Ski-nordisch-WM:Läuft doch

FIS Nordic World Ski Championships Oberstdorf - Women's Cross Country 4x5 km Relay

Übergabe auf Rang drei: Pia Fink (l.) und Victoria Carl.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Die deutschen Langläuferinnen suchen seit Jahren Anschluss an die Weltspitze. Der mutige Auftritt im Staffelrennen von Oberstdorf dürfte ihnen Selbstvertrauen für die nächsten Schritte geben.

Von Volker Kreisl, Oberstdorf

Manchmal sind die Dinge leicht zu erklären. Um klarzumachen, wie viel Aufwand und Zeit in dieser Angelegenheit nötig sei, könnte man wissenschaftliche Studien anführen, biomechanische Prozesse oder das schrittweise Erlernen moderner Lauftechnik. Auch die Mentalarbeit, den Druck der mächtigen Konkurrenz aus dem Ausland, am Ende noch die Rückschläge durch die Pandemie. Doch es lässt sich in diesem Sport auch kürzer sagen, findet Peter Schlickenrieder: "Es steckt ja schon im Titel - Langlauf. Es dauert halt lange."

Schlickenrieder ist seit Frühjahr 2018 Cheftrainer der Deutschen, und auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte sich seit seinem Amtsantritt nicht viel getan. Wer die Wahrheit in der Ergebnisliste sucht, wird bislang enttäuscht. Bis auf die Klassisch-Spezialistin Katharina Hennig hat sich kaum jemand schon weit entwickelt. Und auch zu Beginn dieser Weltmeisterschaften sah es so aus, als würden die glorreichen Zeiten mit Axel Teichmann, Tobias Anger, Claudia Nystad und Evi Sachenbacher-Stehle nicht wiederkommen. So, als fehlten dem Deutschen Skiverband (DSV) Talente und auch das Know-how, sie auszubilden.

Diesmal waren die Skier besser gewachst als die der Gegnerinnen

Bis Donnerstagnachmittag, bis zur Staffel erschien das so, seitdem aber ist im Team Optimismus angesagt. Ein Erfolg im Quartett war ja am ehesten realistisch, dieser kann auch am besten ein ganzes Team für weitere Entwicklungen motivieren. Und obwohl es am Ende nur Rang fünf wurde, so lagen die deutschen Langläuferinnen - anders als am nächsten Tag die auf Platz sieben deutlich geschlagenen Männer - fast bis zum Schluss auf Medaillenkurs. Es wurde ein Rennen, das in seinen Details einem Erweckungserlebnis nahekam.

Es begann schon damit, dass Laura Gimmler, 27, beherzt anlief, was auch damit zu tun hatte, dass sie diesmal Skier untergeschnallt hatte, die besser griffen und rutschten als die der Konkurrenz. So konnten es sich die Deutschen leisten, schon vor dem Zenit des Burgstall-Anstiegs, der einem, so Hennig, fast "die Lunge aus dem Leib springen lässt", Kräfte zu sparen. Minimal zwar nur, aber mitentscheidend. Sie wussten ja, dass sie die paar Meter in der Abfahrt danach wieder heranfahren würden.

Hennig steuerte als Zweite das von ihr Erwartete bei, sie machte Tempo an der Spitze einer Verfolgergruppe und deutete an, dass sie am Samstag im 30-Kilometer-Lauf ein weiteres Lebenszeichen ihrer Abteilung an die Skeptiker senden könnte. Sie könne da noch mal "voll angreifen", sagte Schlickenrieder, ein Schaulaufen werde das vielleicht, "für die Wachsler und fürs ganze Team". Für so eine Demonstration braucht man indes auch etwas Glück, und das kam für Hennig in der Staffel in Form des Pechs der Schwedinnen, besser gesagt, der offenbar verwachsten Skier von Charlotte Kalla. Sie verlor rund anderthalb Minuten, womit sich früh ein sicherer Medaillenkandidat verabschieden musste.

Womöglich wäre der Effekt dieses Rennens gar nicht so stark gewesen, so aber war die nächste Deutsche, Pia Fink, mitten drin im Rennen ums Podest. Das Pech der anderen ist bald vergessen, was nicht unwichtig ist für einen Neuanfang, und hilfreich ist wohl auch die ein oder andere Spitze an externe Kritiker. Schlickenrieder hatte in dieser Woche auch mal bemerkt, dass in der Erfolgszeit der Deutschen in den Nullerjahren durchaus nicht alles richtig gemacht worden sei. Dass seine Arbeit in gewisser Weise von vorne beginnen musste, hänge auch damit zusammen, dass unter Trainer Jochen Behle damals wenig Wert auf die Wissenschaft gelegt wurde. "Das wirkt sich leider mit einem großen Verzug irgendwann aus", sagte er nun, weshalb in Zukunft wieder verstärkt auf systematisches Techniktraining gesetzt werden müsse.

Alles gelingt noch nicht - Langlauferfolg benötigt jahrelange Arbeit, sagt der Coach

Vielleicht ähnelt ein Staffelrennen auch dem großen Ganzen, dem jahrelangen Aufbau eines wie auch immer dimensionierten neuen Erfolges. Die deutschen Läuferinnen, so wirkte es, machten sich bei diesem Teamauftritt nun gegenseitig Mut, der Etappenerfolg der Ersten schien die Nachfolgende zu ermutigen und so weiter. Jedenfalls lief die 25 Jahre alte Pia Fink dann eines ihrer bislang stärksten Rennen. Am letzten Anstieg, in der Abfahrt und vor der Übergabe an Victoria Carl, hatte sie ihren Kampfgeist wiederentdeckt und wechselte an dritter Position.

Mittlerweile war also Bronze drin, denn Carl hatte ja schon bei der WM 2019 in Seefeld mit einem überraschenden fünften Platz im Sprint bewiesen, dass sie auf den letzten Metern Qualitäten hat. Immer wieder musste sie diesmal leicht abreißen lassen und kam doch wieder heran, bis sie vorm Gipfel des Burgstall-Anstieges die entscheidenden Kräfte verließen.

Es gelingt eben noch lange nicht alles, denn das eigentliche Rennen dieser Mannschaft kann noch etwas dauern, wie Schlickenrieder betont. "Langlauf ist ein Sport, der über Jahre entwickelt werden muss", sagt er, man habe nun zwar aufgeholt, aber es gehe eben auch immer wieder ein paar Schritte zurück. Zum Beispiel im Entwickeln einer echten Gemeinschaft, in der ja alles leichter läuft. Im vergangenen Frühjahr, als der Lockdown auch im Langlaufteam viele Kontakte verhinderte, da litt auch der Teamgeist. Nicht mal ein Bier habe man gemeinsam trinken können in jener Zeit, als man sich nur in Internet-Meetings traf. Online anzustoßen, sagt der Tegernseer Schlickenrieder, "is auch a Schmarrn."

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