Ski alpin:Ein bisschen Ballermann am Gudiberg

Ski alpin: Gekühltes Doppel: Drei Tage nach dem Neujahrsspringen steht am Gudiberg (rechts) der nächste Höhepunkt in Garmisch-Partenkirchen an.

Gekühltes Doppel: Drei Tage nach dem Neujahrsspringen steht am Gudiberg (rechts) der nächste Höhepunkt in Garmisch-Partenkirchen an.

(Foto: Thomas Bachun/Gepa/Imago)

Garmisch-Partenkirchen will sich mit einem Nachtslalom als Event-Gastgeber neu positionieren - und lernt eine Herausforderung kennen: Nach der Pandemie wieder zu wachsen, trotz Energiekrise und Sponsorenmangel.

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen

Der Hauptdarsteller zeigt noch seine kalte Schulter. Beziehungsweise seine Piste, die an diesem Mittag den Gudiberg hinunterrollt wie ein weißes Band im Schatten der Berge. Nur der Lift neben dem Starthaus blitzt im Sonnenlicht, aber das alles ist ausdrücklich erwünscht: Wenn an diesem Mittwoch die Gäste kommen, die Zuschauer und die besten Slalomfahrer der Welt, darf und soll der Hang möglichst kühl bleiben, knackig-eisig gar, selbst wenn rundherum bis zuletzt der Frühling blühte und der Piste ganz schön zusetzte.

Martina Betz, die Präsidentin des Skiclub Garmisch, stand in den vergangenen Tagen oft am Fuße des Gudibergs, links die Skisprungschanze, auf der gerade die Neujahrsskispringer hinuntergerauscht sind, rechts der Slalomhang. Das habe etwas Erhabenes, sagt sie, als sie sich ein paar Tage vor dem Slalom Zeit nimmt für ein Gespräch. Nicht nur der Wintersport ist ja wieder zurück, sondern erstmals auch sein Publikum, ohne fesselnde Corona-Restriktionen - und Betz und ihr Team vom Veranstalter des SC Garmisch haben jetzt einiges vor. Was durchaus beachtlich ist, wenn man bedenkt, wie es vor ein paar Jahren noch lief, mit den alpinen Weltcups in Garmisch-Partenkirchen und überhaupt.

Der Gudiberg erschien im vergangenen Februar wieder im Weltcup-Kalender, elf Jahre nach seinem letzten Auftritt bei der Ski-WM. Die Veranstalter wollten, unter anderem, ihre Bewerbung für die WM 2027 vorantreiben - das mit der Bewerbung ging kläglich schief, der Slalom aber überzeugte Athleten und den Weltverband Fis. Die Fis trug ihnen diesmal allerdings das Zeitfenster für ein Nacht-Event Anfang Januar an, das bislang in Zagreb stattgefunden hatte (die Kroaten richten ab Mittwoch zwei Slaloms der Frauen aus). Der Termin war nicht gerade Betz' Wunschtraum, drei Tage nach dem Neujahrsspringen nebenan: "Für eine Umbauphase, für die man normalerweise rund zehn Tage braucht, haben wir jetzt zwei Tage Zeit", sagt sie. Aber der Fis unter ihrem umstrittenen Präsidenten Johan Eliasch bietet man lieber nicht zu viel Angriffsfläche, zumal Fis und der Deutsche Skiverband, der am Gudiberg mit im Boot sitzt, noch immer vor dem Sportgerichtshof Cas streiten. Wobei Betz den neuen Termin pragmatischer kommentiert: "Es ist natürlich für uns auch eine große Chance."

Die alpinen Weltcups im Januar folgten zuletzt meist demselben Skript: Die Events in Kitzbühel und Schladming glichen einem Ballermann im Schnee, in Garmisch-Partenkirchen ruhten sie derweil in sich; manchen war das auch ein bisschen zu ausgeruht. Betz rückte im vergangenen Sommer an die Spitze des SC Garmisch (und damit an die Front der Weltcup-Organisation), ihr ist das sehr wichtig: dass sie schwer vom Wissen ihrer Vorgänger Florian und Peter Fischer profitiere, der starken Organisation am Berg. Im Tal aber, räumt sie ein, könne man noch wachsen: "Wir wollen nicht Kitzbühel oder Schladming kopieren, aber es soll schon etwas offensiver sein. Wir wollen, speziell nach den Corona-Jahren, auch ein bisschen Freude und Party transportieren."

14 Metallrampen bestückt mit 100 Hochleistungsscheinwerfern während einer Energiekrise?

Betz hat deshalb einen Eventplaner angestellt, sie haben Website und Logos überarbeitet, die sozialen Medien befüllt, eine Lichtanlage bestellt, deren Lichter im Takt der Musik tanzen. Sie vernehmen natürlich das Stirnrunzeln: 14 Metallrampen bestückt mit weit über 100 Hochleistungsscheinwerfern, die TV-Ausrüstung - das alles für einen Abend Sport und Party, während Energie teuer ist? Manches wirkt tatsächlich sehr aufwändig, aber Betz kann schon gute Argumente anführen. Das Flutlicht sei so energiesparend wie möglich ausgerüstet, auf der Strecke fahre danach der Nachwuchs, wie in jedem Winter. Letztlich fließe das Geld aus jedem Ticket in die Jugendarbeit; der Nachtslalom ist da auch deshalb essenziell, weil die Fis die Frauen-Abfahrten von der Kandahar abgezogen hat - nur die Männer machen Ende Januar dort Halt. Jeder Weltcup, sagt Betz, wirke so jedenfalls bis an die Basis, früher oder später. Und nach "diesen Corona-Jahren", findet sie, "ist es wichtiger denn je, dass wir die Kinder und Jugendlichen von der Couch und vom Handy wegbringen."

So erzählt die Geschichte vom Gudiberg von einer Herausforderung, die viele Ausrichter gerade kennen: eine vom Neuanfang, von Wachstum gar, während man zugleich an post-pandemische Grenzen stößt. "Die Sponsoren stehen nicht mehr so sehr Schlange wie früher", sagt Betz, "auch bei den Verbänden sitzt das Geld nicht mehr so locker." So könne man die Weltcups jedenfalls "schwer" weiterführen, "weil einfach zu viel am Veranstalter hängenbleibt". 200 freiwillige Helfer schwirrten zuletzt jeden Morgen aus, "dieses Ehrenamt trägt die ganze Veranstaltung", sagt Betz. "Da hoffe ich schon, dass die Wertschätzung monetärer und auch menschlicher Art höher wird für diese Art von Events, die wir hier ausrichten." Mit anderen Worten: "Da müssten sich die Budgets seitens der Verbände für die Veranstalter gegebenenfalls ändern."

Leicht dahingetupfte Forderungen, andererseits: Sie wissen ja beim SC Garmisch, was sie zuletzt geleistet haben. Die Fis hatte den Weltcup-Kalender etwa erst sehr kurzfristig festgezurrt, "die Flexibilität, die von uns verlangt wird, ist immens", sagt Betz. Frei übersetzt: So lässt es sich nur schwer wachsen, mit neuen Konzepten und neuem Personal. Man sei aber auf einem guten Weg mit den Verbänden; man sei auch weiter "offen für alles, auch für zusätzliche Slaloms oder Parallelslaloms". Und jetzt erstmal: für ein bisschen mehr Freude.

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