Ski-Rennläufer Marcel Hirscher:"Abartig, schräg, wahnsinn"

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Auf Stenmarks Spuren: Marcel Hirscher

(Foto: AFP)

Für seine Kollegen klingt es wie Hohn: Marcel Hirschers Riesenvorsprung von 3,28 Sekunden beim Riesenslalom in Garmisch erinnert an die Fabeltaten des legendären Ingemar Stenmark. Dabei kann Hirscher, wie er sagt, noch besser fahren.

Von Matthias Schmid

Marcel Hirscher wurde schon am Tag vor seinem 26. Geburtstag ordentlich beschenkt. Der österreichische Skirennläufer bekam vom Veranstalter am Sonntag in Garmisch eine Hundedecke für seinen Cocker Spaniel überreicht, über die sich seine Freundin am meisten freuen dürfte. Das schönste Präsent machte sich Hirscher jedenfalls selbst.

Er gewann auf der berühmten Kandahar den Riesentorlauf - mit einem Vorsprung von sagenhaften 3,28 Sekunden auf den Zweitplatzierten Felix Neureuther. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll" bekannte Hirscher hinterher: "Ich habe keine Erklärung dafür, ich bin ja ganz normal runtergefahren. Die Zeit ist abartig, ich verstehe es nicht. Es ist voll schräg, mir fehlen die Worte, ein Wahnsinn."

Man übertreibt nicht, wenn man seinen 30. Weltcupsieg als historisch einordnet. Statistiker müssen weit zurückgehen, ehe sie einen ähnlichen Vorsprung eines Ski-Rennläufers hervorkramen können. Vor 36 Jahren gewann der legendäre Ingemar Stenmark den Riesenslalom von Jasna (Slowakei), er war damals 4,06 Sekunden schneller als der Jugoslawe Bojan Krizaj. Im gleichen Jahr siegte er im französischen Courchevel mit einem Vorsprung von 3,73 Sekunden vor dem Schweizer Peter Luescher.

Hirscher kommt dem Schweden, der mit 86 Weltcupsiegen der erfolgreichste Skisportler ist, nun am nächsten. "Puh, da kann man sich nur verneigen, er war heute eine ganz andere Liga", sagte Neureuther nach seinem besten Riesentorlauf-Resultat im WM-Winter.

Es war wirklich erstaunlich, wie sich der Salzburger den Berg hinabstürzte. Die Piste von Garmisch ist eine der längsten und schwierigsten im Weltcup, alle mussten sich bei wechselnden Schneebeschaffenheiten um die Tore kämpfen, nur Hirscher schien wie auf Schienen zu gleiten, leicht und mühelos. Schon im ersten Lauf hatte er dem Zweitschnellsten Benjamin Raich 1,99 Sekunden abgenommen, im zweiten Durchgang war auch niemand schneller. "Ich riskiere alles und gewinne alles. Ich weiß nicht, warum ich heute so schnell war", sagte Hirscher. Allein am Material konnte es nicht liegen, auch wenn er es " abartig gut" fand, wie er bekannte.

Hirscher ist neben Neureuther und Weltmeister Ted Ligety stilistisch der beste Skifahrer. "Er hat ein enormes Skigefühl", wie der deutsche Chef-Bundestrainer Mathias Berthold hervorhebt. Doch anders als sein deutscher Rivale fährt der athletische Hirscher aggressiver, kraftvoller. "Ich glaube, ich kann bei jedem Tor ein, zwei Hundertstel mitnehmen", sagt Hirscher.

Seine deutsche Konkurrenten resignieren schon

Dabei hatte er den ersten Lauf nicht einmal perfekt erwischt. "Ich bin schon Rennen gefahren, wo ich mich besser gefühlt habe und hinten war", sagte Hirscher. Für seine Konkurrenten musste das wie Hohn klingen, sie lagen so weit zurück, dass diese Rückstände in der Vergangenheit oft nicht einmal für den zweiten Durchgang gereicht hätten. "Es ist natürlich schon für alle bedenklich. Aber ich würde es nicht überbewerten, in dem man sagt, der Hirscher völlig unerreichbar", sagte der Alpindirektor des Deutschen Ski-Verbandes, Wolfgang Maier.

Auch der WM-Zweite Fritz Dopfer, der mehr als vier Sekunden langsamer war, konnte sich mit den Zahlen schwer anfreunden. "Man sollte sich immer an den Besten orientieren. Da sind wir weit weg", sagte er ernüchtert. Zumindest in dieser Saison wird sich Hirscher den Sieg im Disziplinenweltcup nicht mehr nehmen lassen. Zwei Rennen vor Saisonende führt er mit 188 Punkten vor dem Weltmeister Ted Ligety die Wertung an. Obwohl Hirscher seit dem Winter 2011/12, als er den Gesamtweltcup erstmals gewann, nur fünf Weltcup-Riesenslaloms nicht auf dem Podest beendet hat, steht in seiner Trophäensammlung erst eine Riesenslalom-Kristallkugel - wegen des amerikanischen Dauerrivalen Ligety, der auch schon mit großen Vorsprung Rennen gewinnen, aber nie die Dimensionen von Hirscher und Stenmark erreichen konnte.

Seinen Geburtstag will er nicht feiern

Hirscher denkt gerne in größeren historischen Zusammenhängen, Siege allein reichen ihm schon lange nicht mehr. Er will ähnlich wie Stenmark Marken für die Ewigkeit schaffen, auch wenn er das so nie formulieren würde. Im Gesamtweltcup ist er auf einem guten Weg, acht Rennen stehen in diesem Winter noch aus. Er führt vor dem Norweger Kjetil Jansrud mit 188 Punkten und kann zum vierten Mal nacheinander die Große Kristallkugel für den besten Skifahrer des Winters erringen. Das hat nicht einmal Stenmark geschafft. "Es wäre cool, aber wohl kein ausschlaggebendes Ereignis", sagt Hirscher dazu: "Wenn man das erste Kind gemeinsam auf die Welt bringt - ich glaube, das sind Dinge, die dein Leben verändern."

Er verspürt trotzdem keine Lust, seinen Geburtstag am Montag zu feiern, er hat sich sogar als großer Geburtstagmuffel geoutet. Der Salzburger sagte: "Seit 20 Jahren verbringe ich den Geburtstag auf Skipisten, da kann man es nicht groß krachen lassen."

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