine schwierige Strecke fahren.

"Die Piste muss zwei Wochen halten"

SZ: Muss man nicht Rücksicht nehmen auf schwächere Fahrerinnen? Am Ende des Super-G gab es einige Stürze ...

Stefan Stankalla

"Es ist ja erst am Sonntag so glatt geworden": Stefan Stankalla über die Probleme auf der Kandahar.

(Foto: imago sportfotodienst)

Stankalla: Natürlich wollen wir, dass alle sicher ins Ziel kommen. Nur: Um hier starten zu dürfen, muss man ja gewisse Kriterien erfüllen. Und es ist nicht so, dass ich ins Kaufhaus gehe, Ski kaufe, eine Abfahrt fahre und die Kriterien erfüllt habe. Selbst vermeintlich schwächere Läuferinnen haben ein gewisses Niveau, aber sie müssen ihre Fahrweise halt der Strecke und ihrer Beschaffenheit anpassen. Sonst müssen wir künftig in eine Halle gehen.

SZ: Trotz allem: Am Dienstag ist selbst die Olympiasiegerin Andrea Fischbacher aus Österreich gestürzt, sogar spektakulär - sie ist fast den halben Hang runtergerutscht.

Stankalla: Deswegen haben wir es an dieser Stelle auch besonders aufgeraut. Eine weite Sturzzone ist eigentlich gut für die Läufer. Nur war es an dieser Stelle halt besonders steil, und das Eis hat auch nicht dafür gesorgt, dass sie gebremst wurde.

SZ: Es gibt eine Debatte, das Teilnehmerfeld bei einer WM zu begrenzen. Wäre das hilfreich für die Präparierung?

Stankalla: Ich glaube nicht. Die Piste muss zwei Wochen halten, wir haben jeden Tag zwischen 500 und 800 Leute, die da runterrutschen - Läufer, Trainer, Betreuer, Medienleute. Man muss sowieso eine große Belastung berücksichtigen.

SZ: Was kann man während der WM noch an der Piste verändern?

Stankalla: Nicht mehr viel, außer das, was wir am Dienstag gemacht haben. Anders ist es, wenn man Wetterkapriolen hätte, wenn es zwei Tage regnet oder es schneit recht krass, es wird warm und der Schnee bricht durch. Dann hat man wieder eine neue Situation.

SZ: Wie dick muss die Schneedecke sein für eine ordentliche Präparierung?

Stankalla: Hier hat sie von oben nach unten durchgängig mindestens 50 Zentimeter. Der Grundsockel, den wir brauchen für die komplette Veranstaltungsdauer, beträgt 30 Zentimeter.

SZ: Sie sind früher selbst Rennen gefahren - auch auf so eisigen Pisten?

Stankalla: Die waren zum Teil sogar schlimmer. Heute kann man das mit Sprühwasser regulieren, früher war's oft so, dass man wirklich nur Wasser draufgeschüttet hat. Die Präparation hat sich mit den Jahren schon verbessert. Ich war immer lieber auf Pisten, die hart waren als auf weichen, unebenen. Die sind viel gefährlicher. Bei den harten kann der Fahrer wenigstens sicher sein, dass er nicht unerwartet in ein Loch fährt.

SZ: Beim Super-G war es trotzdem wellig, wie Fahrerinnen erzählt haben.

Stankalla: Keine Frage, es ist kein Teppich gewesen. Aber Wellen kriegt man nie ganz raus, man hat immer irgendwo welche. Sie mit der Raupe rauszuschieben, ist nicht wirklich machbar. Aber für die Abfahrt haben wir jetzt erst mal zwei Trainingsläufe, dann kommt die Kombi-Abfahrt, noch ein Trainingslauf, dann die Spezialabfahrt. Dadurch, dass sich so viele Leute auf der Piste bewegen, wird sie immer ruhiger.

SZ: Die gängige Stammtischmeinung lautet: Eine weniger eisige Piste bedeutet auch weniger Verletzungen.

Stankalla: Generell kann man sich auf jeder Piste verletzen, nicht nur auf eisigen. Es hat am Dienstag Stürze gegeben, dabei aber nur eine Verletzung.

SZ: Muss das Ziel nicht sein, die Piste so zu präparieren, dass es gar keine Verletzungen gibt?

Stankalla: Daran arbeiten wir ja: Wenn es schon Stürze gibt, dass sie möglichst glimpflich ausgehen. Ich gehe jeden Tag mit den Fis-Verantwortlichen auf die Piste, wir schauen auf jedes Detail. Wenn irgendwo ein Ast aus einem Strauch ragt, überlegen wir schon, eine Schutzwand davorzuspannen.

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