Ski-WM: Abfahrt:Dank Brezelsalz und Pinkeldruck

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Bei der WM-Abfahrt in Garmisch schockiert der Kanadier Erik Guay die Favoriten - profitiert beim Sieg aber auch von einer günstigen Startnummer. Der Schweizer Routinier Didier Cuche hat eine originelle Erklärung, warum er Gold knapp verpasst.

Johannes Aumüller

Der Amerikaner Bode Miller gilt nicht nur als besonders wagemutiger, sondern auch als besonders listiger Skifahrer. Manche halten ihn für so listig, dass sie ihm vor dem WM-Abfahrtsrennen in Garmisch-Partenkirchen sogar zutrauten, eine halbe Weltcup-Saison extra langsamer zu fahren, um beim Jahreshöhepunkt Weltmeisterschaft in die zweite Startgruppe zu kommen - in der mutmaßlich die besseren Bedingungen herrschen würden.

Erik Guay auf dem Weg zu seinem überraschenden WM-Gold in der Abfahrt. (Foto: REUTERS)

Ganz so sei es nicht gewesen, beschied Miller im Interview mit der SZ am Samstag, und es wäre ohnehin ein Vorteil gewesen, früher zu starten als mit Startnummer 23. Denn es war richtig warm geworden in Garmisch. So warm, dass die gefürchtete eisige Strecke aufweichte - und die Athleten mit den frühen Startnummern etwas begünstigt waren. Was wiederum der Kanadier Erik Guay (Nummer zehn) prächtig ausnutzte und sich mit einer tollen Fahrt in Streckenrekordzeit etwas überraschend vor Didier Cuche (Schweiz) und Christof Innerhofer (Italien) die Goldmedaille sicherte.

Viel Respekt hatte die Kandahar den Startern eingeflößt - kein Wunder bei solchen Schwierigkeiten wir dem sogenannten "Freien Fall", einer Stelle mit einem Gefälle von 92 Prozent. Manche Athleten hatten angesichts der Schwierigkeiten sogar einen Startverzicht erwogen. Zwar trauten sich dann doch alle, aber viele stürzten im Zielbereich vor Erschöpfung oder waren schon im Zielschuss so fertig, dass sie es nicht mehr in die Hockposition schafften, sondern aufrecht und zeitraubend die letzten Meter absolvierten.

Und zu dieser anspruchsvollen Streckencharakteristik kamen nun noch die Auswirkungen des Wetters. Die Organisatoren verteilten Brezelsalz - ja, tatsächlich das Salz, das normalerweise Bäcker auf die Brezeln streuen - über die Strecke, sie legten Präparationspausen ein. Doch es half nichts: Oben war die Kandahar zwar noch griffig und eisig, doch vom Mittelabschnitt an zunehmend aufgeweicht.

Es waren also Rahmenbedingungen, über die sich vor allem ein Fahrer freuen konnte: der Italiener Christof Innerhofer, der am Mittwoch schon den Super-G gewonnen hatte und als einziger aus dem engeren Favoritenkreis mit einer relativen frühen Nummer (neun) ins Rennen ging. Und vom Starthang weg fuhr er mit dem Goldgefühl vom Mittwoch im Rücken, einem immensen Zug und viel Feingefühl - und lag im Ziel 1,23 Sekunden vor dem bis dahin führenden Schweizer Ambrosi Hoffmann. Sollte da sogar ein Doppel-Sieg möglich sein?

Doch keine zwei Minuten später war diese Hoffnung passé. Denn dank einer starken Linie im Mittelteil war es schon der unmittelbar nach Innerhofer gestartete Kanadier Erik Guay, der den Italiener von Platz eins der Zwischenrangliste schubste. Guay ist kein unbeschriebenes Blatt, er hatte vor diesem Start in Garmisch schon ein Abfahrts- und ein Super-G-Rennen sowie im vergangenen Jahr den Super-G-Weltcup gewonnen - doch als Anwärter auf WM-Gold hatte er eigentlich nicht gegolten.

Aber das Wetter spielte ihm in die Karten, wobei Guays Fahrt auch so imponierend war, dass es etwas unfair wäre, alles nur auf die Startnummern zu schieben. Jedenfalls stand seine Zeit von 1:58,41 Minuten unangefochten da, und als nacheinander so starke Fahrer wie der Italiener Peter Fill, der österreichische Routinier Michael Walchhofer oder der Norweger Aksel Lund Svindal mit immensem Abstand auf Guay ins Ziel kamen und sich schon ein gewisser Fatalismus einzustellen drohte - da kam der Schweizer Didier Cuche (Nummer 19), einer der großen Favoriten auf den Titel, und sorgte noch einmal für Spannung.

Extra-Lob für Cuche

36 Jahre alt ist Cuche schon, und in seiner Karriere hat er schon etliche vorzügliche Rennen bestritten - doch was er bei dieser WM-Abfahrt zeigte, das war noch einmal besonders imponierend. Zwar schaffte er es nach einem starken oberen Streckenabschnitt nicht ganz, an Guay vorbeizukommen (Rückstand: 0,32 Sekunden). Doch nicht nur der als Fünfzehnter enttäuschende Österreicher Hannes Reichelt war der Meinung, dass Cuche an diesem Tag eigentlich die beste Leistung gezeigt hatte. "Aber es war wie schon gestern befürchtet ein bisschen ein Startnummernrennen", sagte Reichelt.

Cuche selbst wiederum freute sich über die Silbermedaille und verwies wegen der verlorenen Zeit überhaupt nicht auf die aufgeweichten Bedingungen. Seine Erklärung war viel origineller: Kurz vor seinem Start, so Cuche, habe es ja eine sturzbedingte Unterbrechung gegeben und er deswegen nicht genau gewusst, wann er losfahren könne. "Dann hat es aber doch nur fünf Minuten gedauert. Wenn es länger gedauert hätte, wäre ich nochmal pinkeln gegangen, weil ich Druck hatte. Aber dann ging es los und musste ich mit Druck fahren", sagte er im österreichischen Sender ORF.

Und Bode Miller? Der hatte nach Cuches Lauf vielleicht noch einmal Hoffnung geschöpft, doch sein extremer Fahrstil und einige Fehler in Kombination mit den Pistenbedingungen führten dann nur zu Rang 14.

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