Ski-WM:"Ich glaubte, dass die Zeitmessung falsch ist"

FIS World Ski Championships - Women's Slalom

Feiert ihren dritten WM-Titel in Folge: Mikaela Shiffrin.

(Foto: Getty Images)

Mikaela Shiffrin holt ihren dritten WM-Titel nacheinander im Slalom. Und das mit einem historisch großen Vorsprung.

Von Matthias Schmid, St. Moritz

Als Mikaela Shiffrin nach der Ziellinie abschwang, brauchte sie eine ganze Weile, um alles in ihrem Kopf sortieren zu können. Das konnte man ihr sogar ansehen. Mit weit aufgerissenem Mund sah sie auf die Anzeigetafel, die alle Ergebnisse festhält. Da leuchtete, grün unterlegt, die "1" auf, natürlich. Shiffrin, die dominierende Rennläuferin in dieser Disziplin, gewann den Slalom der alpinen Weltmeisterschaft in St. Moritz.

Das war keine Überraschung, überraschend - und das machte sogar Shiffrin so fassungslos - war der Zeitabstand, den sie zwischen sich und der Zweitplatzierten Wendy Holdener aus der Schweiz legte. 1,64 Sekunden war Shiffrin schneller, 1,75 Sekunden schneller gar als die Dritte Frida Hansdotter aus Schweden.

"Ich glaubte im ersten Moment, dass die Zeitmessung falsch ist", bekannte Shiffrin danach, "ich wusste, dass ich gut war. Aber ich wusste nicht, dass es so gut war. Als ich es dann realisierte, dachte ich nur: "Oh, my god!"

Sie baute sich vor der Tribüne auf und riss dreimal die Arme hoch und wieder runter. Selten hat man die Amerikanerin ausgelassener jubeln gesehen, sie begegnet ihren Erfolgen normalerweise ziemlich nüchtern. Sie behält ihr Inneres gerne im Inneren. Doch diesmal mussten die Emotionen raus, jeder durfte ihr dabei zusehen.

Die alte Bestmarke von Christel Cranz hielt schon 78 Jahre

Shiffrin holte in der Schweiz ihren dritten WM-Titel nacheinander im Slalom, sie egalisierte damit eine Bestmarke, die 78 Jahre lang überdauert hat und von einer deutschen Rennläuferin gehalten worden ist: von Christel Cranz, der zwölfmaligen Weltmeisterin, die auf der Schwäbischen Alb nahe Reutlingen das Skifahren lernte.

Doch dass sie den Rekord eingestellt hat, war ihr nicht wichtig, behauptete Shiffrin. Die 21-Jährige, die schon lange damit begonnen hat, die Historie im alpinen Skisport umzuschreiben, gab sich bescheiden: "Um ehrlich zu sein, habe ich darüber nicht nachgedacht", fügte Shiffrin hinzu. "Ich bin einfach nur glücklich und kann es gar nicht beschreiben, wie froh ich darüber bin, dass ich endlich wieder so gefahren bin, wie ich mir das vorstelle."

Schon vor dem Start des Finaldurchgangs hatte Shiffrin, die Perfektionistin, an jedes ach so klein erscheinende Detail gedacht. Eine Betreuerin hatte ihr einen Regenschirm über ihren Kopf gehalten, um zu verhindern, dass die intensiven Sonnenstrahlen über St. Moritz ihren Helm erreichen. Shiffrin sah in dem Moment so entspannt aus wie eine dieser Zuschauerinnen bei den Pferderennen auf dem St. Moritzer See.

Nach dem ersten Durchgang hatte sie noch 38 Hundertstel Sekunden vor Holdener gelegen, sie war unzufrieden mit ihrer Darbietung, vor allem, weil sie wusste, dass sie im letzten Teil Zeit verloren hatte. "Es gab ein paar Passagen, in denen ich härter und direkter hätte fahren können", gab Shiffrin zu, "aber es war schnell."

Im zweiten Durchgang wählt Shiffrin die risikoreichste Linie

Zu welcher Geschwindigkeit sie fähig ist, zeigte sie dann im zweiten Durchgang. Sie wählte nun die risikoreichste, die direkteste Linie hinunter ins Tal. Wo ihre Konkurrentinnen im Steilhang rutschten oder die Schwünge andrifteten, kantete sie nur kurz ihre Skier auf und fuhr wie auf Schienen hinab. Keine Rennläuferin ist in den Beinen beweglicher, schnellkräftiger als Shiffrin. Sie weiß: Wenn sie nur zwei Läufe ordentlich herunterbringt, kann sie niemand schlagen. Manche ihrer Kolleginnen würden am liebsten ein Autogramm von ihr holen, so devot begegnen sie ihren Leistungen. "Natürlich schaue ich auch drauf, was sie so speziell macht", gab Holdener zu.

Doch anders als zum Beispiel Lindsey Vonn inszeniert sich Shiffrin nicht. Ihre Pressekonferenz in St. Moritz ein paar Tage zuvor war keine Show wie jene bei Vonn, die über den Teppich geschwebt war, mit ihrem Hund Lucy an der Seite. Shiffrin tritt eher unamerikanisch auf, leiser, zurückgenommener. Vielleicht kennen sie deshalb in den USA auch nicht so viele Menschen. "Ich bin nur ein Average Joe, ein Durchschnittstyp", hatte sie vor dem Winter in Sölden erzählt. "Kaum jemand außerhalb meines Heimatortes weiß, was ich eigentlich so mache." Aber auf der Piste fällt sie umso mehr auf, sie fährt schnellere Schwünge als alle ihre Konkurrentinnen, geschmeidiger, sie tanzt fast durch die Tore.

Die beste Deutsche, Marina Wallner, landet auf Platz 17

Und die Deutschen? Sie waren nur Zuschauer bei den Feierlichkeiten, sie beobachteten im Zielraum aus sicherem Abstand, wie Shiffrin, Holdener und Hansdotter sich vom Publikum feiern lassen durften. Als beste Deutsche landete am Ende Marina Wallner bei ihrer ersten WM auf dem 17. Platz. Einen Rang vor Lena Dürr, die nach dem ersten Durchgang noch auf dem zehnten Rang platziert war. "Davon kann ich mir aber nix kaufen, dass nur der erste Lauf super war", sagte sie enttäuscht. Die 19-jährige Jessica Hilzinger fand ihrem 22. Platz bei ihrem WM-Debüt dagegen "megacool". Ob sie sich ein Autogramm von Shiffrin sicherte?

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