Ski alpin:Und jetzt?

ALPINE SKIING - FIS WC Soelden SOELDEN,AUSTRIA,24.OCT.19 - ALPINE SKIING - FIS World Cup season opening, Rettenbachfern; Rebensburg

Nach dem Rücktritt von Felix Neureuther noch mehr im Fokus: Viktoria Rebensburg.

(Foto: imago images/GEPA pictures)
  • Am Wochenende startet die Ski-Saison in Sölden und erstmals werden viele bekannte Gesichter nicht mehr am Start sein.
  • Felix Neureuther, Lindsey Vonn, Aksel Lund Svindal und Marcel Hirscher haben ihre aktive Karriere beendet.
  • Im deutschen Team rückt vor allem Viktoria Rebensburg in den Fokus.

Von Johannes Knuth, Sölden

Eines vorneweg, sagt Viktoria Rebensburg jetzt, damit da erst gar kein Missverständnis aufkommt: Auf das Weißbier wird sie an diesem Wochenende, beim Saisonauftakt der alpinen Skifahrer in Sölden, ganz sicher verzichten. Rebensburg war 2007 erstmals in Sölden dabei, sie hat hier schon erlebt, wie ihre Teamkolleginnen Maria Höfl-Riesch und Kathrin Hölzl so nervös waren, dass ihnen der damalige Trainer einen Weizentrank aufs Zimmer brachte. Und Rebensburgs Rezept, nach zwölf Jahren im Weltcup? Am besten so gut entspannen, "dass man nach fünf Minuten einschläft", sagt sie, ohne Schlummertrunk. In Sölden sei das nur immer ein wenig kniffelig: Hier feiern sie in den Après-Ski-Tempeln schon vor den Rennen am Wochenende, selbst wenn sich die Rennpiste auf dem Gletscher wie ein Eisband durch die meist graue Gerölllandschaft zieht wie in diesen Tagen. Manchmal, erinnert sich Rebensburg, lärmte es vor ihrem Hotel so arg, dass sie beschloss, ein wenig mitzufeiern. Aber das, sagt die 30-Jährige, ist natürlich nur ein Scherz.

Der Auftakt in die neue Skisaison in Sölden ähnelt immer ein wenig dem ersten Schultag nach den Sommerferien, und das Protokoll vor den ersten Riesenslaloms des Winters war in den letzten Jahren meist recht baugleich: Felix Neureuther, die deutsche Überfigur, war immer für einen Spruch gut, Lindsey Vonn trat schon mal mit riesiger Plüschmütze und bauchnabelfreiem T-Shirt auf, Ted Ligety in Flipflops. Der Österreicher Marcel Hirscher grübelte, ob er sich wohl für den zweiten Lauf qualifizieren würde, aber in Woaheit, wie sie hier sagen, wussten eh alle: Wenn Hirscher nicht in eine Gletscherspalte stürzt, würde es wieder eine Hirscher-Saison werden, so wie es dann oft eine Vonn-Saison wurde, egal ob die Amerikanerin oft gewann oder nicht mehr so oft, wie zuletzt. Wo sie war, war immer Spektakel.

Ski alpin: Die Rennstrecke von Sölden am Rettenbachgletscher.

Die Rennstrecke von Sölden am Rettenbachgletscher.

(Foto: Johann Groder/AFP)

Und jetzt? Neureuther, der mit seiner Art nicht nur ein Hingucker war, sondern immer auch ein Schutzschild für den Deutschen Ski-Verband, hat seine Karriere stillgelegt; er steht am Wochenende erstmals als Experte vor der ARD-Kamera. Auch Hirscher, der zuletzt acht Mal in Serie den Gesamtweltcup gewann, hat aufgehört, wie Vonn und Aksel Lund Svindal, der Elder Statesman des Sports. Da ist die Frage natürlich mehr denn je in Sölden, was das nun für eine Saison wird - für den deutschen Verband und überhaupt.

Rebensburg schob sich am Donnerstag durch ein kleines Skigeschäft, etwas mehr als ein Dutzend Reporter war gekommen, aber das Publikum, das früher gerne den einen oder anderen Neureuther-Spruch entgegennahm, war schon etwas übersichtlicher. Rebensburgs Humor ist trockener, wenn auch durchaus schlagfertig; sie trug auch kein bauchfreies Top, sondern den offiziellen DSV-Pullover, aber sie hat sich ohnehin immer am liebsten über das Sportliche definiert. Sie kennt das auch schon seit fünf Jahren, nach Höfl-Rieschs Rückzug: dass sie mit ihren Erträgen oft bestimmen muss, ob es ein gutes Wochenende wird für die DSV-Frauen oder ein nicht so gutes. "Mein Konzept steht und funktioniert", sagte sie, nicht nur für die Nachtruhe in Sölden: Rebensburg ist ja seit Längerem mit eigenem Trainer und Servicemann im Verband eingebettet. 2018 führte sie dieser Pfad zum dritten Gewinn des Riesenslalom-Weltcups, den sie sich auch für diesen Winter ausgeguckt hat, in Are gewann sie im Februar ihre zweite WM-Medaille, Silber im Riesenslalom. Aber dass gerade alles so weiterläuft wie immer, kann man auch nicht sagen.

Rebensburg und ihr Trainer Rudi Soulard sinnierten im Sommer mal wieder darüber, wie man in einem Sport, in dem ständig alles ausgereizt zu sein scheint, die nächste Ausbaustufe freilegt. Die Antwort fanden sie diesmal im Riesenslalomtraining mit den Männern, Deutschen, Schweizern, Schweden. Da sehe man dann, wo das Limit wirklich liege, sagt Rebensburg - in einer frecheren, nicht ganz so runden Route zwischen den Toren, das sei das eine. Das andere sei die Erfahrung, die sie im vergangenen Februar bei der WM in Are hob. Da sei das Einfahren vor dem Riesenslalom, ihrer letzten Medaillenchance, "eine Katastrophe" gewesen, und wenn Rebensburg derart missmutig in ein Rennen zieht, übersetzt sich das meist nahtlos in ihr Ergebnis. Die 30-Jährige, hat ihr Cheftrainer Jürgen Graller einmal gesagt, sei keine, die sich durch ein Rennen mogelt - aber in Are, erinnerte sich Rebensburg in Sölden, "habe ich es trotzdem geschafft, das wegzudrücken". Das sei "mit der erfüllendste Moment" ihrer Karriere gewesen, die immerhin einen Olympiasieg und 17 Weltcupsiege ausweist. Ihre Saison sei bis dahin "eine Achterbahn" gewesen; Are habe sie daran erinnert, "was ich mit einer guten mentalen Verfassung erreichen kann".

Stefan Luitz kann darüber auch ein bisschen was erzählen: Der 27-Jährige war am Donnerstag bei der deutschen Presserunde der Hauptdarsteller der Männer, wobei er das nicht so mag: über sich und die anderen reden, auch das haben sie früher gerne Neureuther überlassen. Aber Luitz blickt nun einmal auf bewegte Zeiten zurück. Im vorigen Dezember gewann er den Riesenslalom in Beaver Creek, es war sein erster Weltcupsieg nach Kreuzbandriss und vielen Jahren, in denen er sein gewaltiges Potenzial nicht immer in entsprechende Resultate überführt hatte. Dann wurde bekannt, dass Luitz zwischen den Läufen künstlichen Sauerstoff inhaliert hatte - das Reglement des Ski-Weltverbands untersagt das, der DSV hatte sich aber am Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur orientiert, die den Einsatz gestattet. Luitz verlor seinen Sieg zunächst, der Internationale Sportgerichtshof schob ihn ihm im März wieder zu, da hatte Luitz sich bereits die Schulter ausgekugelt und das Innenband gerissen. "Ich glaube, mich kann so schnell nichts mehr aus der Fassung bringen", sagte er in Sölden, "ich habe jetzt hoffentlich alles miterlebt." Wobei er das vor einem Jahr auch gedacht hatte. Und nun?

Im Gesamtweltcup sind wieder andere favorisiert, Mikaela Shiffrin natürlich, die dreimalige Siegerin aus den USA, der Franzose Alexis Pinturault und der Norweger Henrik Kristoffersen. Aber im Riesenslalom, sagte Pinturault in Sölden, sei Luitz "einer der großen Favoriten", ganz klar. Im DSV hören sie das nicht so gerne, Christian Schwaiger, der neue Cheftrainer der Männer, wünscht sich erst einmal, "dass Stefan eine ganze Saison verletzungsfrei bleibt". Und Luitz findet: "Dadurch, dass der Marcel weg ist, könnte es für uns und die Zuschauer ein bisschen eine interessantere Saison geben." Aber mindestens ein Rennen würde er natürlich schon gerne gewinnen, die Freude über seinen Premierensieg sei ihm durch das juristische Tauziehen ja "ein bisschen genommen" worden.

Mag sein, dass sie im DSV ohne den erfolgreichsten Alpinen ihrer Geschichte in die Zukunft ziehen. Aber sie bieten halt immer noch zwei der besten Riesenslalomfahrer der Welt auf, dazu die hochbegabte Kira Weidle, 23, im Speed-Ressort, bei den Männern mittlerweile sogar zwei Kitzbühel-Sieger: Thomas Dreßen, 25, und Josef Ferstl, 30, die nach Kreuzbandriss und Handverletzung aber mit etwas Lernrückstand in den Winter starten. Das alles spricht jedenfalls nicht gegen künftigen Weißbier-Konsum. Und das schmeckt nach einem Sieg ja ohnehin besser.

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