Alpine Ski-WM:Weltmeisterin aus der letzten Reihe

Alpine Ski-WM: Könnte sein, dass das Licht künftig häufiger auf sie fällt: Marta Bassino feiert ihren Sieg bei der Ski-WM.

Könnte sein, dass das Licht künftig häufiger auf sie fällt: Marta Bassino feiert ihren Sieg bei der Ski-WM.

(Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Zweites Rennen der Frauen, zweiter WM-Triumph für die Azzurri: Marta Bassino ist die unscheinbare Vertreterin in Italiens starker Alpin-Mannschaft.

Von Johannes Knuth, Méribel

Man tendiert dazu, sie zu übersehen. Marta Bassino ist keine dieser alpinen Kraftpakete, 1,67 Meter groß, 56 Kilo schwer. Zum anderen ging ihr WM-Titel 2021 im Parallelrennen noch in den Debatten um das strittige Format unter; und im Weltcup zogen Mikaela Shiffrin und andere oft das Interesse an, selbst als Bassino vor zwei Jahren die Disziplinwertung im Riesenslalom gewann. Der Stadionsprecher am Mittwoch in Méribel hatte auch noch Nachholbedarf, er rief sie als "Marta Bossina" aus. Da hatte Bossina, pardon, Bassino gerade den WM-Titel im Super-G gewonnen.

Könnte sein, dass das Licht künftig häufiger auf sie fällt. Die 26-Jährige aus Cueno im Piemont war bis zum Mittwoch zweimal Zweite und zweimal Dritte in einem Super-G im Weltcup; gewonnen hatte sie die kurvige Speed-Übung noch nie. Dass ein Triumph eine Frage der Zeit war, bewies sie nun mit ihrer Goldfahrt. Im Gleitstück waren die schwereren Abfahrerinnen besser, niemand aber trug die Geschwindigkeit so gut durch die eckigeren Passagen wie Bassino, das lag ihr als Riesenslalomexpertin. "Man muss sehr präsent sein im Kopf und schnell mit den Skiern", sagte sie. Dass sie schneller als alle Favoritinnen war, stimme sie "sehr stolz".

Wenn in den vergangenen Jahren von Italiens erfolgreichem Frauenteam die Rede war, sprach man oft über Sofia Goggia, die mit gebrochener Hand zu Siegen fuhr, in ihrer Freizeit schon mal mit dem Auto einen Hang hinunterpurzelte. Man sprach auch über Federica Brignone, die Gesamtweltcupsiegerin von 2020, die sich mit voller Kraft in jeden Schwung wirft, was sie am Montag zum Kombinationstitel trug. Bassino wirkt in diesem Ensemble oft so präsent wie die schüchterne Schülerin in der letzten Bankreihe, und wenn man ihre Biografie studiert, ist das wenig verwunderlich. Ihre Eltern hatten sie und die Geschwister gelehrt, mit wenig zufrieden zu sein, Demut, Respekt, der Liebe zur Natur, hat sie einmal erzählt. Man sei viel im Piemont gewandert, das größte Glück sei eine kleine Hütte gewesen, in der sie oft übernachteten: mit einem kleinen Herd, Licht zum Lesen und vor allem: keinem Handyempfang.

So habe ihr Vater, ein Skilehrer, auch den Wettkampfgedanken vorgelebt, hat Bassino einmal der Gazzetta dello Sport erzählt: "Alles war ein Spiel." So tupft sie bis heute ihre Schwünge ins Eis, leicht und schön, und was ihr an Gnadenlosigkeit abging, schaute sie sich von Goggia und Brignone ab. "Wenn man sieht, was die Teamkollegin schafft, mit der man jeden Tag arbeitet, dann denkt man: Das kann ich auch", sagte Bassino am Mittwoch. Gut möglich, dass am Samstag in der Abfahrt dann Goggia an der Reihe ist. Die WM-Tage in Frankreich könnten schöne, leichte Tage werden für die Azzurri.

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