Alpine Ski-WM:Der Verlierer ist der Wettbewerb

Alpine Ski-WM: "Wenn nicht alles passt, ist es halt schon vorbei": Linus Straßer (rechts) erklärt schlüssig, warum es für ihn und die Teamkollegen um Lena Dürr (links) nicht zu einer Medaille gereicht hat.

"Wenn nicht alles passt, ist es halt schon vorbei": Linus Straßer (rechts) erklärt schlüssig, warum es für ihn und die Teamkollegen um Lena Dürr (links) nicht zu einer Medaille gereicht hat.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Keine Medaille: Die deutschen Skirennfahrer eröffnen die zweite WM-Woche im Parallel-Teamrennen so, wie sie die erste beendet haben. Die Zukunft des ganzen Formats ist derweil sehr fraglich.

Von Johannes Knuth, Méribel

Eine kleine Gruppe an sehr jungen und sehr lauten Fans im Zielraum von Méribel hatte mal eben die Gefolgschaft gewechselt: Sie schwenkten zwar noch immer ihre französischen Flaggen, die Schlachtrufe während des Finals im Teamwettbewerb galten aber eindeutig den Vereinigten Staaten von Amerika. Ganz zweifellos ließ sich nicht klären, welche Motive die Überläufer antrieben; vermutlich lag es am Widersacher der Amerikaner im Finale: den Norwegern. Die hatten sich die Frechheit erlaubt, im Viertelfinale die Equipe der Gastgeber hinauszuboxen. Die Wünsche des Anhangs wurden jedenfalls erhört: Norwegens Timon Haugan verhedderte sich im letzten Duell am Start, Tommy Ford sicherte den Amerikanerin die Goldmedaille.

Das Quartett des Deutschen Skiverbands (DSV) hatte das Stadion da schon verlassen. Es hatte im Viertelfinale drei der vier Duelle gegen die Österreicher verloren, die später im kleinen Finale den Bronzegewinnern aus Kanada unterlagen. Allzu tief versanken sie im DSV aber nicht in der Enttäuschung, man merkte das schon daran, wie Sportvorstand Wolfgang Maier sein Fazit abschmeckte. Man habe "die Könige der Berge" leider wieder nicht aufs Kreuz gelegt - Österreich hatte die Deutschen zuletzt bei den Winterspielen 2022 im Finale bezwungen - aber ein Sieg nun in Méribel "wäre ja auch Majestätsbeleidigung", scherzte Maier. Am Ende blieb ihnen die Erkenntnis, dass die zweite WM-Woche in Frankreich in etwa so begann, wie die erste geendet hatte: "Wenn nicht alles passt", sagte Linus Straßer, "ist es halt schon vorbei."

In der Hinsicht unterscheidet sich das Team-Format tatsächlich kaum mehr von den anderen WM-Wettbewerben. Nicht nur der DSV, auch die Konkurrenz war in Meribél wieder mit den besten Kräften angerückt, auch Verbände, die das Parallelformat lange belächelt hatten wie die Amerikaner. "Am Ende möchte jeder diese Medaillen haben", sagte Wolfgang Maier. Die Startlisten gaben das auf den ersten Blick zwar nicht her - bei den Männern etwa hatte sich nur ein Fahrer aus dem Kreis der zehn besten Riesenslalomfahrer dieses Winters eingefunden: DSV-Athlet Alexander Schmid. Andererseits sind die Spezialisten für den klassischen Riesentorlauf nicht zwingend die Besten im Parallelformat, die Radien sind dort oft kürzer, die Läufe ebenfalls, sie finden zudem dicht gedrängt hintereinander statt. "Wenn man sich ein bisschen mit der Materie auskennt", sagte Straßer, "weiß man schon, dass hier die Besten am Start stehen".

Die Deutschen hatten dabei erneut schwere Gegner zu Beginn erwischt. Die Setzliste richtet sich in erster Linie nicht danach, welche Ergebnisse die Verbände bei den vergangenen Team-Events erreicht haben - im Fall der Deutschen Rang zwei in Peking sowie dritte Plätze bei den Weltmeisterschaften 2021 sowie beim Weltcupfinale vor einem Jahr. Entscheidend ist vielmehr das Nationenranking, das alle Weltcuppunkte eines Verbandes sammelt, da liegt der DSV auch in diesem Winter im Mittelbau. So ging es gleich gegen Schweden, die WM-Silbergewinner von 2021. Vor allem Schmid und Straßer begannen stark, Schmid sogar mit einer der schnellsten Fahrten des Feldes. 3:1 stand es nach vier Duellen.

Der Schwung verebbte allerdings schnell. Andrea Filser verlor im Viertelfinale gegen Österreich ihr Duell gegen Julia Scheib, Straßer fuhr gut, aber nicht gut genug gegen Dominik Raschner. "Der gehört in dem Wettbewerb vermutlich zu den Top drei der Welt", sagte Straßer, auch wenn Raschner das nur gegen Straßer so richtig eindrücklich nachwies. Schmid und Lena Dürr mussten die restlichen zwei Duelle nun jedenfalls gewinnen und sehr flott sein, denn bei Punktgleichheit werden die Zeiten der schnellsten Frau und des schnellsten Mannes addiert und verglichen. Dürr gewann dann auch, ihre Zeit - 23,45 Sekunden - war nur nicht gerade flott. Schmid, laut Maier "der mit Abstand Schnellste am Berg", musste nun schon all sein Können in den Lauf werfen, zudem zwei Zehntelsekunden schneller sein als Stefan Brennsteiner. Das gelang Schmid ein paar Tore lang, dann warf es ihn aus dem Kurs.

Die Parallelrennen könnten schon bei den kommenden Weltmeisterschaften aus dem Programm fallen

Auch die Enttäuschung war hernach angemessen groß. Schmid fand es "einfach bitter", Straßer war immerhin "ein bisschen enttäuscht", Dürr ärgerte sich, "dass ich da nicht die Zeit abliefern konnte, die wir gebraucht hätten". Kurios: Das frühere Aus verschaffte ihnen für das weitere Tagesprogramm einen kleinen mutmaßlichen Vorteil. Der Weltverband Fis und die Gastgeber hatten am Dienstagabend - auf der anderen Seite des Berges, in Courchevel - bereits die Qualifikation für die Parallel-Einzelrennen angesetzt, die am Mittwochmittag mit den Finalrunden enden sollen. Das war etwa so, als würde man die Athleten nach einem Riesenslalom am Nachmittag bereits am Abend in den ersten Lauf des Slaloms hetzen, oder in Worten des deutschen Cheftrainers Christian Schwaiger: "Eigentlich vollkommen bescheuert."

Dürr, Schmid und Straßer, die größten DSV-Hoffnungen also, qualifizierten sich dann immerhin souverän für das Finale der besten 16 am Mittwoch.

Es fügte sich jedenfalls ins Bild, das die Fis mit dem Format in den vergangenen Jahren abgegeben hatte. Für die Winterspiele 2026 ist das Parallel-Teamrennen bereits gestrichen, für die kommenden Weltmeisterschaften werden die Parallelrennen wohl auch aus dem Programm fallen, das verdichtete sich am Dienstag. Ob das zu den Quoten und der Stimmung passt, die das Format auch in Méribel begleiteten? Der größte Verlierer des Tages, so wirkte es, waren jedenfalls nicht die geschlagenen Teams, sondern der Wettbewerb an sich.

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