Ski-WM: Riesenslalom der Männer:Glücklicher Choleriker

FIS World Ski Championships - Men's Giant Slalom

So sehen WM-Sieger aus: Henrik Kristoffersen nach seinem perfekt getimten Erfolg beim Riesenslalom.

(Foto: Francis Bompard/Agence Zoom/Getty Images)

Endlich an der Spitze - und dann auch noch im richtigen Moment: Nach einer langen Serie von Niederlagen sichert sich der Norweger Henrik Kristoffersen seinen ersten WM-Titel.

Von Johannes Knuth, Are

Henrik Kristoffersen schob sich ins Ziel, er trommelte mit den Fäusten auf seine Brust, seht her, schien er zu sagen, was für ein Lauf. Er jubelte auch, als Marcel Hirscher kurz darauf um zwei Zehntelsekunden an seiner Bestzeit scheiterte - endlich hatte er den Österreicher hinter sich gelassen, auch wenn Hirscher am Freitag wohl noch leicht erkältet war. Jetzt stand nur noch Alexis Pinturault am Start, der Schnellste nach dem ersten Lauf. Und Kristoffersen plumpste auf den Boden, lehnte sich mit dem Rücken an eine Bande im Zielraum, als wolle er gar nicht hinschauen. Dann stand er doch auf, blickte auf die Videotafel, fiel wieder zu Boden, Pinturault behauptete seine Führung - aber spätestens zur Hälfte des Laufs ahnte man, dass dem Franzosen sein Vorsprung entgleiten würde. Und tatsächlich, Pinturault rutschte auf Rang drei ab, und Kristoffersen war endlich da, wo er sich schon den ganzen Winter lang hingesehnt hatte: an der Spitze.

Henrik Kristoffersen, 24, aus Lörenskog in Norwegen, hat sich mit seinen, nun ja, lebhaften Auftritten nicht gerade viele Sympathien erworben in den vergangenen Wintern. Mal rüttelte er im Ziel an einer Bande, mal fluchte er in die Kamera, in Kitzbühel schmiss er zuletzt seinen Skistock in die Luft und pfefferte ihn per Fuß durch die Gegend. Aber gut, wer seit der vergangenen Saison ein einziges Rennen gewonnen hat, 13 Mal Zweiter wurde, also ungefähr 13 Mal zu oft, und dann auch meist hauchdünn hinter Hirscher - der darf schon mal ein wenig verzweifeln. "Es war an der Zeit", sagte Kristoffersen am Freitagabend im Zielraum von Are, als sein WM-Triumph im Riesenslalom amtlich war, dann fügte er an: "Wir haben so hart gearbeitet. Es ist wunderbar, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe seit 2015 in Meribel keinen Riesenslalom mehr gewonnen." Nun hatte er sich den WM-Lauf für das Comeback ausgesucht, es war zudem seine erste WM-Medaille überhaupt.

Bittere Jahre hinter Hirscher

Kristoffersen hatte sich früh an den Erfolg gewöhnen dürfen: Er war 19 Jahre alt, als er bei den Winterspielen 2014 die Silbermedaille im Slalom gewann, mit 22 Jahren riss er schon die Weltcup-Gesamtwertung im Slalom an sich. Der Sieg im Gesamtweltcup war da nur eine Frage der Zeit, so sahen das zumindest die Experten, so sah das irgendwann wohl auch Kristoffersen selbst. Doch an Hirscher kam er einfach nicht vorbei. Und je öfter er verlor, in den Rennen und im Lauf einer ganzen Saison, desto mehr verkrampfte er. Nebenbei verwickelte er seinen Verband in einen Rechtsstreit; die Alpinen müssen in Norwegen das Logo des Verbandssponsors auf dem Helm tragen, nur für Aksel Lund Svindal gab es eine Ausnahme. Der Altmeister hatte dieses Privileg zu einer Zeit erwirkt, als der Verband nicht viele Erfolge und Sponsoren vorweisen konnte. Kristoffersen wollte nun das gleiche Recht, er klagte gegen den Verband, boykottierte gar ein Rennen, im Sommer 2017 verbannten sie ihn aus dem Trainingslager.

Kaum etwas ist den Norwegern so heilig wie der Teamgedanke, nur so funktionier die Kultur, wonach die Älteren die Jüngeren einlernen. Ein Choleriker, der im Zielraum wütet, das passte nicht ins Bild der heilen Skifamilie. Kristoffersen, das muss man freilich wissen, wurde in seiner Jugend weniger vom Kollektiv geprägt, wie seine Kollegen Kjetil Jansrud oder Aleksander Kilde, sondern von seinem Vater Lars, den er am Freitag als Ersten in seiner Dankesrede erwähnte. "Ich bin oft ein bisschen gegen den Strom geschwommen", hat Kristoffersen einmal gesagt, "wenn man besser sein will als die anderen, kann man nicht genau das Gleiche tun". Der norwegische Verband bemühte sich zuletzt um Schlichtung, Svindal musste sich zuletzt wieder den Sponsor des Verbands auf seinen Helm kleben, doch Kristoffersen hat seine Klage nicht zurückgezogen. Er könne das sogar verstehen, sagte Svindal zuletzt: Die internationale Konkurrenz könne sich selbst vermarkten, da sei es unglücklich, dass der Ski-Weltverband den nationalen Verbänden keine einheitlichen Vorschriften mache.

Schmid sorgt für den deutschen Lichtblick

Die Deutschen? Die beendeten den Riesenslalom am Freitagabend zum einen "sehr happy", zum anderen "mit einem weinenden Auge", wie Alexander Schmid befand. Der 24-Jährige vom SC Fischen war am Ende Achter geworden, es war das zweitbeste Resultat seiner Karriere, nach einem sechsten Platz im Vorwinter. "Mega cool", sagte Schmid, er hatte im Weltcup in diesem Winter bislang nur einen 15. und 16. Rang im Riesenslalom geschafft. Das hatte nicht ganz für die verbandsinterne WM-Norm gereicht, aber ein paar Nachwuchskräfte nehmen sie im DSV ja immer zu einer WM mit, zur Fortbildung. "Das junge und ersatzgeschwächte Team zeigt doch immer wieder ansprechende Leistungen", sagte Alpinchef Wolfgang Maier am Freitag, "so dass man doch sieht, dass wir auch in der Zukunft konkurrenzfähig sind."

Die weniger schöne Nachricht für den DSV war die Krankmeldung von Stefan Luitz. Der 26-Jährige erlitt bei seinem Sturz im ersten Lauf einen Innenbandriss, er muss mindestens vier Wochen pausieren. Für Luitz endet somit ein turbulenter Winter vorzeitig: Er hatte im vergangenen November sein Comeback nach Kreuzbandriss gegeben, in Beaver Creek dann prompt seinen ersten Weltcup gewonnen - ehe er ihn Anfang Januar wieder verlor, wegen unerlaubter Sauerstoff-Inhalation. Für Are war er dann gerade so fit geworden, nachdem er sich in Adelboden die Schulter ausgekugelt hatte. "Wir sind froh, dass es nicht mehr ist", sagte Maier mit Blick auf die Diagnose. Luitz werde sich nun halt wieder "auf den Weg zurück" begeben. Auf zum nächsten Comeback.

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