Ski Freestyle:Einzelkämpferin in der Halfpipe

Sabrina Cakmakli

Die Lücke zur Weltspitze wird kleiner: Sabrina Cakmakli in der Halfpipe, bei der WM im vergangenen Winter wurde sie Elfte.

(Foto: Joseph Roby/DSV/oh)

Sabrina Cakmakli will zu den Olympischen Spielen nach Peking, der Deutsche Skiverband unterstützt sie nach Kräften, es hapert aber schon an den Trainingsmöglichkeiten - auch weil die Disziplin ein teurer Spaß ist.

Von Thomas Becker

Mit Skiern an den Füßen in eine Halfpipe reinzufahren, braucht schon ein wenig Überwindung, aber wer es nicht gleich übertreibt, sondern nur ein bisschen hin und her und hoch und runter pendelt, der kann ziemlich schnell ziemlich viel Spaß haben. Das Problem an der Sache: In deutschen Skigebieten ist einem diese Gaudi nicht vergönnt. Keine Halfpipe, nirgends. Da muss man schon ans Kitzsteinhorn, nach Laax oder Saas-Fee fahren. Während Ottonormal-Pistenrutscher "dann halt nicht!" grummeln, steigt Sabrina Cakmakli wieder ins Auto und fährt zur Arbeit, nach Österreich ans Kitzsteinhorn, nach Laax oder Saas-Fee in die Schweiz, seit Jahren schon, und das alleine, als einzige Deutsche. Auch beim Weltcup-Auftakt in Copper Mountain, Colorado, war außer der 27-Jährigen, die auf Platz 18 landete, niemand im Dress des Deutschen Skiverbands (DSV) vertreten. "Es kommt einfach kein Mensch nach", klagt sie, "ich würde mir das so wünschen, ich vermisse das wirklich. Aber Halfpipe ist leider eine Sportart, die am Aussterben ist."

Echt jetzt? Viel mehr Spektakel als so eine wilde Flugshow in der Röhre geht doch auf Skiern kaum. Aber daran liegt es nicht, sondern am Geld. "Halfpipe ist so unglaublich teuer", sagt Cakmakli, "es gibt bei uns einfach keine Trainingsmöglichkeiten. Ein Normalsterblicher ohne Support oder einen Verband dahinter kann sich das eigentlich gar nicht leisten." Der beim DSV für den Bereich Freeski zuständige Korbinian Resenberger klärt auf: "Trainingsmöglichkeiten auf Weltklasse-Niveau kosten nahezu überall 100 Euro Park Fee am Tag. Das ist schon eine hohe Hürde für den Nachwuchs. Für Eltern ist das nahezu nicht mehr finanzierbar. So ist es halt schwer für die Kleineren, erste Berührungspunkte zu sammeln. Die sehen das im Fernsehen bei Olympia, finden es cool, können es aber nirgendwo ausprobieren."

Der Unterhalt der Halfpipes sei enorm teuer, da sie jeden Tag komplett neu in Form gebracht werden müssen, mit einer speziellen Pistenraupe und einem Menschen, der auch damit umgehen kann. Deutsche Skigebietsbetreiber haben seit Jahren keine Pipe mehr gebaut - zu viel Aufwand. Rund 200 000 Euro pro Winter kosten Bau, Unterhalt, Personal und Geräte. "Wenn wir irgendwo in Deutschland eine Pipe hätten, würden die Jüngeren das schon nutzen", schätzt Resenberger, "aber bis du auf dem Niveau von Sabi bist, musst du viel Geld reinstecken."

Sabrina Cakmakli

Drei Kreuzbandrisse hat Sabrina Cakmakli bereits hinter sich, davon lässt sich eine wie sie längst nicht unterkriegen.

(Foto: Joseph Roby/DSV/oh)

Dieses Niveau beschreibt er so: "Sabrina gehört zur erweiterten Weltspitze." Und das nach sage und schreibe drei Kreuzbandrissen, von den zwei Schlüsselbeinbrüchen gar nicht zu reden. Wie groß muss die Leidenschaft für diesen Sport sein, wenn man all dieser Unbill über so viele Jahre trotzt? Seit acht Jahren tritt sie im Weltcup an, holte 2015 mit Platz zwei ihren bislang einzigen Podiumsplatz, landete bei vier Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen unter den Top 15 und wurde zwei Mal zu den X-Games nach Aspen eingeladen - der Ritterschlag für jeden Freestyler. Der Winter 2014/15 war ihr bester: WM-Fünfte, Fünfte im Halfpipe- und Elfte im Slopestyle-Weltcup.

Dass sie vom Slopestyle zur Pipe wechselte, war Zufall. Als sie mal wieder von einem Kreuzbandriss samt Meniskusschaden zurückkam, meinte ihr Coach, sie solle doch statt gleich wieder große Kicker zu springen lieber ein wenig in der Halfpipe am Skigefühl arbeiten. Keine zwei Wochen später fuhr sie ihren ersten Halfpipe-Weltcup und rauschte ein halbes Jahr später durch die Olympia-Pipe von Sotschi.

Um ihr Wissen an die Jugend weiterzugeben, startet Sabrina Cakmakli auch für das Oberammergauer Snowgau Freestyle Team

Früh war Cakmakli, die gebürtig aus Immenstadt kommt, in Garmisch-Partenkirchen und auf den Skiern gelandet. Mit sieben wollte sie unbedingt aufs Snowboard, mit 15 kehrte sie dann zu den Latten zurück, diesmal mit Twin Tips. Aber auch bei ihrem Klub, dem SC Partenkirchen, blieb die Sportsoldatin neben all den Alpinfahrern und Biathleten eine Einzelkämpferin. Und da sie ihr Wissen auch an Jugendliche weitergeben will, startet sie seit ein paar Jahren für das Oberammergauer Snowgau Freestyle Team.

Wettkämpfe waren zuletzt jedoch Mangelware: Im vergangenen Winter gab es einen einzigen Weltcup und eine WM - Cakmakli wurde Zehnte und Elfte. Ihr Ziel in dieser Saison: die dritte Olympia-Teilnahme, in der Pipe des chinesischen Resorts mit dem schönen Namen Secret Garden. Da war sie im Weltcup schon mal Vierte und Achte. Mit "gemischten Gefühlen" sehe sie den Spielen in Peking entgegen: "Man macht sich schon Gedanken. Aber wir müssen einfach das Beste daraus machen - und immer positiv bleiben." Unterkriegen lassen ist für eine wie sie keine Option.

An Unterstützung vom DSV soll es nicht mangeln, sagt Freeski-Referent Resenberger. Das Sommertraining absolviert Cakmakli mit dem Slopestyle-Team. Bis vor zwei Jahren gab es eine Trainingskooperation mit dem Schweizer Skiverband: die zahlten den Trainer, der DSV den Physiotherapeuten. Seit einem Jahr hat man nun eine Trainerin auf Honorarbasis engagiert, die die ganze Saison mit Cakmakli unterwegs ist. Manchmal stößt noch eine holländische Fahrerin dazu, so dass man sich Kosten teilen kann. Bei den Wettkämpfen ist auch ein Physiotherapeut dabei. "Das klingt nach viel für nur eine Athletin", sagt Resenberger, "und das macht ihr auch viel Druck. Aber sie kann nichts dafür, dass sie die einzige deutsche Halfpipe-Fahrerin ist. Wir müssen ihr so viel Unterstützung wie möglich geben, dass sie wieder an die Top Fünf herankommt."

Generell sei man "schon auf dem richtigen Weg". Erst seit vier Jahren ist Freeski eine DSV-Abteilung wie Alpin oder Biathlon, davor hatte sich die Agentur Freeski Network im Auftrag des DSV um die Schanzen- und Pipe-Akrobaten gekümmert. Resenberger sagt: "Der Rückhalt vom Verband ist da, auch wenn große Erfolge seit Lisa Zimmermanns Karriereende 2017 ausgeblieben sind. Aber die Lücke zur Weltspitze wird kleiner."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: