Ski-WM:Die Maloja-Schlange nervt den Ski-Zirkus

Ski alpin: Weltmeisterschaft

Nebel unter blauen Himmel: Das Abfahrts-Rennen der Herren bei der Ski-WM in St. Moritz wurde aufgrund des Wetters abgesagt.

(Foto: dpa)
  • Nach der fünften Verschiebung wird die Abfahrt der Herren bei der Ski-WM von Sankt Moritz abgesagt.
  • Das Rennen muss am Sonntag nachgeholt werden. Schuld ist die sogenannte Maloja-Schlange.

Von Matthias Schmid, St. Moritz

Die Zuschauer, die unten im Zielraum standen, reichten sich die Sonnencreme weiter. Es war kurz vor halb zwölf Uhr am Samstagvormittag, als die Strahlen auf dem Hochplateau Salastrains oberhalb von St. Moritz schon sehr intensiv waren. Wer die Sonnenbrille bei blauem und wolkenlosem Himmel vergessen hatte, musste sich die Augen zukneifen. So schön war der Tag. Einen perfekteren Rahmen hätte sich für die Abfahrt der Männer bei der alpinen Weltmeisterschaft kein Regisseur ausdenken können. Dachten alle - das galt aber eben nur für den Zielraum unten und oben für das Startgelände, wo sich der Freie Fall, die steilste Abfahrtsrampe der Welt, von seiner schönsten Seite präsentierte: sonnig und bestens präpariert.

Doch im Mittelteil der 3050 Meter langen Strecke führte die Maloja-Schlange Regie - und sie nervte nicht nur die Zuschauer, sondern vor allem die Rennläufer, die auf ihren Start warteten. Immer wieder mussten sie vertröstet werden, bis Markus Waldner, Renndirektor der Männer, ihnen schließlich nach der fünften Verschiebung um 14.15 Uhr die Nachricht übermittelte, dass das Rennen abgesagt und auf einen anderen Tag verschoben werden muss.

Unten im Ziel hatten die mehr als 35 000 Zuschauer schon die erste Verschiebung um Viertel vor zwölf mit lauten Buh-Rufen quittiert. Es war in der Tat ein ziemlich merkwürdiges Bild, das da entstand, weil der Mittelteil vom Zielraum wegen des welligen und hügeligen Geländes nicht eingesehen werden kann. Die Besucher hatten viel Geld bezahlt und nicht wenige hatten ihren Urlaub extra so gelegt, dass sie bei der Königsdisziplin der WM dabei sein konnten.

Für den Veranstalter war die Absage deshalb ein Desaster, aber die Launen der Natur lassen sich nicht beeinflussen. Erst die Fernsehbilder offenbarten das ganze Ausmaß der berühmten Maloja-Schlange, einer Nebelbank, die sich im Oberengadin-Tal über den Seen bildet und ziemlich hartnäckig sein kann, wenn sie hinaufsteigt und es sich auf der Corviglia bequem macht. Wie am Samstag.

Fahrer wirbeln Flaschen durch die Luft

"Die Absage ist natürlich sehr schade, aber es war die richtige Entscheidung", bekannte Andreas Sander. Der beste deutsche Abfahrtsläufer fand die Warterei sogar "erträglich", wie er sagte. Die Rennläufer machten sich einen Spaß draus, um sich abzulenken und so etwas wie Zerstreuung zu finden. Sie entwickelten dabei ein Geschicklichkeitsspiel, das sogar das Schweizer Fernsehen lustig genug fand, um es in Ermangelung besserer Alternativen live zu übertragen. Sie zeigten, wie die Fahrer ihre Trinkflaschen durch die Luft wirbelten. Die Schwierigkeit bestand darin, dass die Flasche nach dem kunstvollen Flug wieder ordentlich auf dem Boden stehen musste.

Die Männer-Abfahrt soll am Sonntag nachgeholt werden

Wer als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging, ist nicht bekannt. Die Stimmung bei den Athleten war aber prächtig, besonders nachdem noch ein Hubschrauber oberhalb im Felsen auf einer kleinen Plattform gelandet war und Helfer ausspuckte. Sie schleppten Kisten mit belegten Brötchen, Obst und Müsliriegel über den schneebedeckten Hang hinunter zum Aufenthaltsraum, wo die Fahrer saßen und spielten. Manche im Unterhemd, manche mit Helm, sie sahen aus, wie eine Schulklasse im Skiurlaub, die den Bus zur Talstation verpasst hat und die Zeit totschlagen musste.

Neben dem Nebel kam an diesem Tag erschwerend hinzu, dass bei der Biathlon-WM in Hochfilzen um 14.45 Uhr der Sprint der Männer anstand und eine sechste Verschiebung der Abfahrt mit der Liveübertragung aus Hochfilzen kollidiert hätte. Der Welt-Skiverband Fis wollte keinen Streit mit der internationalen Biathlon-Union IBU riskieren. Es geht dabei um viel Geld, Macht und Einfluss. Deshalb überlegten die Verantwortlichen lange, sie diskutierten und jonglierten mit den Terminen, weil der Zeitplan in St. Moritz eng getaktet ist und nur noch am Mittwoch einen Ruhetag vorsieht.

Erst am Samstagabend stand dann die Entscheidung fest, wann die Abfahrt nachgeholt wird. Neuer Termin ist nun dieser Sonntag um 13.30 Uhr. Dafür müssen die Frauen ihr Abfahrtsrennen früher beginnen als geplant, nämlich um 11.15 Uhr. Die Skifahrer gehen damit auch den Biathleten aus dem Weg, in Hochfilzen steht um 10.30 Uhr das Verfolgungsrennen der Frauen an, um 14.45 Uhr dann das der Männer. "Es wird kein leichter Tag morgen", bekannte der Frauen-Renndirektor Atle Skaardal. Nicht nur wegen des Biathlons, sondern auch weil starke Winde mit bis zu 50 Stundenkilometern aufkommen sollen. Die Maloja-Schlange dagegen soll - laut der Vorhersage - im Tal bleiben.

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