Süddeutsche Zeitung

Ski-WM in Schweden:Gemeinsam gegen die Watschn

Nach den schmerzhaften Niederlagen der Speed-Abteilung setzen die Deutschen bei der Alpin-Weltmeisterschaft auf die zweite Woche. Schon der Teamevent am Dienstag könnte das Selbstvertrauen wieder aufrichten.

Von Johannes Knuth, Are

Mit der Anreise wäre es fast ein wenig eng geworden. Aber nicht wegen des Wetters, das vielen Abfahrern zu Beginn der alpinen Ski-WM in Are vor einer Woche eine eintägige Irrfahrt ins schwedische Skiresort beschert hatte. Beim Skirennfahrer Anton Tremmel war es so: Er erhielt vor etwas mehr als einer Wochen einen Anruf von Mathias Berthold, dem Cheftrainer des deutschen Teams. Der hatte die frohe Kunde, dass Tremmel es in die Reisegruppe nach Schweden geschafft hatte. Tremmel verpasste den Anruf allerdings. Als er Berthold zurückrief, war der gerade nicht erreichbar. "Und dann ist das a bissel im Sand verlaufen", erinnert sich Tremmel, er wusste ja nicht um den Wert der Nachricht, die ihm sein Trainer überbringen wollte. So hat der 24-Jährige vom SC Rottach-Egern dann halt erst vor einer Woche aus den Medien erfahren, dass er in Are seine erste WM bestreiten wird.

Tremmel hat die Episode zu Wochenbeginn in Are erzählt, und es hat nicht den Anschein, als lasse sich der junge Slalomexperte von derartigen Irrungen aus der Ruhe bringen. Sie geben sich gerade überhaupt sehr gefasst im Deutschen Skiverband (DSV). Die erste Woche in Are hatte mit zwei knapp verpassten Medaillen im Super-G begonnen und mit einer "Watschn" in den Abfahrten geendet, wie Alpindirektor Wolfgang Maier befand. Aber jetzt ist die zweite Woche angebrochen, jetzt sind die ambitionierten Techniker dran, die zumindest reibungslos und vollzählig in Are eingetroffen sind. Ihr erster wichtigter Programmpunkt ist der Teamevent am Dienstag, er soll der Auswahl ein wenig emotionale Linderung verschaffen - und Rückenwind für die folgenden Einzelwettbewerbe. "Es ist alles drin", sagt Linus Straßer, von einer Medaille bis zum frühen Aus. Das ist für den DSV ein Vorteil und zugleich a bissel ein Problem.

Der Teamevent steht seit 2005 im WM-Programm, die Deutschen gewannen damals die Uraufführung am letzten Tag und retteten damit prompt ihre bis dahin medaillenfreie Bilanz (auch wenn die größere Leistung fast darin bestand, dass die DSV-Verantwortlichen das furchtbar verworrene Regelwerk am besten durchschaut hatten). 2013 errangen sie in Schladming dann Bronze, damals schon im Parallel-Format, obwohl Felix Neureuther vom Kroaten Filip Zubcic fast in einen schwereren Auffahrunfall verwickelt wurde. Die Medaille war aber ein Mutmacher für die zweite Woche, die dann sehr ordentlich verlief.

Seitdem war der Teamevent, der sich mittlerweile zu einem seriösen Festakt bei alpinen Titelkämpfen entwickelt hat, für den DSV ein Quell von Pech und Pannen. Bei der WM 2015 war der Pfad zur Medaille "a g'mahte Wiesn", wie Berthold sich erinnert - dann verzichteten die Trainer in der ersten Runde auf Lena Dürr, die mit der Empfehlung eines Weltcup-Erfolgs im Parallelslalom angereist war. Die Deutschen verloren ihr Duell, Veronique Hronek erlitt einen Kreuzbandriss, Neureuther schimpfte öffentlich über die Aufstellung. Zwei Jahre später hatte Straßer gerade den Parallel-Weltcup in Stockholm gewonnen, sie schonten ihn in der ersten Runde aber erst einmal - dafür fuhr Neureuther, auch als "Zeichen der Wertschätzung", wie Sportdirektor Maier sich erinnert.

Doch Neureuther verlor dann gegen den unbekannten Matej Falat und das ganze Team gegen die Slowakei. "Wir hätten es uns in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass dieser Rotzlöffel schneller fährt", scherzt Maier nun in Are, wobei: Damals wurde wenig gescherzt, es herrschte intern "eine Bombenstimmung" (Maier), die erst von Neureuthers Slalom-Bronze am letzten Tag ins Schöne kippte.

Für Are haben sie nun vorwiegend Fahrer berufen, die sich Spezialkenntnisse im Parallel-Format erworben haben. Die Aufstellung ist abgesteckt, Marlene Schmotz und Dominik Stehle stehen als Ersatz bereit, Lena Dürr und Christina Geiger bestreiten die zwei Duelle bei den Frauen, die pro Runde gefahren werden, Straßer und Tremmel jene bei den Männern. Letztere hatten die verbandsinterne WM-Norm zwar nicht geschafft, aber die Parallelrennen liegen ihnen, Tremmel wurde beim Europacup in Tignes zuletzt Zweiter. "Das ist eine eigene Disziplin, das hat nichts mit Slalom zu tun", macht Straßer zu Recht geltend. Ein Parallelrennen besteht aus rund zwanzig Toren, aus zwei Läufern im direkten Duell, ein Sprung vielleicht noch, dann geht es im Idealfall wieder rauf auf den Berg, zum nächsten Duell. "Das hat eine ganz eigene Dynamik", sagt Lena Dürr, "es hängt viel davon ab, wie wir als Team auftreten". Wenn man die erste Runde gewinne, eine kleine Welle entfache - "dann können wir schon was reißen", glaubt sie.

Das wäre das ideale Szenario aus Sicht des DSV: dass ihre Außenseiter eine kleine Welle erwischen, die dem gesamten Team auch für den Rest der WM Schwung gibt - Straßers fünfter Platz in der Kombination am Montagabend war da schon mal kein schlechter Anfang. Die Etablierten sollen sich derweil in Ruhe auf ihre Kerndisziplinen vorbereiten: Viktoria Rebensburg und der von seiner Schulterluxation genesene Stefan Luitz im Riesenslalom, Neureuther diesmal nur im Slalom. Der 34-Jährige hatte zuletzt erneut pausiert, wegen einer Erkältung.

Die Deutschen treffen am Dienstag übrigens zunächst auf Großbritannien, die durchaus befähigte Parallel-Fahrer beschäftigen. Allerdings keinen Matej Falat.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2019
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