Alpine Ski-WM:Eine nur fast perfekte Goldmedaille

Alpine Ski-WM: Mikaela Shiffrin feiert ihren ersten WM-Titel in der Disziplin Riesenslalom.

Mikaela Shiffrin feiert ihren ersten WM-Titel in der Disziplin Riesenslalom.

(Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Bodyguards, Einfädler, eine geräuschvolle Trennung vom Trainer: Mikaela Shiffrins Titelkämpfe verlaufen wieder mal bewegt. Bei den Weltmeisterschaften in Méribel hat sie trotzdem den Erfolg auf ihrer Seite.

Von Johannes Knuth, Méribel

Vor ein paar Tagen hatte die Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin ein Déjà-vu. Sie hatte noch wenige Tore im Slalom der alpinen Kombination vor sich, das musste die Goldmedaille sein, ihre erste bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Méribel. Und dann: Rutschte die Amerikanerin aus dem Kurs, ein ungläubiges Lächeln umspielte ihr Gesicht. "Ich dachte, es will mich einer hochnehmen", sagte Shiffrin.

Ging das schon wieder los?

Da kann man vier Mal den Gesamtweltcup gewinnen, zwei Olympiasiege im Briefkopf stehen haben, sechs WM-Titel und 85 Weltcup-Siege dazu - wenn einem solche Winterspiele unterlaufen wie Shiffrin vor einem Jahr in Peking, klebt das an einem wie ein Schatten. Fünfmal startete sie damals in Einzelrennen, fünf Medaillen waren denkbar. Stattdessen gewann Shiffrin: nichts. "Ich glaube, ich habe zuletzt 100 Fragen dazu beantwortet, ob es jetzt wieder so wird wie in Peking", sagte sie zuletzt in Méribel: "Wenn du ständig danach gefragt wirst, ist es so schwer, positiv zu denken."

Seit Donnerstag dürften sich zumindest solche Verhöre erst mal erledigt haben. Die 27-Jährige gewann Gold im Riesenslalom, es war ihr erster WM-Titel in dieser Disziplin, ihr siebter insgesamt sowie ihre 13. WM-Medaille - mehr hat kein Athlet seit dem Zweiten Weltkrieg in alpinen Einzelrennen gesammelt. Aber ganz ohne Wallungen kommt Shiffrin auch bei diesen Titelkämpfen nicht aus. Als sie im Ziel zusammensank, konnte man meinen, dass da auch die Turbulenzen der vergangenen Tage auf sie herabprasselten.

Nachdem sie es in der Kombination aus dem Rennen geworfen hatte, revanchierte sich Shiffrin schnell, mit Silber im Super-G. Trotzdem dampfte sie vor Wut und Tränen, als sie die ersten Interviews gab. Das Rennen sei so eng gewesen, "ich dachte, ich werde Fünfte oder Sechste", sagte sie - so in etwa erging es ihr später auch im Riesenslalom. Stattdessen, sagte sie nach ihrer Silberfahrt im Super-G, müsse sie nun Fragen entgegennehmen, ob sie sich freue, klagte Shiffrin: "Ich frage mich, ob ich überhaupt noch Interviews geben soll. Ich bin Zweite und sehr glücklich."

"Ein Schock" heißt es im US-Team über den vorzeitigen Abgang von Shiffrins Trainer

Kurz darauf verzichtete sie auf Abfahrt und Parallelrennen, bereitete sich - anders als in Peking - mit voller Kraft auf den Riesenslalom und Slalom vor. Ein paar Umweltaktivisten meinten indes recherchiert zu haben, dass Shiffrin dabei die Strecke von ihrem Basecamp in Gap zur Trainingspiste in Orcieres mit dem Helikopter zurücklegte. Dabei hatte sie gerade erst einen Brief des österreichischen Abfahrers Julian Schütter unterzeichnet. Mehrere hundert Athleten unterstellten dem Weltverband Fis darin, er unternehme zu wenig gegen den Klimawandel (was die Fis zurückwies). Shiffrin hatte in Méribel auch offen dafür geworben, jeder müsse sich stärker gegen den Klimawandel stemmen: "Das, was wir so sehr lieben, ist in großer Gefahr", sagte sie.

Und jetzt ein Helikopterflug in die Nachbarschaft? Die Geschichte sei frei erfunden, konterte Shiffrins Umfeld. Tatsächlich habe der örtliche Skiverein den Shuttleflug offeriert, Shiffrin habe aber abgelehnt und sei mit dem Auto gefahren. So ganz wohl war den Betreuern die Sache aber nicht: Sie organisierten Shiffrin ein paar Personenschützer.

Alpine Ski-WM: Nicht aufzuhalten: Mikaela Shiffrin findet auch im zweiten Riesenslalomlauf die schnellste Linie.

Nicht aufzuhalten: Mikaela Shiffrin findet auch im zweiten Riesenslalomlauf die schnellste Linie.

(Foto: Mario Buehner/Gepa Pictures/Imago)

Kurz vor dem Riesenslalom setzte dann Shiffrin selbst eine außergewöhnliche Nachricht ab: Sie habe beschlossen, die nächste Phase ihrer Karriere unter neuer Führung zu bestreiten, teilte sie mit - und nicht mehr unter Mike Day, der sie sieben Jahre lang als Trainer in jenem Team betreut hatte, das Shiffrin exklusiv zuarbeitet. Patrick Riml, der Alpinchef des US-Verbandes, erzählte der Nachrichtenagentur AP, dass Shiffrin ihren Trainer vor dem Riesenslalom darüber ins Bild gesetzt hatte, sich nach dieser Saison von ihm zu trennen - Day sei dann sofort wütend abgereist. "Ein Schock", befand Riml. Wobei es mindestens ungeschickt wirkte, dass Shiffrins Team den Cheftrainer während der Titelkämpfe informiert hatte und nicht kurz danach, wie es in der Branche üblich ist.

Mike Day ist nicht der erste Trainer, der geräuschvoll aus dem Team Shiffrin scheidet

Sowohl das Schweizer Fernsehen als auch die ARD bestätigten dann am Donnerstag, nach dem ersten Riesenslalomlauf, man habe aus Shiffrins Umfeld die Order erhalten, keine Fragen zu Mike Day zu stellen - ansonsten werde sie die TV-Interviews abbrechen. Fragwürdig, fanden nicht nur die TV-Moderatoren. In der Pressekonferenz stockte Shiffrin dann mehrfach die Stimme, als sie auf ihren Ex-Trainer angesprochen wurde. "Ich möchte mich einfach bei Mike bedanken. Er war so ein wichtiger Teil meiner Karriere und meines Lebens. Es ist traurig, wie es geendet ist, während der Weltmeisterschaften. Aber es ist nun mal so passiert. Ich wollte ihm auch genug Zeit geben, dass er sich um seine Zukunft kümmern kann", sagte sie. Wobei dafür nach der WM noch immer reichlich Zeit gewesen wäre. Offenbar, das war in Méribel immer wieder zu hören, waren zuvor schon einige Dissonanzen erklungen.

Day ist freilich nicht der erste Trainer, der geräuschvoll aus dem Team scheidet. Die Trennung vom Österreicher Roland Pfeifer nach den Winterspielen 2014 sei "ziemlich eklig" gewesen, hat Shiffrin einmal erzählt. Auch dessen Nachfolger Brandon Dyksterhouse rieb sich offenbar daran, dass Eileen Shiffrin, Mikaelas Mutter, das Umfeld der Tochter beizeiten recht rigoros dirigiere. Einmal, so erinnerte sich Dyksterhouse, habe die Mutter die Tochter um fünf Uhr morgens aufwecken wollen, um ihr einen technischen Fehler im Videostudium zu zeigen. Andererseits erzählen diese Details wohl schon einiges über die Titelkollektion, die Shiffrin gerade auch in Méribel erweitert.

"Trainer sind schon wichtig", sagte die Italienerin Marta Bassino, am Donnerstag Fünfte hinter Shiffrin, Federica Brignone und Ragnhild Mowinckel. "Aber Shiffrin, sagte Bassino, "ist immer noch Shiffrin."

Zur SZ-Startseite
Mikaela Shiffrin

SZ PlusMikaela Shiffrin
:Schwünge für die Sportgeschichte

Die Bestmarke von Lindsey Vonn egalisiert, der nächste Rekord im Blick: Mikaela Shiffrin setzt im Alter von 27 Jahren zur Krönung ihrer Laufbahn an. Über eine Karriere, die sich seit jeher dem Gewöhnlichen entzieht.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: