Süddeutsche Zeitung

Ski-nordisch-WM:Im milden Licht der Harmonie

Lesezeit: 3 min

Nach Tiefschlägen haben sich die Skispringer Markus Eisenbichler und Karl Geiger zum Höhenflug aufgeschwungen. Mit dem Doppelerfolg verschaffen sie Bundestrainer Werner Schuster einen schönen Abschluss.

Von Volker Kreisl, Innsbruck

Ja klar, man freue sich riesig, antwortete Karl Geiger, und dabei musste man schon den Glanz in seinen Augen sehen, um seine Worte nachzuvollziehen, weil seine Stimme wie immer ruhig und ohne Ausschläge blieb: "Wir sind voller Emotion und Adrenalin."

Bei seinem Zimmergefährten klang dasselbe anders: "Wie soll man das verdauen?", legte Markus Eisenbichler los, "wenn man noch nie was gewonnen hat und dann auf einmal Weltmeister ist, das ist ein bissl speziell, ich freu mich extrem, ich bin überglücklich, und dann auch noch zu zweit mit meinem Zimmerpartner auf dem Podest, das ist obergeil!"

Die beiden Skispringer waren auf einmal der Weltmeister und der WM-Silbergewinner von der Großschanze, sie haben damit ein zuletzt schwächelndes Team in den Mittelpunkt gerückt, haben zum denkbar besten Zeitpunkt ihren Karrierehöhepunkt, bei der WM in Seefeld und Innsbruck, fast nebenan. Sie verpassten so den elf Arbeitsjahren ihres Trainers Werner Schuster, der im März aufhört, noch einmal einen runden Abschluss. Dann standen sie nebeneinander blinzelnd im milden Licht der über den Bergen untergehenden Sonne, in einer Siegerehrungs-Szenerie wie von Rembrandt gemalt, all das aufgrund lange schlummernden Talents und pingeliger Arbeit, aber wohl auch, weil sie Zimmerkollegen sind.

Es ist vielleicht auch ein Klischee, dass unterschiedliche Charaktere immer zusammenpassen, aber in diesem Fall haben Geigers Unaufgeregtheit und Eisenbichlers Aufgekratztheit wohl eine gegenseitig fördernde Wirkung. So genau gaben die beiden in der Mixed-Zone natürlich keinen Einblick in ihre Zimmerpsychologie, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass Geiger den Kollegen Eisenbichler zu bremsen versteht und Eisenbichler wiederum Geiger anstacheln kann. Eisenbichler preist jedenfalls die Harmonie im Raume: "Das ist eine gute Wellenlänge, da ist nie Streit."

Schon die gesamte Karriere war ein Auf und Ab bei beiden, mehr als bei anderen. Nach ihren Tiefschlägen sind beide wieder zurückgekommen, "der Karl letztes Jahr, ich in dieser Saison", sagte Eisenbichler. Er sei ein "Stehaufmännchen", findet auch Schuster, und auf Geiger trifft Ähnliches zu, nur dass dies in der Region rund um Platz 20, in der er lange hing, nie großartig auffiel. In Innsbruck nun standen sie nach schwierigen Wochen synchron wieder auf. Das Training am Donnerstag lief immer besser für das Zimmer Eisenbichler/Geiger, und nach der Qualifikation am Freitag stand es bereits ganz oben.

Dann folgte dieser Samstag mit einem wegen des Windes spannenden ersten Durchgang und dann aus deutscher Sicht berauschenden Finale, und den unaufgeregten Geiger wird es nicht stören, dass der aufgekratzte Kumpel nun in den Tagen danach etwas mehr im Mittelpunkt steht, weil seine Darbietung die Zuschauer am meisten mitgerissen hatte.

Markus Eisenbichler erlebt die Extreme dieses Sports vielleicht intensiver als die meisten anderen, stürzt er ab im Tableau, dann ist er lange betrübt, gewinnt er, dann braucht er lange, um die Lage zu begreifen, so groß ist für ihn der Erfolg. Und wie es ist, ganz oben zu stehen, hat er ohnehin bis Samstag nicht gewusst, weil er sich erst selber viel im Weg stand, und dann, als er in dieser Saison alles richtig machte, der junge Japaner Ryoyu Kobayashi kam und alles noch ein bisschen richtiger machte.

Im ersten Durchgang hatte aber überraschend der Schweizer Killian Peier vorgelegt, an seiner Weite waren zunächst alle gescheitert; Eisenbichler und Geiger aber hielten den Abstand gering. Die Hoffnung der Etablierten, dass die beiden Stehaufmännchen über die nötige Konstanz ohnehin nicht verfügen, bestätigte sich nicht. Kobayashi blieb noch dran, klar war da schon, dass nur einer aus diesem Quartett der neue Weltmeister würde.

Oft hat Eisenbichler im entscheidenden Sprung noch den einen entscheidenden Fehler eingebaut, diesmal stand er oben - und, wie er später berichtete, dachte er: "Volles Risiko, ich will unbedingt Weltmeister werden." Er glitt in der Anlaufspur hinab und erwischte den Druckpunkt im engen Innsbrucker Schanzenradius ideal. Das schoss ihn hoch hinaus, und als er die Skispitzen schon fast wieder auf Ohrenhöhe hatte, diese aber wieder zu sinken schienen und seine Hände in der Luftströmung kurz ausgleichen mussten, da profitierte er von seinem Risikowillen. Er schloss sein Flugsystem endgültig und flog weiter und weiter und landete bei 135,5 Metern, zweieinhalb Meter unter dem Schanzenrekord. Schon da deutete sich an, dass der Rivale Peier, der letzte Springer des Tages, hieran scheitern würde, der Schweizer kam auf den Bronze-Platz.

Zum Kapieren des Ganzen werden die beiden noch ein paar Tage brauchen; der solide Karl Geiger vielleicht nicht so lange wie der emotionale Markus Eisenbichler, der nach einer langen Reihe von Interviews zunächst sagte, nichts für ungut, aber er brauche nun mal dringend fünf Minuten für sich alleine. Aber dann wurde er doch noch eines los: "Dieser Sprung wird mir nie wieder aus dem Herzen und aus dem Gedächtnis gehen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4343317
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.