Skifahrer Romed Baumann:Der zuletzt lacht

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"Was jetzt noch kommt, ist ein Bonus": Romed Baumann eröffnet den neuen Winter mit Platz sechs in der Abfahrt von Lake Louise. (Foto: Frank Gunn/dpa)

Skirennfahrer Romed Baumann zieht nach seiner WM-Silbermedaille von Cortina selbstbewusst in den Olympia-Winter. Das macht den Deutschen auch für die großen Favoriten gefährlich.

Von Johannes Knuth

Wer gerade so prächtig in seinem zweiten Frühling vor sich hin blüht wie der Skirennläufer Romed Baumann, der darf auch schon mal an seinen dritten Frühling denken. Als Baumann vor Kurzem darauf angesprochen wurde, dass die Olympischen Winterspiele im Februar in Peking vermutlich seine letzten sein werden - vier Jahre später wäre er ja schon 39 -, da zog auf seiner Miene ein Lächeln auf. Der 35-Jährige hörte sich die Frage bis zum Ende an, geduldig wie immer, und bereitete genüsslich seinen Konter vor. Dann sagte er: "Wer weiß?"

Das spielt ja keine kleine Rolle in der Biografie des Skirennfahrers Romed Baumann vom WSV Kiefersfelden: dass er gerne mal ein klein bisschen und manchmal auch sehr arg unterschätzt wird. Das war schon in seinem ersten Skifahrerleben so, als er für Österreich knapp 300 Mal im Weltcup startete, zwei Siege errang, 2013 bei der WM in Schladming Bronze in der Kombination gewann - ehe ihm das Selbstvertrauen so sehr entglitt, dass er beinahe seine Karriere beendet hätte und die Österreicher ihn nicht nur mit feinen Grüßen zum Deutschen Skiverband entließen.

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Selbst als Baumann sich dort wieder in die Weltspitze gehievt hatte, im vergangenen Februar schließlich zu WM-Silber im Super-G raste, da bemerkte der eine oder andere in Österreich amüsiert, dass Baumann dem damaligen Weltmeister Vincent Kriechmayr schon auch die Goldmedaille hätte abnehmen müssen, wäre ihm vor dem Ziel nicht der Ski ganz kurz weggerutscht. Als habe Baumann sich im Moment seines größten Erfolgs den noch größeren verbaut, wieder einmal.

Andererseits hatte Baumann damals viel mehr gewonnen, als er verloren hatte, was seinen alten Heimatverband ja bloßstellte, so oder so. Und zweitens macht ihn das im neuen Winter, der jetzt in Lake Louise angebrochen ist, zu einem unbequemen Mitbewerber für die Konkurrenz: Baumann hatte in seiner Karriere ja schon das letzte Lachen, in Cortina. Entsprechend unbeschwert legte er jetzt auch in Kanada los.

Baumann ist die Nummer sechs der Welt in Abfahrt und Super-G. Er müsse "nicht lange überlegen, was meine Ziele sind"

In der Abfahrt, dem einzigen Rennen, das nicht dem Wetter zum Opfer fiel, war er als Sechster der Beste aus der DSV-Auswahl, trug das Tempo durch alle schweren Kurven und Gleitpassagen, ruhig, konsequent, wie immer. Ein gelungener Start in eine Saison, die ihn tatsächlich zu seiner ersten Olympiamedaille führen könnte, mit dann 36 Jahren. "Wär' natürlich ein Traum", sagte er unlängst. Und wenn es nicht klappt? "Meine Karriere war eigentlich schon so gut wie vorbei", sagte Baumann: "Alles, was jetzt noch kommt, ist ein Bonus."

Ein wenig soll ihm dabei auch die Silbermedaille aus Cortina helfen. Aber wenn man Baumann richtig versteht, dann liegt der Schlüssel, aus der Vergangenheit Kraft zu ziehen, auch darin, so sparsam wie möglich von dieser Kraftquelle zu zehren. Er habe seiner Medaille "einen Ehrenplatz" in seiner Küche gewährt, "man sieht sie aus jedem Winkel", sagte Baumann, es sei aber nicht so, dass er sie ständig bewundere (was beim Zwiebelnschneiden vermutlich auch nicht ganz ungefährlich wäre). Zu weit nach vorne dürfe man aber auch nicht blicken, sagte Baumann, und man nimmt ihm ab, dass er nicht als Erstes an die Spiele in Peking denkt, wenn er morgens in die Skiunterwäsche schlüpft. "Das Wichtigste ist, dass ich die Freude an dem beibehalte, was ich tue", sagte er, "dann kommt der Rest von allein."

Wer schneller sein will als andere, sollte sich selbst lieber nicht überholen. In der WM-Abfahrt im Februar, wenige Tage nach seinem Silbergewinn, war er im Ziel in eine Bande gerasselt, Gehirnerschütterung inklusive. Es dauerte "fast drei Monate", ehe sich der Nebel der Schwerfälligkeit lüftete; bis Baumann sich nicht mehr so fühlte, als habe er am Vorabend ein wenig zu lang in der Après-Ski-Hütte gehockt. Erst, als er sich wieder bei voller Schubkraft wähnte, fuhr er alles wieder hoch, die Umfänge im Training, den Fokus auf den neuen Winter.

"Nicht so unerfolgreich": Romed Baumann präsentiert seine WM-Silbermedaille vom Super-G in Cortina - sein bislang größter Erfolg. (Foto: Marco Tacca/AP)

Er habe nur Kleinigkeiten justiert, an der Ski-Präparation etwa, sagte er; die Winter davor waren ja "nicht so ganz unerfolgreich". Aber so sehr Baumann seine Aussagen mit Understatement würzt: Er scheut keine klaren Prognosen, wie es seine Teamkollegen manchmal tun. Er sei jetzt wieder die Nummer sechs der Welt, in Abfahrt und Super-G, da müsse er "nicht lange überlegen, was meine Ziele sind".

So hält Baumann es auch mit den Nebengeräuschen seines Gewerbes: Verstummen werden sie eh nicht, also nimmt er sie wahr, lässt sich aber nicht mehr von ihnen beeindrucken. "Ich habe schon so ziemlich alles gesehen, was man im Weltcup an Extremsituationen haben kann", sagte er. Diese Altersweisheit habe ihn schon in den vergangenen Wintern getragen. Baumann, hat Wolfgang Maier, der langjährige DSV-Sportdirektor, einmal gesagt, müsse nicht nur das Vertrauen der Trainer spüren, um schnell zu sein, er sei auch einer, an dem sich eine Mannschaft "anlehnen" könne. Baumann beschreibt das so: "Wir müssen schauen, dass wir das Maximum aus den Dingen rausholen, die wir beeinflussen können."

Alles andere - die scharfen Corona-Protokolle in Peking, stornierte Teamhotels, die Abfahrtsstrecke, die niemand kennt, weil alle Testevents ausfielen und nicht mehr nachgeholt werden? "Das kann ich sowieso nicht beeinflussen", sagte Baumann, "deswegen rege ich mich darüber gar nicht auf. Am besten ist eh, wenn man auf alle Eventualitäten die beste Antwort hat." In dieser Hinsicht ist er in jedem Fall medaillenreif. Wieder einmal.

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