Ski Weltcup in Sölden:An der Grenze zur Anarchie

"Alt bin ich selbst": Skirennfahrer Bode Miller, 31, umgibt sich für diese Saison mit jugendlichem Personal und will versuchen, endlich auch im Slalom der Beste zu sein.

Wolfgang Gärner

Der große Wechsel wäre wieder mal fällig gewesen - schließlich hat Bode Miller es alle zwei Jahre so gehalten: Neue Skimarke, neuer Sponsor. Von K2 zu Rossignol zu Fischer zu Atomic zu Head, vom Chipsröster zum Nudeldreher zum Finanzinvestor. Diesmal: Keine Novitäten zum Beginn des Weltcup-Winters, in dem der Amerikaner Titelverteidiger ist. Der Mann ist schon 31 - da beginnt man, alte Gewohnheiten lieb zu gewinnen und sich im Bewährten einzurichten; in den USA nennen sie ihn ja schon einen Veteran Skier.

Ski Weltcup in Sölden: Der Amerikaner Bode Miller gilt als einer der wildesten Fahrer im Ski-Weltcup. Dieses Jahr soll es auch im Slalom Erfolge hageln.

Der Amerikaner Bode Miller gilt als einer der wildesten Fahrer im Ski-Weltcup. Dieses Jahr soll es auch im Slalom Erfolge hageln.

(Foto: Foto: AP)

Auch, dass er seine eigenen Wege geht, ist ja nichts Neues, schon hingegen, dass das Privatteam nun mit drei statt wie bisher zwei Trucks durch den Winter tourt: Einer für ihn, seine Freundin und den Kumpel/Koch/Chauffeur Jake Serino, einer für die Coaches, einer für die Servicemänner. Dass Miller in den Wochen vor Saisonbeginn nicht mehr öffentlich sprach, verstärkte den Eindruck, da sei womöglich ein gründlicher Reifeprozess abgelaufen. Das könnte sich als trügerisch erweisen, denn einiges deutet darauf hin, dass in der Miller-Combo sich Unabhängigkeit und Ungebundenheit in einem Maß entwickelten, das an Anarchie grenzt.

Neues Umfeld

"Wir entwickeln uns gemeinsam", sagt Forest Carey, der neue Trainer. Im vergangenen Jahr, dem ersten des Privatteams Miller, war John McBride Chef und Millers Onkel Mike Kenney zweiter Mann. McBride stieg aus, als sie den Weltcup in der Tasche hatten, der Onkel ist auch nicht mehr an Bord. Die beiden waren 42 und 50 Jahre alt, Forest Carey ist ein Jahr älter als Miller. "Ich kenne Bode sehr lange", sagt er, "und ich bin definitiv keine Autoritätsperson für ihn. Es schaut so aus, als ob wir auf die nächste Ebene der Unabhängigkeit gehen".

Als Dritter auf diesem Weg dabei ist Craig Daniels aus Vail. Das sei keine Laienspielerschar, erklärte der Fahrer, als er endlich wieder öffentlich sprach, "sie sind beides keine Anfänger". Dass er sich mit derart jugendlichem Personal umgebe, habe einen Grund: "Wenn du vier Disziplinen bestreitest, brauchst du Leute um dich rum, die nicht so schnell die Energie verlieren. Alt bin ich selbst."

Bereit für den ersten Slalomtitel

Vergangenes Jahr war Miller in Sölden Fünfter, das sollte sein bestes Resultat im Riesenslalom für den ganzen Winter bleiben, und es dauerte danach sechs Wochen und zehn weitere Rennen, ehe der Amerikaner erstmals aufs Podest kam. Am Ende des Winters hatte er es elfmal unter die besten Drei geschafft, bei fünf Anlässen war er Bester, und den Weltcup gewann er zum zweiten Mal nach 2005 auch deshalb, weil er die Aufwertung der Kombination am besten interpretierte und 360 Punkte im Zweikampf holte.

Im Spezialslalom dagegen kam die einstige Koryphäe dieses Metiers genau dreimal ins Ziel, bestenfalls als Fünfter (in Wengen). Das soll sich im Herbst seiner Karriere noch mal ändern, verkündet der Meister und baut seine Hoffnung darauf, dass sein Skilieferant Head die ausgewiesenen Torlauf-Größen Rainer Schönfelder (Österreich) und Markus Larsson (Schweden) verpflichtete, was sich bei der Materialentwicklung für diese Sparte als hilfreich erweisen möge. Kann es für den reifen Bode Miller ein Saisonziel sein, im Weltcup endlich wieder mal einen Slalom zu gewinnen, den nächsten (es wäre sein sechster) nach vier Jahren? Er antwortet mit der Gegenfrage: "Ein Rennen? Ich will endlich meinen ersten Slalomtitel - für den bin ich jetzt bereit."

Die Titel werden in diesem Winter bei der WM in Val d'Isère vergeben, und Miller habe sich konzentriert und ernsthaft auf diesen Winter vorbereitet, berichtet John McBride, bei dem der Solist sich für ein paar Wochen zum sommerlichen Workout einquartiert hatte: "Er ist stärker und er ist explosiver." Er wolle so rauskommen "wie ein Running Back im Football, der durch die gegnerische Defense bricht", ergänzt Carey. Running Backs sind auch keine leichten Jungs, insofern brauche man sich nicht zu sorgen wegen der paar Extrapfunde, die sein Mann im Sommer wie üblich mit sich herumtrug: "Es wechselt, und wenn es letztes Jahr 90 Kilo waren, so sind es heuer höchstens 91", was einen prima Gesamtzustand ergebe: "Bode ist fit und gesund und happy."

Frei und ungezwungen

Dasselbe trifft auf Aksel Lund Svindal zu, Millers Vorgänger als Weltcupgewinner und Sieger in Sölden vom vorigen Jahr. Ein paar Wochen später wurde der Norweger im Abfahrtstraining von Beaver Creek schwer verletzt, erst jetzt kehrt er wieder zurück: 334 Tage sind seit seinem Sturz vergangen, wenn er am Samstag in Sölden erstmals wieder im Starthaus steht. Miller gegen Svindal ist die angesagte Konfrontation im Weltcup. Sölden soll die Tendenz angeben, kündigt der Amerikaner an. Wohin die Reise geht, werde sich später zeigen. Eine Station dieses Winters ist der Einladungsslalom am 2.Januar in Moskau, und Bode Miller wurde gefragt, was er sich davon erwarte. "Woher wollt ihr meine Pläne für Neujahr kennen? Ich kenne sie ja selbst nicht", antwortete er, frei und ungezwungen. Die Wände der Trucks und Wohnmobile seines Teams sind ebenfalls noch frei und können gerne als Werbeflächen gebucht werden, teilt das Miller-Management mit.

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