Ski alpin:Eine Generation, die Charakter beweist

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Men's Slalom

Daniel Yule: Athletensprecher mit Haltung

(Foto: Getty Images)

Der Abschied großer Gesichter im Ski-Weltcup hat sich nicht als Katastrophe herausgestellt, im Gegenteil: Die Rennen bieten eine andere Art der Spannung - und die Akteure übernehmen Verantwortung.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Was war nicht befürchtet worden: Ohne Marcel Hirscher fehle der Anker in den technischen Disziplinen und fürs große Ganze, den Gesamtweltcup, den der Österreicher achtmal gewann. Ohne den smarten Norweger Aksel Lund Svindal mangele es an kritischem Geist. Kein Felix mehr? Keine Lindsey? Die Leichtlebe-Elemente Neureuther und Vonn waren die Herzensbotschafter, die Amerikanerin bot dazu Glamour.

Zu Beginn dieser alpinen Ski-Saison fand ja wirklich eine personelle Zäsur der besonderen Art statt, und immer dann, wenn Athleten sich verabschieden, die Stockerlplätze und Sympathien eroberten, wird Schlimmstes vermutet: weniger Charaktere, weniger Interesse an der Sportart. Doch nach gut der Hälfte der Rennen erfolgt erste Entwarnung: Der Ski-Weltcup ist tot. Lang lebe der Ski-Weltcup. Diese Diagnose trifft wohl eher zu.

Daniel Yule quatscht nicht - er übernimmt Verantwortung

Natürlich werden die prägenden Köpfe der Vergangenheit ihren Platz in der Historie behalten. Doch der Übergang hin zur Post-Hirscher-Vonn-Ära ist geglückt. Die Spannungselemente sind einfach anderer Natur. Davon zeugte gerade der Nachtslalom in Schladming vor 40 000 Zuschauern, und bezüglich des neuen Unterhaltungswertes ist nicht die spärlich bekleidete Flitzerin gemeint, die just bei der Zieleinfahrt des Italieners Alex Vinatzer die Zeitschranke auslöste und mit Konsequenzen rechnen muss. Einer wie der Franzose Clément Noël ist damit gemeint - er verpatzte Lauf eins und bewies im zweiten als 30. startend hirschereske Hasardeur-Qualitäten: Vierter!

Grundsätzlich heißt es nicht mehr: alle gegen Marcel - viele können siegen und trauen es sich zu. Zwischen dem Ersten Henrik Kristoffersen und dem 20. Tommaso Sala lagen nur 2,04 Sekunden. Natürlich gibt es Dominanzen, doch sie verlaufen in Phasen. Der Franzose Alexis Pinturault fand stark in die Saison, nun punktet der Norweger Kristoffersen. Wenn Landsmann Aleksander Aamodt Kilde das nächste Hoch erwischt, drehen sich die Machtverhältnisse schon wieder.

Bei den Frauen bleibt Mikaela Shiffrin der Maßstab, doch die Amerikanerin ließ Selbstzweifel und Schwächen erkennen, auch unter dem Konkurrenzdruck, den Petra Vlhova unverblümt ausübt. Die Slowakin muss auch nicht wie neuerdings Lindsey Vonn mit Richard Lugner zum Opernball flanieren, um aufzufallen. Ihr sportlicher Ehrgeiz ist eine Show.

Österreichs Männerteam mag zwar ohne Hirscher den Blues haben - aber das allgemeine Leistungsloch gleichen aufregende Schweizer wie Ramon Zenhäusern aus. Daniel Yule überdies bewies, dass die Aufrücker Haltung haben. Als Fis-Präsident Gian Franco Kasper den Klimawandel anzweifelte und sonstigen Nonsens äußerte, watschte Yule Kaspers Worte ab: "Das macht mir richtig Angst." Dass der 26-Jährige Athletensprecher ist, belegt: Diese Generation quatscht nicht - sie übernimmt Verantwortung.

Sie fallen zwar on tour nicht mit Fotoshootings und Luxuscampingbussen à la Bode Miller auf. Dafür sind sie fokussiert, willig, authentisch. Das ist eine gute Entwicklung.

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