Ski alpin:Tu felix Helvetia

Ski alpin: Die Schweizerin Corinne Suter gewinnt ihren ersten Weltcup.

Die Schweizerin Corinne Suter gewinnt ihren ersten Weltcup.

(Foto: Johann Groder/AFP)

Während Österreich eine "Ski-Krise" beklagt, prägen die Athletinnen und Athleten aus dem Nachbarland Rennen um Rennen.

Von Johannes Knuth, Altenmarkt-Zauchensee

Aus den Boxen im Zielraum dröhnten die Toten Hosen. "Unter den Wolken wird's mit der Freiheit langsam schwer", ging der Refrain, und der Zeitpunkt war wirklich treffend gewählt: Etwas weiter oben jagten die Skirennfahrerinnen gerade unter den Wolken über die Weltcupstrecke in Altenmarkt-Zauchensee; kurz darauf mussten sich Fahrerinnen und Publikum sogar lange gedulden - die Wolken hingen nun nicht mehr über, sondern auf der Strecke. Die Stadionregie spielte während der Pause irgendwann Höhepunkte von vergangenen Rennen ein, Siege von Renate Götschl, Alexandra Meissnitzer, 2017 zuletzt Christine Scheyer, an österreichische Erfolge an österreichischen Weltcuporten kann man ja gar nicht oft genug erinnern. Schöne Zeiten, verblasste Zeiten.

Die Gegenwart meinte es für die heimischen Athletinnen am Samstag jedenfalls weniger gut. Stephanie Venier verschlug es als Beste am Ende auf Rang neun, auch die ambitionierten Deutschen schüttelte es auf der tückischen Abfahrtspiste im Salzburger Land mächtig durch. Michaela Wenig war am Ende als 19. und mit 2,10 Sekunden Rückstand auf Rang eins noch die Beste aus dem deutschen Team, übrigens nicht nur in Zauchensee: Alexander Schmid wurde in Adelboden 21., beim Triumph des Slowenen Zan Kranjec im Riesenslalom, Stefan Luitz, der schwer gehemmt und offenbar krankheitsgeschwächt angetreten war, hatte nicht mal die Versetzung ins Finale der besten 30 geschafft.

Doch so wechselhaft dieser alpine Winter bislang verläuft, ein Trend schimmerte auch am Samstag durch: Die Schweizer prägen derzeit Rennen um Rennen. Corinne Suter gewann in Zauchensee ihren ersten Weltcup, Teamkollegin Michelle Gisin wurde Dritte, die Italienerin Nicol Delago Zweite. Das Schweizer Team steht derzeit sogar der Nationenwertung vor, die sämtliche Alpinergebnisse eines Winters zusammenfasst und seit 1989 (!) immer an die Österreicher fiel, zuletzt vor allem dank des zurückgetretenen Marcel Hirscher. Interessiert hatte das eigentlich keine breite Öffentlichkeit, die österreichischen Medien stimmten am Wochenende aber trotzdem schon mal einen krisengeschwängerten Bass an: "Die Ski-Krise im Hirscher-Schatten", titelte der Kurier. Ski-Krise?

Gut, es ist wahrhaftig ein zäher Winter für die Skination, allein die Technik-Experten der Männer warteten bis zum Samstag auf ihren ersten Podestplatz. Auf die Abfahrerinnen und Abfahrer war zuletzt aber weitgehend Verlass gewesen, und auf der Schnelltrasse in Zauchensee hatten sich die Östereicherinnen meist stark präsentiert. Am Start geht es bei 72 Prozent Gefälle rund 100 Meter in die Tiefe, es folgt ein Kurvengewirr, mit Passagen, die so rustikal getauft wurden wie sie sich fahren: Schikane, Jägersprung, Kälberloch, Schmalzleiten. "Da wird der Abfahrtseele schon einiges abverlangt", hatte Viktoria Rebensburg, die beste Deutsche, im Vorfeld gesagt. Sie war zwar ebenfalls noch leicht infektgeschwächt angereist, aber immerhin als Fünfte in der Abfahrtswertung im Weltcup.

Blöd nur, dass ausgerechnet am Samstagmorgen Wolken in den oberen Streckenteil krochen, die sich auch vom böigen Wind nicht so recht verjagen ließen. Die Jury verlegte den Start rund 200 Höhenmeter nach unten; die Fahrerinnen stachen nun mit weniger Tempo in die Kurven, der Schnee war zudem feuchter, die Serviceleute mussten das Wachs für den Rennbelag der Ski neu abstimmen. Die ersten Opfer waren die Gastgeber: Ramona Siebenhofer, Venier und Nicole Schmidhofer, die Abfahrts-Gesamtsiegerin des Vorwinters, hatten frühe Startnummern gewählt - und offenkundig nicht damit gerechnet, dass sie auf einer derart verkürzten Strecke würden starten müssen.

Die Schweizerinnen nutzten die schwächeren Vorlagen eiskalt aus. Gisin war mehr als eine halbe Sekunde schneller als die bis dato führende Vernier, und als viele dachten, dass es bei knapp 1:20 Minuten Fahrzeit kaum noch schneller gehen könne, toppte Suter die Bestzeit um 0,98 Sekunden. "Ich dachte, dass es sehr eng wird, von daher bin ich eine sehr direkte Linie fahren", sagte die Siegerin später. Delago, die in Lake Louise schon Zweite im Super-G hinter Rebensburg geworden war, rüttelte zwar noch mal kräftig an der Bestzeit (0,29 Sekunden zurück), aber dann war Suters Premierensieg aktenkundig, mit dem sie auch die Führung im Abfahrtsweltcup übernahm. "Ich bin super-happy, die WM hat mir enorm viel Druck genommen", sagte sie. Vor einem Jahr war sie in Are Zweite in der Abfahrt und Dritte im Super-G geworden, nachdem sie die Hauptpreise zuvor oft knapp verpasst hatte. "Seitdem", sagte die 25-Jährige, "kann ich wieder mit Spaß fahren."

Die Mienen der deutschen Fahrerinnen funkelten am Samstag weniger spaßig: Kira Weidle, im ersten Training noch Tagesbeste, trieb es immer wieder aus der Fahrrinne, allerdings nicht wegen der schlechten Bodensicht, wie sie sagte: "Das war einfach nicht mein bestes Skifahren." Rebensburg lag als 23. einen Rang und eine Hundertstelsekunde vor Weidle, woran sie sich aber auch nicht recht erwärmen konnte. "Ich habe eigentlich keine großen Fehler gemacht, ich kann selber gar nicht sagen, was da war", befand sie, ehe sie sagte: "Abfahrt ist manchmal schwer zu begreifen und zu erklären." Das Wetter, der Schnee, der Wind. Am Sonntag werden Rebensburg und auch Weidle noch den Super-G fahren, der im Rahmen der alpinen Kombination ausgetragen wird. Mit guten Aussichten übrigens für weitere Schweizer Erfolge.

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