Ski alpin:Plötzlich Klassenbeste

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"Maren kann einen sehr schnellen Schwung fahren": Im Deutschen Skiverband trauen sie Maren Wiesler langfristig Resultate in der Weltspitze zu. (Foto: Oliver Morin/AFP)

Weil dem DSV im Slalom die Siegfahrerinnen fehlen, steht die 22-jährige Maren Wiesler im Fokus, die in Santa Caterina glänzt.

Von Marius Buhl

Bei ARD-Ski-Übertragungen gibt es ein Ritual. Kurz bevor der zweite Lauf beginnt, läuft ein Vorspann. An dessen Ende spricht ein Athlet: "Jetzt live im Ersten." Eigentlich ist das eine Aufgabe für die Größen des alpinen Skisports, Maria Höfl-Riesch hat ihn dutzende Male gesagt, Victoria Rebensburg auch. Vor dem zweiten Lauf beim Slalom am Dienstag in Santa Caterina dürften etliche Zuschauer verwundert gewesen sein. Denn dieses Mal kam der Satz von einer jungen Skirennfahrerin, deren Gesicht bislang nur Kenner zuordnen konnten. Es war die 22 Jahre alte Maren Wiesler aus Fischen im Allgäu.

Drei Mal in Serie ausgeschieden - Wieslers Saison begann schlecht

Dass Wiesler plötzlich in den Fokus gerückt war, lag zum einen an ihrer starken Fahrt im ersten Durchgang. Zum anderen lag es auch an ihren Teamkolleginnen. Es gibt im Slalom derzeit keine, die, wie einst Höfl-Riesch, auf Podestplätze ein Abo hätte. Christina Geiger sucht ihre Konstanz, Lena Dürr die Form. So ist Wiesler plötzlich die Beste - und das, obwohl die Saison auch für sie schlecht begonnen hatte.

DNF, DNF, DNF - drei Mal leuchtete dieses Kürzel nach den ersten Weltcups der Saison hinter ihrem Namen auf: Did Not Finish, Ziel nicht erreicht. Zu riskant war sie gefahren. Das ist gefährlich, denn manchmal, wenn sich zu viele dieser Kürzel aneinanderreihen, brennen sie sich ins Gedächtnis der Athletin. "Dann ist man in einem Tal, aus dem man nur schwer herauskommt", sagt Wiesler.

Sie hat es fürs Erste aus diesem Tal geschafft. Bereits eine Woche vor dem Rennen in Santa Caterina war sie in Lienz auf Rang 17 gebraust. Eine Befreiung. Dann, in Santa Caterina, schob sie nach dem ersten Lauf auf Rang 14. Im zweiten attackierte sie - bei Rennhälfte hatte sie über eine Sekunde Vorsprung herausgefahren. Hätte sie diesen bis ins Ziel gehalten, hätte sie sich unter den ersten Fünf eingeordnet. Doch Wiesler wusste ja um die Gefahren ihres riskanten Stils: Sie drosselte die Geschwindigkeit und wurde Elfte - ihr bislang bestes Weltcup-Ergebnis.

Dass Wiesler die Befähigung für derartige Resultate mitbringt, weiß Markus Anwander, Cheftrainer der deutschen Frauen, seit längerem. "Maren kann einen sehr schnellen Schwung fahren." Sprich: Wiesler wartet vor dem Tor lange, bis sie zur Kurve ansetzt, dann kantet sie den Ski extrem kurz ins Eis und gibt ihn wieder frei. Das erzeugt Speed, ist aber riskant. "Für diese Art des Fahrens braucht es Selbstvertrauen", sagt Anwander.

Woher dieses plötzlich kam? "Vielleicht war die Ruhe an Weihnachten der Grund", sagt Wiesler. An Weihnachten, kurz nach den frustrierenden ersten Ergebnissen also, war sie nach Hause gefahren, in den Schwarzwald. Dort, im Münstertal, wuchs Wiesler auf und lernte das Skifahren. Als sie 16 wurde, wechselte sie jedoch das Bundesland. Fortan trainierte sie auf dem Ski-Internat in Oberstdorf. Auch nach der Schule blieb Wiesler in Bayern, sie zog nach Fischen. "Ich bin hier näher bei den Teamkolleginnen und näher beim Schnee", sagt sie. "Das macht das Training effektiv." So effektiv, wie das im deutschen Team derzeit eben möglich ist. Denn die momentane Situation widerspricht dem Konzept, das sie vor der Saison ausgearbeitet hatten: Ähnlich dem norwegischen Modell - dort trainieren die Jungen seit Jahren mit Großmeistern wie Aksel Lund Svindal - sollte sich Wiesler an den erfolgreichen, älteren Fahrerinnen orientieren. Die gibt es im Slalom derzeit aber nicht. "Früher hatten wir Maria Riesch, hinter der sich die Jungen verstecken konnten", sagt Anwander. "Heute stehen Mädels wie Maren voll im Wind."

Wiesler arbeitet seit längerem mit einer Mentaltrainerin zusammen

Ein Problem vor allem dann, wenn die Erfolge ausbleiben. Um dann vorbereitet zu sein, empfahl der DSV seinen Slalomfahrerinnen unlängst einen Mentaltrainer. Ob sie mit diesem oder einem anderen arbeiten, steht ihnen frei. "Nicht jeder vertraut sich demselben Coach an. Das ist ein sensibles Thema", sagt Anwander. Dass das psychische Training bislang vernachlässigt wurde, gibt er aber zu. "Wir müssen da zukünftig mehr tun".

Wiesler arbeitet jedenfalls seit längerem mit einer Mentaltrainerin. Nach ihrem Leistungsloch zu Beginn der Saison empfahl die ihr, sie solle sich an das gute Gefühl der vergangenen Saison erinnern. Damals wurde Wiesler überraschend Zwölfte bei der WM in Vail. Seit Dienstag kann sie nun ein neues Gefühl abrufen: das Santa-Caterina-Gefühl. Dass das wirkt, zeigte der Mittwoch. Da wurde sie Zweite im Europacup-Slalom, der zweiten Liga des Skisports. Ein Ziel auch für den Weltcup? Nicht unmittelbar, sagt Anwander. Aber grundsätzlich, glaubt er, habe Wiesler das drauf.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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