Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen:"Es gibt immer ein Risiko"

Stefanie Wild über den Schwierigkeitsgrad der Kandahar - und ihre Rolle als einzige Rennleiterin im alpinen Ski-Weltcup.

Interview von Gerald Kleffmann

Das erste von zwei Wochenenden im alpinen Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen ist vorbei, die Frauen absolvierten am Samstag den Super-G und am Sonntag die Abfahrt. Stefanie Wild war dabei zum achten Mal als Rennleiterin im Einsatz. Die 39-Jährige, die als Juniorin WM-Gold im Slalom gewann und in Garmisch-Partenkirchen mit ihrem Mann eine Kaffee-Rösterei betreibt, erlebte eine intensive Zeit: Erst fiel mehr Schnee als gedacht, dann folgten Debatten um zwei geplante Sprünge, die doch nicht kamen. In den Rennen schließlich stürzten diverse Fahrerinnen.

SZ: Frau Wild, nach all den Turbulenzen die wichtigste Frage: Wie geht es der Rennleiterin nach solchen Tagen?

Stefanie Wild: Jetzt geht es wieder. Aber ich muss zugeben, es war anstrengend für mich und das Team. Erst musste der Neuschnee aus der Piste gerutscht werden, dann tauchte das Thema Sprünge auf, am Sonntag bei der Abfahrt musste das Rennen auch noch unterbrochen werden, um den Sprung an der Seilbahn abzuflachen. Dass der Super-G mit der Abfahrt getauscht wurde, war ebenfalls aufwendig. Körperlich waren das lange Tage, auch psychisch ging das an die Grenze.

Zwei neue Sprünge hatten Sie konzipiert und gebaut. Doch dann wurden sie im letzten Moment verschärft, das hohe Sturzrisiko monierten fast alle Fahrerinnen - und das Thema war erledigt. Können Sie das Hin und Her aufklären?

Die Fis, der internationale Skiverband, kam auf uns zu mit der Idee, Sprünge hinzuzufügen. Die Fahrerinnen sagen ja immer, Sprünge würden den Damen-Weltcup attraktiver machen. Es gab zwei Stellen, die in Frage kamen, der Tröglhang und bei der Seilbahn. Dort konnte man gut bauen, weil man im steilen Gelände landet. Wir sagten dann: Cool, das machen wir!

Und doch klappte es nicht wie gedacht?

Wir hatten den oberen Sprung am Tröglhang gebaut, dann etwas abgetragen. Doch dann merkten wir: Das ist kein richtiger Sprung mehr. Schließlich hatte die Fis die Idee, die Stelle doch wieder stärker aufzubauen. Im ersten Training wurde diese Variante ausprobiert, und man merkte rasch: Das funktioniert nicht.

Es kam gleich zu Stürzen, weil die Stelle eine Art Katapulteffekt bot, wie die Fahrerinnen klagten.

Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen: Schnellste auf der Kandahar: Die Österreicherin Stephanie Venier meisterte am Sonntag die anspruchsvolle Kandahar-Abfahrt am Besten.

Schnellste auf der Kandahar: Die Österreicherin Stephanie Venier meisterte am Sonntag die anspruchsvolle Kandahar-Abfahrt am Besten.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/AFP)

Ja, und beim Sprung an der Seilbahn war es so, dass ihn nicht alle gleich bewältigten. Das ist aufgrund des unterschiedlichen Fahrniveaus auch oft schwer zu prognostizieren, wer ihn wie gut beherrscht. Die vorderen sind sehr stark, die hinteren tun sich schwer, weil sie oft zu wenig Abfahrtserfahrung haben.

Die Italienerin Federica Sosio erlitt einen Schien- und Wadenbeinbruch.

Es starten eben einige, die eher sonst im Europacup Rennen fahren, und dort gibt es überhaupt keine Sprünge. Für die ist es natürlich schwierig, wenn sie auf einmal an so einen Sprung hinkommen.

Insgesamt gab es im Super-G wie in der Abfahrt viele Stürze und Fahrfehler. Waren die Strecken zu schwierig?

Natürlich war die Strecke schwierig, aber das ist eben die Kandahar, die Kandahar ist immer schwierig. Das zeichnet sie aus. Ich denke nur, Stürze passieren auch bei anderen Rennen. Manche haben auch einen schwächeren Tag oder fahren falsch an die Stelle hin. Das habe ich von einigen gehört. So viel spielt als möglicher Faktor mit rein, auch das Material. Abfahrtssport ist einfach ab und an gefährlich, das muss man sagen. Es gibt immer ein Risiko.

Am Dienstag jährte sich zum 25. Mal der Todestag von Ulrike Maier. Die Österreicherin war 1994 auf der Kandahar-Abfahrt verunglückt. Denken Sie so etwas wie: Bitte lass alle heil runterkommen?

Natürlich hat man das immer im Hinterkopf. Ich war damals sogar Vorläuferin. Diesen Tag werde ich mein Leben nicht vergessen. Man hofft immer, dass nichts passiert. Aber man muss auch sagen: Bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen hat sich viel getan, das ist kein Vergleich zu früher. Es wird jedes Jahr besser, aber natürlich kann man sich immer verbessern. Die ganze Welt entwickelt sich weiter.

Wie lauten dann Ihre Erkenntnisse für die nächste Abfahrt 2020?

Den oberen Sprung brauchen wir nicht mehr zu bauen, es hat sich doch gezeigt, dass er an der Stelle schwierig ist. Den Seilbahnsprung nächstes Jahr wieder zu bauen, wäre schön. Vielleicht müssen wir ihn nur von Anfang an anders konzipieren. Ich denke, alle haben dazugelernt.

Ungewöhnlich war, dass am Sonntag die Abfahrt unterbrochen und die Sprungstelle an der Seilbahn abgeflacht wurde. Ist das nicht ein Nachteil für jene gewesen, die zuvor über die Stelle mussten?

Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen: Erfolgreich in der Jugend: Stefanie Wild gewann als Juniorin vier WM-Medaillen. Inzwischen ist die 39-Jährige Kaffee-Unternehmerin – und seit 2012 Rennleiterin des alpinen Frauen-Weltcups in Garmisch-Partenkirchen.

Erfolgreich in der Jugend: Stefanie Wild gewann als Juniorin vier WM-Medaillen. Inzwischen ist die 39-Jährige Kaffee-Unternehmerin – und seit 2012 Rennleiterin des alpinen Frauen-Weltcups in Garmisch-Partenkirchen.

(Foto: Peter Kornatz)

Es war eben so, dass das Rennen aufgrund der Bedingungen viel, viel schneller war als das Training. Um fast zwei Sekunden. Dementsprechend ging der Sprung aufgrund der höheren Geschwindigkeit weiter. Wir mussten nachjustieren. Wir wollen ja nicht, dass sich jemand verletzt. Und zum diskutierten Nachteil: Ein Freiluftsport ist nie zu hundert Prozent fair. Man muss dann reagieren und das ändern, was man ändern kann. Das ist wie mit der Sicht, manchmal sieht einer besser als der andere. Es ist schwierig, dafür zu sorgen, dass jeder exakt die selben Verhältnisse hat. Wir versuchen aber natürlich, so gut es geht dafür zu sorgen.

Sie sind die einzige Frau im Ski-Weltcup, die als Rennleiter fungiert. Wie sind Ihre Erfahrungen in der Männerwelt?

Als Frau muss man immer mehr um Anerkennung kämpfen als ein Mann. Mir hilft, dass ich selbst mal gefahren bin ...

... sogar sehr gut. Sie holten vier Medaillen bei Junioren-Weltmeisterschaften.

... und seit dieser Zeit kenne ich viele im Skisport. Für mich sehe ich in meiner Rolle keine Probleme. Aber es ist ab und zu schon so, dass man sich etwas mehr durchsetzen oder auch mal einen härteren Ton anschlagen muss. Mir macht es aber großen Spaß mit dem Team, und ich mache gerne weiter, wenn niemand etwas dagegen hat.

Nun steht das Renn-Wochenende der Männer an mit der Abfahrt am Samstag und dem Riesenslalom am Sonntag. Wie sieht da das Zusammenspiel aus?

Bei beiden Wochenenden sind zwar zwei Rennleitungen im Einsatz, aber natürlich arbeiten wir eng zusammen. Wenn der eine Leiter ausfallen würde, könnte er beim anderen einspringen. Wir waren als Frauen-Weltcup diesmal als Erste mit dem Aufbau dran, dieser beinhaltete logischerweise schon Teile der Männerstrecke. Da war auch schon der Sicherheitschef der Herren beim Aufbau dabei. Am Sonntag gab es eine Übergabe, bei der das Wichtige besprochen wurde.

Wie bilanzieren Sie letztlich Ihr Wochenende: War es ein Erfolg?

Wir sind sehr zufrieden, auch, weil alle gesagt haben, wir haben unser Bestes gegeben. Es gab Lob für die Strecke und den Zustand, ein paar Kritiken, aber die gingen eher in Richtung der Fis. Das ganze Team hat Hand in Hand gearbeitet, das war genial. Man darf nicht vergessen, pro Renntag waren 350 freiwillige Helfer im Einsatz. Wir haben um sechs Uhr morgens angefangen und waren abends um halb sieben fertig.

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