Slalom-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen:Der Gudiberg ist wie ein guter Freund

Slalom-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen: Verwegener Stil: Christian Neureuther errang viele schöne Erfolge - bei der Heim-WM 1978 wurde er aber nur Sechster.

Verwegener Stil: Christian Neureuther errang viele schöne Erfolge - bei der Heim-WM 1978 wurde er aber nur Sechster.

(Foto: Sven Simon/imago)

Erstmals nach zehn Jahren finden am Gudiberg in Garmisch-Partenkirchen Slalomrennen statt. Für Christian Neureuther ist der Hang immer noch einer der Klassiker des alpinen Skirennsports.

Von Gerald Kleffmann

Christian Neureuther erinnert sich bestens an die Siebzigerjahre und die wilden Rennen auf diesem speziellen Berg. "Da wurde das Starthaus an die steilste Stelle des Hanges gebaut", erzählt er. Wenn sich die Fahrer von der Holzrampe abgestoßen hatten, "bist du in die Luft katapultiert worden, und wenn du zu forsch warst, bist du am ersten Tor vorbeigesprungen".

So war das, am Gudiberg, jenem Hang, über den die Neureuthers ein Buch schreiben könnten. Man könnte gar sagen: Ohne den Gudiberg würde es die berühmteste deutsche Ski-Familie so nicht geben. Sie alle lernten hier das Fahren. Sie bestritten hier Rennen. Feierten Triumphe, erlebten Enttäuschungen. Alles an einem Hang, zu dem man vom Zentrum Garmisch-Partenkirchens zu Fuß marschieren kann. "Beim Gudiberg denke ich an einen Traditionshang, der voller Geschichten ist", sagt Christian Neureuther.

Der Gudiberg steht an diesem Wochenende nach langer Zeit wieder im öffentlichen Blickpunkt. Erstmals seit der Ski-Weltmeisterschaft 2011 findet dort ein Weltcup-Slalom statt, es sind sogar zwei, am Samstag und Sonntag. Die Gründe, warum er als Rennpiste so lange ausfiel, sind vielschichtig, man setzte nach der WM auf die schattige Speedstrecke der Kandahar am Kreuzjoch. Aber auch Spannungen zwischen dem Skiclub Garmisch, der die Weltcuprennen ausführt, und dem Skiclub Partenkirchen, der das Skistadion bei der Olympiaschanze und dem Gudiberg besitzt, spielten eine Rolle. Für Christian Neureuther, der dazu viel sagen könnte, ist das nun aber unwichtig. Er freut sich auf die kommende Veranstaltung, die auch forciert wurde, weil Garmisch die WM 2027 ausrichten möchte.

Slalom-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen: Unverkennbar der Gudiberg: Immer noch steil und schwierig präsentiert sich der Hang für Slalomfahrer an diesem Wochenende.

Unverkennbar der Gudiberg: Immer noch steil und schwierig präsentiert sich der Hang für Slalomfahrer an diesem Wochenende.

(Foto: OK Garmisch/oh)

Für Neureuther ist der Hang am Gudiberg immer noch ein Klassiker. "Er prägt sich ins Gedächtnis jedes Rennläufers ein, der da mal runtergefahren ist", sagt er. "Es gibt nur wenige Slalomhänge, die eine solche Kultur in sich tragen." Die großen drei Hänge sind für ihn: der Ganslernhang in Kitzbühel. Wengen. Und der Gudiberg. "Sie haben über Jahrzehnte ihre Faszination beibehalten."

1936, bei den Olympischen Spielen, war die Geburtsstunde des Gudiberges, in dem sich nicht nur das Leben der Neureuthers spiegelt, sondern auch Skisporthistorie. Christl Cranz und Franz Pfnür errangen Gold. Als zwei Jahrzehnte später Rennen gefahren wurden, stand schon ein Neureuther im Zielraum. Christians Vater war Arzt und bei der Bergwacht aktiv. Der schleppte Christian zum Gudiberg. Genau so, wie dann Felix dorthin geschleppt wurde, der Sohn von Christian Neureuther und Rosi Mittermaier, der zweimaligen Goldmedaillengewinnerin von 1976. Und inzwischen gibt es Enkelkinder, die den Gudiberg kennen.

"Als Sechsjähriger durftest du dann den Gudiberg von oben fahren"

Bei den Rennen jetzt wird Eventcharakter herrschen, die ARD überträgt, mit Felix als Experten, endlich sind wieder Zuschauer erlaubt. So ist das nun, es ist gut so, aber wenn Christian an früher denkt, wird er wehmütig. "Das war eine so heile, fröhliche Welt für den Skisport. Es herrschte Aufbruchstimmung nach dem Krieg. Die Leute entdeckten das Skifahren", erzählt er. Bis in die Siebzigerjahre zog sich dieses Gefühl, "und jeder Skifahrer verfolgte fasziniert, welche neuen Schwünge sich technisch entwickelten".

Der Beginn der Erfolgsgeschichte des Gudibergs war unprätentiös. "Da war vorher alles ganz ursprünglich, man hat nur ein paar Bäume rausgetan", sagt Neureuther. "Wir mussten den Hang noch selbst eintreten und zu Fuß hochgehen." Wobei die Vierjährigen nur im flachen Endstück kurvten. "Als Sechsjähriger durftest du dann den Gudiberg von oben fahren", sagt Neureuther, und man spürt durchs Telefon: Der sechsjährige Neureuther muss stolz gewesen sein.

Wie ein guter Freund war der Gudiberg zu den Neureuthers, mit dem sie durch Dick und Dünn gingen. Die Rosi ist natürlich hinuntergebrettert, wenn auch ohne Sieg. 1974 aber: Erstmals ein Weltcup-Slalom der Männer am Gudiberg - es gewinnt Christian. Vor dem berühmten Gustav Thöni und dem Deutschen Hansjörg Schlager. "Hansjörg kam aus dem Schwarzwald, wo der Skisport in Deutschland mit begründet wurde", sagt Neureuther, "das war ein tolles Gefühl, mit ihm auf dem Podest zu stehen." Erlöst fühlte sich Neureuther auch, Druck hatte er schon verspürt. Wie auch 1978, bei der Heim-WM. Sechster wurde er dann. Felix erlebte Jahre später ähnlich gegensätzliche Gefühle. 2010 siegte er triumphal vor seinen Eltern, am Gudiberg. 2011 bei der Heim-WM: ausgeschieden im zweiten Durchgang.

Böse waren die Neureuthers dem Gudiberg nie. Sie wussten ja, wie er war. "Das war ein Hang, den man mit Köpfchen fahren musste", schwärmt Christian Neureuther. "Er hatte viele Kuppen, früher noch mehr als heute. Jeder Schwung war anders. Mal hing der Hang nach rechts, mal nach links. Umso wichtiger war es, die Übergänge zu erwischen." Fuhr man volles Risiko, "warst du sicher draußen". Irgendwann war der Hang für die modernen Slalom-Tänzer zu kurz. Er wurde nach oben hin verlängert. Einige Stellen wurden planiert, "das hat dem Hang etwas von seiner Schwierigkeit genommen", findet Neureuther, "aber er ist deshalb nicht leicht".

Der legendäre Heinz Krecek lässt Christian Neureuther dann nicht mehr fahren

Der Gudiberg begleitete ihn nur etwas launisch bis zum Karriereende. 1979 fädelte Christian Neureuther ein, erlitt einen Syndesmoseriss. 1980 beschloss er seine Laufbahn, doch kam 1981 auf skurrile Weise zu einer Abschiedsteilnahme. Am Tag vor dem Rennen ein Anruf: Er dürfe mitfahren! "Ich schwöre: Ich bin nur einmal vorher Slalom gefahren", sagt er. Und das auf seinen alten, längst verstauten Skiern. Im ersten Durchgang dann: Bestzeit! Am Ende wurde er Sechster. Danach ließ ihn der legendäre DSV-Funktionär Heinz Krecek nicht mehr fürs deutsche Team starten, weil Neureuther einen Sponsor hatte, der nicht zum DSV-Sponsorenpool gehörte. "Das war mein Karriereende", sagt Neureuther und lacht laut. "Aber ich bekam mein letztes Rennen."

Noch heute ist der Gudiberg ein reiner Trainingshang für die Talente der örtlichen Skiklubs und Athleten des DSV. Und kein Hang für Publikumsverkehr. Aber an zwei Abenden in der Woche findet ein öffentliches Flutlichtskifahren statt. "Das ist wunderschön, wenn man oben steht und unten die Lichter sieht", sagt Christian Neureuther - und hält inne: "Ich wünsche dem Gudiberg, dass er jedes Jahr einen Slalom bekommt, nicht nur für die Männer, auch für die Frauen." Eine Enkelin hat er ja auch.

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