Süddeutsche Zeitung

Chaos bei der Ski-WM:Um vier Uhr früh in den Schnellzug

  • Die chaotische WM-Anreise vieler Skirennfahrer sorgt für schlechte Stimmung.
  • Bei manchen Sportlern glich die Anfahrt nach Are eher einer 24-stündigen Expedition.
  • Die deutschen Rennfahrer versuchen, der Situation mit Humor zu begegnen.

Von Johannes Knuth, Are

Der Auftakt zur alpinen Ski-WM in Are begann für Josef Ferstl und seine Kollegen aus dem deutschen Abfahrtsteam noch recht entspannt; es fing an mit Sushi, (vermutlich alkoholfreiem) Weißbier und Schafkopf am Münchner Flughafen. Aus einer Runde Schafkopf (und vermutlich alkoholfreiem Weißbier) wurden dann noch ein paar mehr, dank des Wintereinbruchs in Bayern. Sieben Stunden später machte sich die Delegation dann Richtung Stockholm auf, wo sie am Sonntagabend auch tatsächlich eintraf. Allerdings ohne Gepäck. Doch der Flieger Richtung Are flog ohnehin nicht, weil es auch in Stockholm sehr winterte, was den Taxiverkehr zu den Hotels zum Erliegen brachte. Die Athleten vertrieben sich die Zeit mit dem Videostudium des Super Bowl in Atlanta; um vier Uhr in der Früh bestiegen sie schließlich einen Schnellzug nach Are. Schnell hieß in dem Fall: acht Stunden bis zur Ankunft am Montagmittag. Ferstl befand: "Lieber zu spät als nie."

Humor, das war zunächst die Strategie, um dieses Anreisedurcheinander zu bewältigen, es hatte ja viele Schnellfahrer erfasst: Deutsche, Italiener, Franzosen. Aber ganz so wohltemperiert war die Stimmung in Are dann irgendwann auch nicht mehr.

Am Montagabend, bei der ersten Zusammenkunft von Rennleitung und Trainern, trug der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier seinen Unmut über die Anreise vor. Keine Notbetten am Flughafen, keine Hilfe, "das war schon ein bisschen schwach", fand er. Markus Waldner, Renndirektor des Ski-Weltverbands (Fis) und zuvor selbst Teil der 24-stündigen Expedition nach Are, sah das ähnlich; er berichtete von Abfahrern, die auf Gängen im Zug genächtigt hatten: "Trainer sind Cowboys, aber für die Jungs war das nicht gut", sagte er (die Frauen waren einen Tag vorher angereist). Waldner strich also das erste Abfahrtstraining am Dienstag und verordnete leichtes Einfahren, wobei viel Athletengepäck erst am Dienstag in Are eintraf.

"Nicht optimal, aber wir machen das Beste draus"

Die Trainer aus Italien, Frankreich und Deutschland regten am Montag auch deshalb an, den Zeitplan für die ersten WM-Tage weiter zu entzerren. "Ich halte das für kein gutes Programm", sagte Christian Schwaiger, der deutsche Abfahrtscoach, er meinte: der Januar mit einem schweren Abfahrtswochenende nach dem nächsten, Weltcups für Frauen und Männer am Wochenende unmittelbar vor der WM (das hatte es zuletzt 2011 gegeben) - und damit dieses zu enge Zeitfenster für die Are-Anreise, der an diesem Mittwoch laut Plan nun schon der Super-G der Männer folgen soll. Man könne doch am Mittwoch stattdessen ein erstes Abfahrtstraining abhalten und am Donnerstag den Super-G, schlugen die Trainer vor, aber davon hielt die Jury herzlich wenig.

"Das ist eine WM hier", entgegnete Waldner, und bei einer WM gibt es dichte Zeitpläne, feste Verabredungen mit TV-Sendern, viele Interessen. Der Einwand, dass das nicht gerade im Sinne der Athleten sei, und dass Waldner selbst zuletzt immer wieder gemahnt hatte, man verliere jede Woche zu viele Rennläufer und müsse verstärkt über die Sicherheit nachdenken - das alles war jetzt offenbar nicht mehr ganz so drängend. "Ich glaube, wir sind alle ein bisschen müde. Lasst uns ein Bier trinken und morgen wieder treffen", schlug Waldner vor. Viel Widerspruch erhielt er nicht mehr, andere Nationen, die privat oder früher nach Are gereist waren, schlossen sich dem Begehren nicht an.

"Nicht optimal, aber wir machen das Beste draus", beschloss Josef Ferstl, der aus seinem überraschenden Sieg im Super-G von Kitzbühel nicht allzu hohe Erwartungen für das Rennen an diesem Mittwoch ableiten mochte. Der Schnee in Are sei griffiger, der Kurs ein neuer, darauf müsse man sich immer wieder speziell vorbereiten. Diesmal halt unter noch strengeren Bedingungen.

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SZ vom 06.02.2019/ebc
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