Ski in Garmisch:Keine Zeit zum Grübeln

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Women's Downhill

Wenn Viktoria Rebensburg, wie hier vor knapp einem Jahr, in Garmisch-Partenkirchen die Kandahar in Richtung Ziellinie fährt, haben die Pistenbauer ihren Arbeitstag schon hinter sich gebracht.

(Foto: Christof Stache/Getty)

Viktoria Rebensburg spürt ihr famoses Skigefühl langsam wieder. Der dritte Platz bei der Abfahrt ist ihr erster Podestplatz seit fast einem Jahr. Doch er fühlt sich plötzlich wie ein schwacher Trost an.

Von Matthias Schmid

Viktoria Rebensburg rang sich ein kurzes Lächeln ab. Es war nicht ehrlich, ihr war in diesem Moment eigentlich eher zum Weinen zumute. Ob ihr dritter Platz von Samstag das Ergebnis im Super-G am Sonntag ein wenig aufwiegen könnte, fragte sie jemand im Zielraum von Garmisch-Partenkirchen. Rebensburgs Miene verfinsterte sich schnell wieder, ihr Blick passte irgendwie zur Dunkelheit im Schatten der Zugspitze, die den Sonnenstrahlen den Weg ins Tal versperrte. Sie hatte nämlich kein Ergebnis im Super-G, sie war ausgeschieden, in Führung liegend. "Es tut schon sehr weh", bekannte Rebensburg, "vor allem in Garmisch." Bei ihrem Heimrennen.

Dabei hatte die Ski-Rennläuferin vom Tegernsee (Kreuth) auf den ersten Metern der Kandahar im Super-G einfach dort weiter gemacht, wo sie am Vortag aufgehört hatte, als sie die Abfahrt auf dem dritten Rang beendete. "Ich war so schnell unterwegs", klagte sie aber am Sonntag. Über den dritten Platz, ihren ersten Podestplatz seit fast einem Jahr, wollte sie gar nicht mehr groß sprechen. Vielmehr werde sie der Fahrfehler noch einige Tage beschäftigen, gab sie zu. "Das wird dauern, das alles zu verarbeiten." Rebensburg haderte mit sich. Denn ihre Fahrt stellte sich bis zu ihrem Fehler als ziemlich schnell heraus. "Wenn man sich die Rückstände ansieht, wäre es in Richtung zweiter Platz gegangen", sagte die 27-Jährige.

Sie fuhr zunächst fast wie auf Schienen hinab, bremste kaum, carvte rasant um die Kurven

In der Tat war nur die Siegerin Lara Gut schneller als Rebensburg, die ihr famoses Skigefühl in den Speed-Disziplinen langsam selber wieder spürt. Sie fuhr zunächst fast wie auf Schienen hinab, sicher und schnell. Sie bremste kaum, sondern carvte rasant um die Kurven. Bis zum verhängnisvollen Rechtsschwung am Ende der Fis-Schneise, kurz bevor es in den Zielhang geht. "Ich bin ein bisschen zu gerade reingefahren in das Tor, dann ist da eine Welle gewesen, und ich habe keine Chance mehr gehabt", erklärte Rebensburg ihr Missgeschick. Schon bei der Abfahrt zuletzt in Zauchensee hatte sie ein Tor verpasst. "Das war ein saudummer Fehler, der in der Abfahrt sehr selten passiert", sagte sie damals.

Rebensburg erlebt in diesen Tagen, wie schwer es ist, nach einer Verletzung den Anschluss an die Weltspitze zu finden, an die Plätze auf dem Podium, die ihr Anspruch sind. Sie probierte viel, sie tüftelte vor allem an ihrem Material, an den Skiern, an den Schuhen, der Bindung. "Das ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist", bekannte sie am Sonntag. Die fehlende Abstimmung schien sie aber mehr zu hemmen, als sie zugeben wollte.

Vor dem neuen Winter hatte sich die Riesenslalom-Olympiasiegerin im Training auf dem Pitztaler Gletscher so schlimm verletzt, dass sie den Saisonauftakt in Sölden verpasste. Ein unverschobener Schienbeinkopfbruch in ihrem rechten Knie wirbelte alle schönen Pläne durcheinander, erst Ende November stieg sie im amerikanischen Killington in den Weltcup ein. Der 19. Rang im Riesenslalom war das erste Menetekel dafür, dass sie in ihrer Spezialdisziplin noch länger brauchen würde, um in Form zu kommen. Denn danach in Lake Louise beendete sie die Abfahrt schon als Fünfte. Dass sie im Speed schneller die Grundgeschwindigkeit und das Vertrauen in die eigene Stärke fand als im Riesenslalom, hatte sie bereits geahnt. Sie tat sich mit den längeren Skiern bei der Materialabstimmung nämlich sehr viel leichter. "Das Setup muss passen", sagt Rebensburg.

Nur 48 Hundertstelsekunden Rückstand auf die Gewinnerin Lindsey Vonn machen ihr Mut

Und in Garmisch-Partenkirchen schien zum ersten Mal alles aufzugehen, ihre Skitechnik und das Material. "Endlich habe ich meine gute Form auch mal in ein gutes Ergebnis runtergebracht", fand sie nach ihrem dritten Rang am Samstag. Schon in den Tagen von Garmisch hatte sie gespürt, dass es aufwärts geht, sie fühlte sich immer wohler im Schnee, ihr Fleiß und ihre Hingabe machten sich zudem bezahlt - nach dem Abfahrtstraining fuhr sie regelmäßig weiter zum Gudiberg, um noch Riesenslalom zu üben. Als sie dann am Samstag die Abfahrt wie in der vergangenen Saison auf dem dritten Rang beendete, begegnete sie ihrem ersten Podestplatz für ihr eher ruhiges Naturell fast schon zu euphorisch. Aber wer konnte es ihr verdenken, ein Jahr musste sie darauf warten, endlich mal wieder auf das Siegertreppchen in einer Speed-Disziplin steigen zu dürfen.

Vor allem die nur 48 Hundertstelsekunden Rückstand auf die Gewinnerin Lindsey Vonn machten ihr Mut, dass es auch mal bald klappen könnte mit dem ersten Sieg in einer Abfahrt überhaupt. Vielleicht, orakelte sie, passierte das sogar bei der Weltmeisterschaft in St. Moritz, die am 6. Februar beginnt. Von ihrem wieder gefundenen Selbstbewusstsein war am Tag danach aber nichts mehr zu spüren. "Mir fehlt noch die Sicherheit", sagte sie lediglich. Viel Zeit zum Grübeln hat sie aber nicht, bereits am Dienstag steht der Riesenslalom auf dem Kronplatz in Südtirol auf dem Programm. Vielleicht kann sie es dann Matthias Mayer nachmachen. An den Abfahrts-Olympiasieger erinnerte sie zuletzt immer wieder, der nach einer Verletzung lange Zeit nur hinterhergefahren war. Bis zum vergangenen Freitag, da gewann der Österreicher den Super-G von Kitzbühel.

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