Streit um Ski-Präsident Eliasch:Zartes Tauwetter in Reykjavik

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Johan Eliasch ist Geschäftsmann und oberster Boss des weltweiten Skiverbandes. (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Seit bald drei Jahren zankt sich Johan Eliasch, der umstrittene Präsident des Ski-Weltverbands Fis, mit der Wintersportfamilie. Ist nun in einem zentralen Konflikt eine Lösung in Sicht?

Von Johannes Knuth

Am Ende konnte Johan Eliasch noch einen kleinen Sieg verbuchen. 11 Uhr Mittwochvormittags hatte der Präsident den 55. Kongress des Ski- und Snowboard-Weltverband Fis in Reykjavik eröffnet, in einem Tagungsraum bei bläulich-gedimmten Licht. Das hätte bei langatmiger Moderation wohl eine akute Nickerchengefahr im Plenum heraufbeschworen. Nicht einmal vier Stunden und 21 Tagesordnungspunkte später sprach Eliasch dann aber schon seine Schlussworte, gewürzt mit der üblichen Prise Selbstlob: Man habe in „Rekordzeit“ gearbeitet, klar. Die Frage war nur: Was hatte Eliasch, der selbsternannte Reformator des Wintersports, dabei eigentlich bewegt?

Seit der laut Magazin Forbes milliardenschwere Geschäftsmann vor drei Jahren ins Präsidentenamt der Fis gerutscht ist, wirkte bis zuletzt nur eines rekordverdächtig: die Zahl an Grabenkämpfen auf der Vorder- und Hinterbühne seiner Organisation. Sehr griffig ließen sich all die Debatten meist in der Frage bündeln, wer künftig mit einem der wertvollsten Güter des Wintersports handelt: den Medienrechten an den Weltcups. In der Frage hatten sich die Nationalverbände und die Fis zuletzt derart verhakt, dass sogar von Abspaltung geraunt wurde, einer Super League des Skisports. Und nun? Scheint ein Ende des Zwists tatsächlich näherzurücken, und zumindest von Abspaltung ist dabei erst mal nicht die Rede.

Die sogenannte historische Vereinbarung barg zwei große Haken

Eliasch und die Fis waren vor drei Jahren mit dem festen Ansinnen aufgebrochen, die Weltcups künftig selbst und zentral zu vermarkten, ähnlich wie in der Formel 1. Erst wenn das erreicht sei, so betonte Eliasch auch in Island, habe die Fis ihr „Schicksal“ wieder in der Hand; als wäre sie einst von Trickbetrügern um Hab und Gut gebracht worden. Die Nationalverbände, die die Weltcup-Rechte nach weitläufiger Lesart bis zuletzt hielten, stemmten sich jedenfalls hartnäckig gegen das Ansinnen. Sie konnten nicht erkennen, wie eine zentrale Vermarktung sie besser stellen würde als das, was sie mit ihren Partnern bereits verhandelt hatten.

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Selbst als Eliasch im vergangenen Juli einen Durchbruch verkündete (eine „historische Vereinbarung“), barg das zwei große Haken. Zum einen soll die dort beschlossene Zentralvermarktung – ab der Saison 2026/27 für acht Jahre, ein Zuwachs von mehr als 100 Millionen Euro – mit der Sportmarketingfirma Infront aufgegleist werden. Also mit einem externen Zwischenhändler, den Eliasch unbedingt aus dem Geschäft hatte drängen wollen. Der zweite Haken: Die Besitzrechte an den Weltcups lagen weiter bei den Ausrichtern, den Nationalverbänden wie dem Deutschen Skiverband (DSV). So sahen das zumindest die Nationalverbände und Juristen.

Dann vermeldete Eliasch am 26. April plötzlich „grünes Licht“. Das Fis-Council, eine Art Regierungsrat des Wintersports, habe endlich auch den Weg für die Zentralisierung geebnet. Wie das geschah, deutete Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied im DSV, am Mittwoch in Reykjavik an. Die Internationalen Wettkampfregeln der Fis (ICR) – beziehungsweise der Passus, der die Rechte bei den Nationalverbänden verortet – sei im Council „beinahe gewaltsam“ geändert worden – zugunsten der Fis. Auch wenn man nun unterrichtet worden sei, dass dieser Entscheid revidiert werden soll, könne man so nicht miteinander umgehen.

Eliasch konterte, dass man einem „gesunden demokratischen Prozess“ gefolgt sei. Er widersprach allerdings nicht Schwarzbachs öffentlicher Feststellung, dass der Entscheid aufgehoben werden soll. Die Weltcup-Besitzrechte würden demnach bald wieder bei den Verbänden liegen – auch das ein Umstand, der Eliaschs ursprünglichen Planungen zuwiderläuft. Nun sind die Verbände ihrem Ziel zumindest näher gerückt: eine Zentralvermarktung gelenkt durch die Fis, Rechte und Mitsprache verbleiben aber bei den Nationalverbänden.

Letztlich bestätigt Schwarzbach im Gespräch, dass beide Seiten sich in Island angenähert haben. „Wir realisieren, dass sich die andere Seite bewegt“, sagte Schwarzbach. Und: „Die Fis hat jetzt hoffentlich realisiert, dass wir keine Verhinderer sind, sondern auch für die kleineren Verbände mitdenken.“ Also etwa bei Überlegungen, wie die Gelder aus einer Zentralvermarktung künftig verteilt werden sollen. Zugleich betonte Schwarzbach beim Kongress, dass man noch „recht weit entfernt“ sei von einer Einigung, viele Fragen im zentralen Vertragswerk, das die Verbände unterzeichnen müssen, offen seien. Das sähen auch „recht viele Nationalverbände“ so. Hätte man diese von Beginn an involviert, hätte man sich viel Kummer erspart.

Das große Geld fließt erst, wenn sich die Beteiligten einigen – das kann noch dauern

Die Unzufriedenheit über Eliaschs Amtsführung quoll, trotz zartem sportpolitischen Tauwetter, auch sonst in Island hervor – oft spürte man, dass die Nationalverbände für Dinge kämpfen, die selbstverständlich sein sollten. Da ist etwa der Finanzbericht, der dem Fis-Rat so spät zugegangen war, dass dieser die Zahlen erst einen Tag vor dem Kongress absegnete. Für das Geschäftsjahr 2023 taucht darin ein Gewinn von 28,2 Millionen Franken auf. Allerdings nur dank einer, nun ja, weiteren Innovation: Die Fis hat jene knapp 40 Millionen Franken, die es 2022 für einen Olympiazyklus von vier Jahren vom Internationalen Olympischen Komitee erhielt, nicht wie üblich in Tranchen von je zehn Millionen Euro auf eben jene vier Jahre verteilt – sondern die noch verbliebenen 30 Millionen allesamt für 2023 verbucht.

Änderungen im Schweizer Zivilrecht machten dies nötig, sagte die Fis am Mittwoch, ohne diese Änderungen zu erläutern. Wie der Verband nun die fehlenden Tantieme in den Bilanzen ausgleichen will, 20 Millionen für die kommenden zwei Jahre? Für 2024 kalkuliert die Fis zwar damit, dass 30 Millionen Euro aus dem neuen Zentralvermarktungsgeschäft mit Infront fließen. Dies geschieht aber nur, wenn die Nationalverbände sich mit der Fis einigen. Und das, siehe oben, kann dauern.

Letztlich ist es auch diese luftige Geschäftsführung Eliaschs, die den Nationalverbänden eine weitere Karte in die Hand gespielt haben könnte. Da die Fis den Kongress-Abgeordneten den abgesegneten Finanzbericht eben nicht 21 Tage vor der Tagung hatte zukommen lassen – wie es Artikel 18.1.2 der Fis-Statuen verlangt – könnte das, was der Fis-Kongress in Island zu den Finanzberichten beschloss, womöglich juristisch angreifbar sein. Wenn sich in der Sache denn ein Kläger findet.

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