Süddeutsche Zeitung

Alpine Ski-WM:Immer offen für Überraschungen

Die deutschen Teilnehmer setzen ihre Erfolgsserie bei den Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo fort. Dank des Bronzegewinns im Teamwettbewerb haben sie die Bilanz von 2013 bereits egalisiert.

Von Johannes Knuth, Cortina d'Ampezzo

Auch die deutschen Betreuer waren in Bestform, sie preschten in den vorletzten Ring des Zielraumes vor, jubelten von der Bande aus schon mal ihren Athleten zu, die im Innenraum vor den Fotografen die ersten Siegerposen aufführten. Die Betreuer hatten sogar einen Ordner links liegen gelassen, der dem vor Freude dampfenden Tross nun hinterherhechelte: "Nooo, not in the restricted area!"

Auf ihr Protokoll achten sie im Zielstadion von Cortina wirklich sehr penibel, auch bei der Medaillenzeremonie ein paar Minuten später. Da durften sich die Athleten am Mittwoch ihre Plaketten erneut von einem Ständer greifen und selbst umhängen, alles im Dienst der Viruseindämmung. Die Gekürten fanden nun immerhin einen hübschen Weg, um diesen behördlichen Akt etwas aufzupeppen, diesmal durften ja drei Mannschaften aufs Podium, je vier Fahrer und zwei Ersatzkräfte. Die Deutschen verliehen sich ihre Bronzemedaillen also gegenseitig, und das passte zum Leitmotiv dieses Teamwettkampfs. Die Ersatzkräfte, sagte Stefan Luitz später, er meinte Lena Dürr und Linus Straßer, "haben uns am Start gut unterstützt mit guter Stimmung und Tipps, wir haben das auf der Piste gut umgesetzt". Ganz einfach, oder?

Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo waren bislang eine recht deutschsprachige Affäre, die Schweizer haben nach neun von 13 Bewerben die meisten Medaillen erstanden (acht), die Österreicher die meisten goldenen (vier). Aber bald dahinter folgen schon die Vertreter des Deutschen Skiverbandes (DSV), die im Medaillenspiegel so fleißig sind wie seit Langem nicht. Der Bronzegewinn im Team-Event war bereits ihre vierte Plakette, sie haben schon jetzt die Bilanz der erfolgreichen WM 2013 egalisiert. Am Mittwoch waren die Deutschen sogar die einzigen, die das deutschsprachige Ressort bei der Siegerzeremonie vertraten, hinter Norwegen und Schweden, die ihre jeweils erste Medaille bei dieser WM gewannen. Mit dieser Reihenfolge in den Wettbüros hätte man wohl den einen oder anderen Ausflug in eine von Cortinas Prosecco-Bars finanzieren können.

Am Mittwoch waren zunächst noch einige Nachwehen des Vortags zu spüren gewesen, der blaue Kurs, der bei den Einzelentscheidungen im Parallelformat viel langsamer gewesen war als der rote, war nun etwas besser präpariert. Viele Spitzenkräfte hatten sich am Mittwoch trotzdem entschuldigt, die starken Franzosen nominierten nicht mal eine Auswahl. Die Deutschen, erneut in der Rolle der ambitionierten Außenseiter, zogen dagegen ihr bestes Team zusammen; Luitz und Alexander Schmid übernahmen die zwei Läufe pro Runde bei den Männern, Andrea Filser und die erst 17 Jahre alte Emma Aicher bei den Frauen.

Erst die Schweden sind im Halbfinale besser

Aicher war erst im Vorjahr vom schwedischen zum deutschen Verband gewechselt, im Europacup hatte sie zuletzt in den Parallelrennen überzeugt und war kurzfristig ins WM-Team gerückt ("das konnte ich zunächst gar nicht glauben"). Sie verlor zwar ihre Duelle, aber zum Teil nur knapp, dafür zogen die Teamkollegen alle Punkte auf ihre Seite, im Achtelfinale gegen Großbritannien, im Viertelfinale gegen Italien. Erst die Schweden, die zuvor die starken Österreicher bezwungen hatten, waren im Halbfinale besser: Zwei zu zwei stand es nach vier Läufen, bei Gleichstand entscheidet die addierte Zeit der schnellsten Frau und des schnellsten Mannes. Da waren Sara Hector und Kristoffer Jakobsen etwas flotter als Filser und Luitz.

Das kleine Finale also, diesmal gegen die Schweizer, die Titelverteidiger von 2019. Damals hatten die Deutschen im Duell um Bronze knapp gegen Italien verloren, auch diesmal war es wieder packend und eng. Aicher verlor gegen Wendy Holdener, Filser war schneller als Camille Rast, Luitz gewann klar gegen Sandro Simonet, aber Semyel Bissig reichte gegen Schmid nun ein Sieg und eine flotte Zeit auf dem schnelleren roten Kurs, um den Schweizern die Bronzemedaille zu retten.

Schmid hatte bereits am Dienstag gegen den Schweizer Loic Meillard Bronze vor Augen gehabt, dann war er an der letzten Kuppe gestürzt. "Ich habe gemerkt, dass ich nicht ganz frei war im Kopf oder körperlich", gestand Schmid später, nun lastete auch noch das Wohl des Teams auf seinen Schultern. Bissig war dann klar stärker, "ich habe auf jeden Fall gedacht, dass es nicht reicht", sagte Schmid. Er trudelte mit hängenden Schultern ins Ziel - und wurde von kreischenden Teamkollegen empfangen. Der Schweizer war zu langsam gewesen, um zwölf Hundertstelsekunden.

DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier betrieb später noch mal Werbung für das zuletzt gescholtene Parallelformat. "Ich finde die Wettbewerbe extrem spannend", sagte er, "sie haben auch einen gewissen sozialen Charakter in einer Einzelsportart." Außerdem seien sie bei den letzten Titelkämpfen immer gut besucht gewesen. Diesmal war der Wettstreit für seine Athleten auch ein willkommener Stimmungsaufheller vor den Einzelrennen, Filser wird am Donnerstag im Riesenslalom der Frauen starten, Luitz und Schmid werden am Freitag bei den Männern nachziehen, Aicher, Dürr und Straßer in den Slaloms am Samstag und Sonntag. "Die Medaille gibt noch mal einen Schub", sagte Schmid mit Blick auf den Riesenslalom. Sein bester Ertrag in diesem Winter war bislang ein siebter Rang, "ich will mir jetzt auch nichts ausmalen", sagte der 26-Jährige, "aber ich will mein Bestes geben". Und dann? "Ist man immer für Überraschungen offen."

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