Deutsche bei der Ski-WM:Ausgerechnet die Nervenstarke verpasst eine Stange

Lesezeit: 3 Min.

Der fatale Moment: Lena Dürr rutscht auf der Slalompiste weg, die erhoffte Medaille ist verloren. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Lena Dürr, einer der konstantesten Slalom-Spezialistinnen, unterläuft bei der WM in Saalbach kurz vor dem Ziel ein Fehler: Der schöne Vorsprung von Emma Aicher – und die Medaille in der Teamkombination – sind dahin.

Von Korbinian Eisenberger, Saalbach-Hinterglemm

Es ist vielleicht ein Zeichen, dass die vermeintliche Königsdisziplin des Skirennsports diesmal für Halbzeit eins vorgesehen war – in der neuen Teamkombination, die am Dienstag in Saalbach ihre Weltpremiere hatte. Am Vormittag ging es für die Spezialisten in die Abfahrt, ehe am Nachmittag die Techniker im Slalom die Entscheidung brachten. Aus dramaturgischer Sicht, das ließ sich nach dem Rennen sagen, hat der Skiweltverband mit diesem neuen Format vieles richtig gemacht. Auch wenn die WM-Teamkombination von Saalbach in einem sportlichen Drama gipfelte, auf das so manche gerne verzichtet hätten.

Als Hauptfiguren auf der großen Bühne entpuppten sich die Frauen des Deutschen Skiverbands (DSV). Es hatte gut ausgesehen nach dem ersten Akt, doch als der Vorhang fiel, schleuderte Lena Dürr ihren Skistock quer durch den Zielraum. Emma Aicher öffnete ihrer zwölf Jahre älteren Teamkollegin sachte die Skibindungen, ehe sie ihr den Arm tröstend um die Schulter legte. So verließen beide das Zielstadion, ohne Skistock, ohne die erhoffte erste Medaille für den DSV in Saalbach.

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Emma Aicher  rast bei der WM-Abfahrt mit der höchstmöglichen Startnummer 30 auf Rang sechs und verpasst knapp die erste deutsche Medaille. Was wäre, wenn sie mehr Losglück gehabt hätte? Über eine Frau, die auf Jammerei verzichtet.

Von Korbinian Eisenberger

Emma Aicher hatte wie zuvor in den Einzelrennen im Super-G und in der Abfahrt ein fehlerfreies Rennen ins Ziel gebracht; lediglich der US-Amerikanerin Lauren Macuga gelang es, die Zeit der 21-jährigen Deutschen zu unterbieten. Lena Dürr, Aichers Partnerin für die Teamkombination, zog also im Slalom als Vorletzte ins Rennen. Mit viel Druck, aber auch mit der Erfahrung vieler ähnlicher Situationen. Und ausgerechnet jetzt, bei der WM, verlor eine der konstantesten Slalomfahrerinnen der vergangenen Jahre ihre Nervenstärke: Die 33-Jährige verpasste eine Stange, stieg wieder zurück – so blieb dem Duo des DSV am Ende nur Rang 17. „Ich bin richtig enttäuscht“, sagte Dürr nach dem Rennen, ehe sie mit den Tränen kämpfte. „Wenn man dann auch noch jemand anders mit reinzieht, tut es doppelt weh.“

„Ich bin eigentlich sehr konstant, so etwas passiert mir sehr, sehr selten“, sagt Dürr

Aus deutscher Sicht hätte es tatsächlich bitterer kaum laufen können. Wenige Minuten vor Dürr hatte bereits ihre Teamkollegin Jessica Hilzinger in den Slalomstangen eingefädelt und war aus dem Lauf gestürzt. Die 27-Jährige war nach Kira Weidle-Winkelmanns Abfahrtsrennen mit der fünftbesten Vorlage gestartet, in Medaillenreichweite also. Nun aber bahnte sich an, was von den deutschen Fans im Saalbacher Stadion niemand erleben wollte. Am Ende jubelten, wie zuletzt häufig, die anderen. Und wie in den meisten Fällen war auch diesmal die US-Athletin Mikaela Shiffrin nicht unwesentlich beteiligt.

Die erfolgreichste Skirennläuferin der Welt war im Duett mit Abfahrts-Weltmeisterin Breezy Johnson angetreten. Auf Rang vier nach der Abfahrt gelegen, brachte sie eine kontrollierte Slalomfahrt ohne erkennbare Fehler ins Ziel, gewann in Saalbach das zweite Gold fürs US-Team und sicherte sich selbst die insgesamt fünfzehnte WM-Medaille. Womit Shiffrin die Bestmarke der einstigen deutschen Weltklassefahrerin Christl Cranz einstellte, die zwischen 1934 und 1939 unter anderem zwölf WM-Titel gewonnen hatte.

Der Moment, als Emma Aicher (rechts) im Zielraum begreift: Das war’s mit dem Traum von einer WM-Medaille in Saalbach-Hinterglemm. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Rein sportlich dürften sich die bisherigen Tage in Saalbach nicht nur für DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier ähnlich zäh anfühlen wie eine Portion kalte Kasnockn beim Einkehrschwung. Um die Enttäuschungen zu versüßen, stehen noch fünf Wettkämpfe bevor, darunter die beiden Spezialslaloms am Wochenende, in denen Dürr, Aicher und Linus Straßer Sahnetage zuzutrauen sind. „Wir hoffen, dass wir das Blatt am Samstag wenden können im Slalom“, erklärte Dürr, der das Missgeschick schwer im Magen zu liegen schien. Das war verständlich. „Ich bin eigentlich sehr konstant, so etwas passiert mir sehr, sehr selten“, sagte Dürr, die in den bisherigen Weltcupslaloms bis auf das Rennen in Kranjska Gora ausfallfrei durchgekommen war: „Und dann genau heute.“

Trotz des bitteren Beigeschmacks konnte Dürr der Teamkombi-Premiere etwas Positives abgewinnen.  „Das ist ein richtig cooles Event“, sagte sie. Ähnliches war von den Teams aus der Schweiz und aus Österreich zu vernehmen, etwa weil Wendy Holdener die durchwachsene Abfahrt ihrer Partnerin Lara Gut-Behrami zum Anlass nahm, wie auf Schienen durch die 72 Slalomtore zu carven und noch auf Rang zwei zu springen. Team Österreich 3 (von vier Teams) mit Stephanie Venier und Katharina Truppe sicherte sich Bronze.

Im Medaillenspiegel dieser Ski-WM im am Dienstag etwas weniger sonnigen Saalbach zeichnet sich nun ein Dreikampf ab, den die Schweiz derzeit vor den USA und Österreich anführt. Die gute Nachricht: Deutschland ist in dieser Statistik immerhin Achter. Die weniger gute: alle anderen mit null Medaillen auch. In solchen Momenten hält man es am besten mit Emma Aicher, die am Ende dieses WM-Tags, der so gut begann und nicht ganz so gut weiterging, ein Fazit samt Ausblick in einem Satz präsentierte. „Passiert, gar nicht schlimm, abhaken, weitermachen.“

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