Ski alpin:Wut als Helfer

Ski alpin: Weltcup

Fast fehlerfrei ins Tal gekommen: Zum zweiten Mal in ihrer noch jungen Karriere erreicht Kira Weidle, 22, einen Podestplatz.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Während die erfahrene Viktoria Rebensburg mit ihrer Belastung hadert, wird die Starnbergerin Kira Weidle in Garmisch Abfahrts-Dritte.

Von Gerald Kleffmann, Garmisch-Partenkirchen

Ein netter Herr stand am Gitter, winkte zu Kira Weidle, der deutschen Skirennfahrerin, dann zu Gerd Rubenbauer, dem früheren Sport-Kommentator und -Moderator, der seit vielen Jahren bei den Skirenn-Wochenenden in Garmisch-Partenkirchen als Pressechef bewährt mithilft. Kurz erklärte Rubenbauer Weidle, was los war. Der Herr sei ein griechischer Journalist, Achilleas heiße er, er schreibe sonst über Surfen vor Rhodos. Jetzt wolle er mal einen klassischen Skiort besuchen. Weidle lachte. Der Moment passte ja. Ein Gruppenfoto wurde gemacht, Achilleas strahlte beglückt. Und auch Weidle sah vergnügt aus, was man am Vortag nicht hatte festhalten können.

Dritte in der Abfahrt wurde die 22-Jährige aus Stuttgart, nun in Starnberg zu Hause, hinter der Österreicherin Stephanie Venier und der Italienerin Sofia Goggia, die auch am Samstag im Super-G Zweite geworden war bei ihrer beeindruckenden Rückkehr nach einem Knöchelbruch. Zum zweiten Mal in ihrer bislang überzeugenden Saison stand Weidle auf dem Siegerpodest; in Lake Louise war sie gleich Dritte geworden, danach belegte sie in der Abfahrt die Ränge elf, acht, acht, vier und nun eben drei. "Da war eine ordentliche Portion Wut dabei", erklärte sie ihre Steigerung, mit der sie die deutsche Bilanz nicht ganz wie in einem Splatterhorrorfilm erscheinen ließ.

Am Samstag hatte es fünf der sieben DSV-Fahrerinnen aus dem Super-G-Rennen katapultiert, nur Veronique Hronek als 31. und Patrizia Dorsch als 37. erreichten das Ziel beim Sieg der Österreicherin Nicole Schmidhofer, aber auch sie waren außerhalb der Punkteränge (besten 30) geblieben. Von einer "schwachen Vorstellung" hatte Alpindirektor Wolfgang Maier gesprochen, sie hätte "uns nicht passieren dürfen. Wir sind skitechnisch zu schlecht gefahren". Sogar Viktoria Rebensburg hatte gepatzt, die erfahrene Frontfrau hatte nach einem Schlag beim Belastungswechsel das Tor verpasst, und dass die 29-Jährige am Sonntag nicht mal mehr zur Klassiker-Abfahrt antrat, war einerseits verständlich; sie wollte sich auf den Riesenslalom in Maribor am 1. Februar fokussieren. Andererseits brachte ihr Hin und Her in Garmisch-Partenkirchen ihre Verunsicherung zum Ausdruck. Sie räumte das ein.

"Man muss sich kämpferischer runterbewegen" - Alpindirektor Maier kritisiert sein Team

Aufgrund des dicht gepackten, wechselnden Programms im Weltcup sei es für sie "grad brutal schwierig, die Konstanz reinzubringen", meinte sie. Ein Blick auf ihr Arbeitsprotokoll unterstrich ihre Sicht. Am Donnerstag bestritt sie das Abfahrtstraining, am Freitag ließ sie das zweite aus, übte Riesenslalom in Seefeld, Samstag dann das Super-G-Rennen. Einerseits weiß Rebensburg, die im Riesenslalom schon Olympiasiegerin und WM-Zweite wurde, dass es trotz ihres Potenzials in ihrer besten Disziplin "nicht so einfach ist, das Niveau zu halten. Wenn man da dabei sein will, muss man Einheiten dazwischen schieben". Die Folge nur: "Dann kommt aber wieder eine andere Disziplin ein bisschen kürzer." Verzwickt das Ganze.

Im Grunde ist ihr Problem nicht vollends lösbar, wobei sie anfangs der Saison dachte, den Super-G gebändigt zu haben. "Es ist schon gut los gegangen mit dem dritten Platz, da dachte ich, okay, jetzt habe ich den Super-G für mich geknackt", erinnerte sie sich an das Rennen in Lake Louise Anfang Dezember. Doch sie probierte etwas am Material aus, irgendwo hoffen die Skifahrer immer auf herausgetüftelte Hundertstel, es klappte nicht, seitdem hat sich eine Gewissheit verstärkt: "Fakt ist, dass ich mich nicht ganz wohl fühle im Super-G und dass wir da was machen müssen." Nur was? Da schaute sie ratlos. Noch jedenfalls will Rebensburg nicht ihr ambitioniertes Programm entschlacken. "Nächste Saison muss man mal schauen." Sie wisse, dass sie den "Spagat für mich richtig finden muss".

Maier wehrte sich indes, vom Problemkind Super-G zu reden; in der Abfahrt fuhren immerhin Michaela Wenig (23.), Meike Pfister (24.) und Dorsch (26.) in die Punkte - wobei die schwierige Strecke diesmal viele Ausfälle generell provozierte (die junge Italienerin Federica Sosio erlitt offenbar einen Unterschenkelbruch), auch gab es Kritik von Fahrerinnen, da noch während des Rennens der Sprung an der Seilbahn entschärft wurde. "Immer wenn wir in Disziplinen nicht gut sind, heißt es Problemkind, aber das ist mir wurscht, du kannst dir jede Disziplin erarbeiten." Maier forderte in der ihm eigenen Klarheit: "Man muss dann halt ein bisschen mehr Einsatz zeigen und sich kämpferischer runterbewegen." Seine Vorwürfe wurden intern thematisiert, "wir waren sehr selbstkritisch", verriet Weidle, "vor allem beim Heim-Weltcup will man mehr bieten". Die begeisterten Heim-Fans dankten es ihr am Sonntag mit Jubel.

Jene Kira Weidle vom Sonntag war sichtbar nicht mehr verwandt mit der vom Samstag gewesen, sie fuhr diesmal entschlossen, setzte die Radien richtig, nur ein Wackler kostete sie Zeit, womöglich für den Sieg, den sie um 0,54 Sekunden verpasste? Sie lächelte. "Ich bin gut in Form", sagte Weidle und, mit Ausblick auf die WM: "Wenn ich das so halten kann, glaube ich, dass wir alle viel Freude haben werden."

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