Ski Alpin: WM-Gold für Hölzl:Die unwahrscheinliche Weltmeisterin

Kathrin Hölzl hat endlich ihre Nerven im Griff und beweist bei ihrem WM-Sieg ihr überragendes Talent im Riesenslalom.

Wolfgang Gärner

Weltmeisterin Kathrin Hölzl, wie klingt das? Unglaublich natürlich, vor allem für die Betroffene: "Schön langsam kommt es ins Bewusstsein", sagt die 24-Jährige aus Bischofswiesen, die am Donnerstag in Val d'Isère den globalen Titel im Riesenslalom gewann, wider alle Erwartungen und Kalkulationen, fast so, wie das in der gleichen Disziplin vor 31 Jahren in Garmisch-Partenkirchen Maria Epple gelungen war, oder 1985 in Bormio Markus Wasmeier.

Ski Alpin: WM-Gold für Hölzl: Mit guten Nerven zum WM-Gold: Kathrin Hölzl siegte überraschend im Riesenslalom.

Mit guten Nerven zum WM-Gold: Kathrin Hölzl siegte überraschend im Riesenslalom.

(Foto: Foto: dpa)

Kathrin Hölzl, Weltmeisterin aus heiterem Himmel: "Mensch - das erste Weltcuprennen, das ich gewinne, ist die Weltmeisterschaft", schwelgte sie im Glück des Augenblicks - "brutal, einen schöneren Zeitpunkt dafür hätte ich mir nicht aussuchen können." Natürlich war es kein richtiges Weltcuprennen, weil es keine Punkte dafür gab, zählt aber viel mehr als die Serie, in der sie bis jetzt gerade zweimal aufs Podest gefunden hatte - zuletzt im Januar in Maribor als Dritte.

"Als ich ins Ziel kam und sah die Eins für mich, da dachte ich: Das könnte für eine Medaille reichen", denn eben hatte sie die Slowenin Tina Maze verdrängt, "und die war wirklich gut gefahren, das sah ich am Start im Fernsehen". Als sie mit der Eins im Ziel war, bedeutete das gleichzeitig, dass für die alpine Abteilung des Deutschen Skiverbandes erstmals nach sieben Jahren (Martina Ertls Kombibronze in Salt Lake City) und 52 erfolglosen Rennen wieder eine Medaille abfallen würde.

Denn oben stand noch Viktoria Rebensburg aus Kreuth als Drittplatzierte des ersten Durchganges hinter Kathrin Zettel (Österreich) und der Finnin Tanja Poutiainen. Eine von beiden - Hölzl oder Rebensburg - würde jetzt also Bronze sicher haben, mindestens. Die junge Teamkollegin von Hölzl leistete sich aber ein paar Fehler zu viel, ließ sich im Ziel fallen, klopfte sich mit der Faust auf den Helm, sollte heißen: Menno - ich war so nahe dran und hab's verschenkt! "Als Viki im Ziel war und ich eine Medaille hatte, war alles in Ordnung", sagte Frau Hölzl. "Dass es dann noch zum Sieg reichte: unglaublich."

Erst fiel Poutiainen zurück, und die Bischofswiesenerin hatte schon Silber. Dann kam Zettel mit der Face de Bellevarde nicht mehr annähernd so zurecht wie im ersten Durchgang. Damit war das zuvor Undenkbare Realität - Kathrin Hölzl hatte Gold vor Maze und Poutiainen. Maria Riesch, die unter die Top 15 gewollt hatte, aber ausrutschte und danach nur als 28. ins Ziel kam, riss Kathrin Hölzl erst zu Boden, anschließend trug sie die neue Weltmeisterin ein bisschen herum. Schließlich nahm sie ihre Schwester Susanne zu Hilfe, und sie wuchteten sich Kathrin Hölzl auf die Schultern zum triumphalen Defilée.

Vor wenigen Jahren noch galt Kathrin Hölzl als Athletin, die ihre Nerven in entscheidenden Momenten leider nicht immer im Zaum hatte: hochbegabt und skitechnisch eine Augenweide, aber leider mental zu labil, um ihre Fähigkeiten auch auf die Ergebnislisten zu transponieren. Im Laufe der Zeit hat sie das in den Griff bekommen - auch, weil Christian Schwaiger aus Saalfelden, der Torlauftrainer des deutschen Frauenteams, sich im Sommer vor zwei Jahren speziell ihrer annahm, mit ihr eine stabile physische Grundlage erarbeitete, auf der sie dann auch das nötige Selbstvertrauen entwickeln konnte.

Die unwahrscheinliche Weltmeisterin

Als ihr großer Tag vollendet war, verkündete sie diesbezüglich Sachen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wären für Kathrin Hölzl: Sie sei vom frühen Morgen weg nicht sonderlich aufgeregt gewesen. "Ich dachte mir: Das ist auch nur ein Skirennen. Ich dachte weiter: Es wird immer so ein Tamtam um die WM gemacht, und die Saison ist eh nicht so gelaufen für mich. Es kann nur besser werden als in den letzten Rennen. Mach dich nicht verrückt, fahr drauf los, zeig was du kannst. Und es ist aufgegangen."

Vor zwei Jahren hatte sie ihr Talent schon mal entfaltet als Zweite in der Lenzerheide, und man wähnte, nun würde es richtig losgehen mit der Karriere der Riesenslalome Kathrin Hölzl. Die Karriere stagnierte aber im vergangenen Winter, sie fiel eher durch Konstanz als durch Spitzenplätze auf. Der Grund war ein familiärer: Krankheit und Tod ihres Vaters Sebastian, der ihr erster Trainer war und zu dem sie eine sehr enge Bindung hatte. Die Trauerarbeit beschäftigte sie lange, nun sei sie drüber weg und wieder fähig, sich ganz auf ihren Beruf zu konzentrieren, sagen ihre Vertrauten.

Kathrin Hölzl war wohl vorbereitet auf dieses Ereignis, auf diesen Hang, von dem im Vorfeld geargwöhnt wurde, er sei zu schwierig, zu steil für die Frauen. Für sie nicht. "Ihr kommen so extrem steile Hänge entgegen, das hat sie gerne", sagte Frauen-Cheftrainer Mathias Berthold. Wolfgang Maier, Alpindirektor des DSV: "Wir wussten, dass dieser Hang passt zu ihrer Art, Ski zu fahren." Und damit der Hang und die Fahrerin auch wirklich zusammenpassen würden im entscheidenden Augenblick, hatte Schwaiger zuvor einen Berg gesucht, der dem von Val d'Isère möglichst ähnelte, und in Maria Alm am Steinernen Meer auch einen gefunden, auf dem sie das WM-Rennen möglichst realitätsnah simulieren konnten.

"Wir fuhren her und sagten: Wir spekulieren nicht und wir erwarten nichts, es geht nur darum, dass gut Ski gefahren wird", sagte Berthold. "Das war uns bis jetzt leider nicht gelungen. Aber die Kathi hat umgesetzt - endlich. Wenn du drei in der Verlosung hast, hoffst du, dass es sich bei einer ausgeht - und das war die Hölzl."

Nach dem ersten Lauf, als Viertplatzierte 68/100 hinter der Spitzenreiterin Zettel, sagte Kathrin Hölzl: "Die muss den zweiten Lauf auch erst mal herunter bringen - ich greife an." So spricht keine, die eine vage Hoffnung auf Bronze hegt. So sprechen in Wahrheit Champions. "Wir waren schon oft in einer Position, in der wir dachten, wir könnten im zweiten Durchgang was erreichen", sagt Mathias Berthold - "es ging immer in die Hose." Am 12. Februar 2009 in Val d'Isère aber nicht - da kam Kathrin Hölzl, jetzt: Weltmeisterin Hölzl.

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