Gesamtwelcupsiegerin Petra Vlhova:Mehr Mensch, weniger Maschine

Gesamtwelcupsiegerin Petra Vlhova: Volle Kraft im Stangenwald: Petra Vlhova drückt die Kanten oft kompromisslos und ungeduldig ins Eis - ihr neuer Trainer möchte, dass sie "mit Stolz und einem großen Lächeln" fährt.

Volle Kraft im Stangenwald: Petra Vlhova drückt die Kanten oft kompromisslos und ungeduldig ins Eis - ihr neuer Trainer möchte, dass sie "mit Stolz und einem großen Lächeln" fährt.

(Foto: Gabriele Facciotti/AP)

Petra Vlhova gewann als erste Slowakin den Gesamtweltcup. Doch die Methoden ihres Trainers machten ihr zu schaffen und mündeten in einen Eklat. Sie trennte sich von ihm - und setzt nun auf eine andere Philosophie.

Von Johannes Knuth

Für einen Moment wirkte alles wie immer, dann überlegte es sich die Skirennfahrerin Petra Vlhova offenbar doch noch mal anders. Sie huschte nicht gleich aus dem Zielraum, wie sie es früher oft getan hatte, sondern winkte kurz und nahm so die Parade der slowakischen Fans ab. Die zelebrierten im Zielraum von Sölden, beim Saisonauftakt vor drei Wochen, dass ihre Fahrerin gerade die Führung im zweiten Riesenslalom-Lauf an sich genommen hatte. Und auch wenn die Amerikanerin Mikaela Shiffrin und die Schweizerin Lara Gut-Behrami am Ende deutlich schneller waren: Das konnte das Gemüt der besten Alpinen des vergangenen Winters auch nicht zerkratzen. "In den nächsten Rennen kann es schon wieder ganz anders aussehen", sagte die 26-Jährige später, als sei das keine Mutmaßung, sondern so sicher wie das Flackern der Nordlichter am Polarkreis.

Die neue Saison der alpinen Skiprofis nimmt gerade allmählich an Fahrt auf, die Frauen fahren am Wochenende zwei Slaloms in Levi, wo die Polarlichter-Dichte traditionell sehr hoch ist. Die Blicke ruhen dann wieder auf Shiffrin, der zuletzt allerdings ein wenig der Rücken schmerzte, sie ruhen auf den Schweizerinnen und Österreicherinnen, sie liegen aber auch mehr denn je auf Petra Vlhova. Gesamtsiegerinnen rücken immer stärker ins Licht, nach oben kommen ist ja das Eine, sich oben zu halten eine ganz neue Schwierigkeitsstufe. Und dann hatte Vlhova im vergangenen Frühjahr, im Moment ihres bislang größten Triumphs, noch einiges umgekrempelt in ihrem Skifahrerleben, wenn auch nicht ganz freiwillig.

"Es war, als hätte er mich umgebracht", sagte Vlhova über ihren alten Trainer

Vlhovas Aufstieg war eng mit Livio Magoni verknüpft, der Italiener hatte vor fünf Jahren die Leitung jenes Privatteams übernommen, das Vlhova seit Beginn ihrer Karriere unterhält. Magonis Philosophie traf damals auf eine lernwillige Schülerin: Schwünge, Schwünge, Schwünge, jede Minute im Dienst des Sports, jedes Rennen fahren, ja, wirklich: jedes. Das war erfolgreich, Vlhova schaffte lauter Premieren, erster WM-Titel eines slowakischen Alpinen (2019 im Riesenslalom), erster Disziplinen-Sieg im Weltcup (2020 im Slalom), der Gesamtsieg im vorigen Winter natürlich. Die slowakische Politik organisierte dem Tross der Athletin damals sogar Flüge mit der Regierungsmaschine, später selbstredend einen Empfang bei der Staatspräsidentin. Aber Vlhova spürte schon damals, dass ihr ein Schicksal drohte wie einst der Slowenin Tina Maze. Die war nach ihrem Gesamtsieg unter Magonis Regie fast in den Burnout geschlittert.

Die Zusammenarbeit endete dann schneller als gedacht. Anlass war ein Interview, das Magoni dem Corriere della Sera gab, als Vlhovas Team den Siegerschampus noch nicht richtig geleert hatte. Verglichen mit manchen Konkurrentinnen, spöttelte Magoni, fahre Vlhova so elegant wie ein Bügeleisen. Überhaupt sei es sehr anstrengend, mit ihrer Familie zu arbeiten. Magoni beteuerte später, der Journalist habe ihn falsch übersetzt (was der Reporter streng zurückwies). Vlhova überzeugte das jedenfalls wenig. Sie dankte Magoni aufrichtig und überreichte ihm dann die Kündigung. Vor Kurzem sagte sie der Neuen Zürcher Zeitung: "Es war, als hätte er mich umgebracht. Er hat alles zerstört."

Gesamtwelcupsiegerin Petra Vlhova: Ein eher seltener Anblick in der Öffentlichkeit: Eine lächelnde Petra Vlhova, hier mit ihrer Bronzemedaille nach dem WM-Slalom 2019.

Ein eher seltener Anblick in der Öffentlichkeit: Eine lächelnde Petra Vlhova, hier mit ihrer Bronzemedaille nach dem WM-Slalom 2019.

(Foto: Giovanni Auletta/AP)

Kurz darauf verpflichtete sie einen Nachfolger mit interessanter Vita: Der Tessiner Mauro Pini hatte schon Mazes Privatteam übernommen, nachdem diese sich von Magoni getrennt hatte (Maze gewann kurz darauf zwei Olympiatitel). Pini brachte neue Betreuer mit, er legt mehr Wert auf Qualität statt Umfang, lieber zehn gute Läufe im Training als 15 mittelgute. Der größte Unterschied aber sei Pinis Ansprache, sagte Vlhova nach dem Rennen in Sölden. Unter Magoni habe sie oft nur Anordnungen ausgeführt, wie eine Maschine, und wenig Gehör gefunden. Pini fordere ihre Meinung ein, auf Augenhöhe. Und: "Er legt viel Wert darauf, dass ich mit Stolz und einem großen Lächeln fahre", statt so ernst zu schauen, als trage sie das Gewicht der Alpinwelt auf den Schultern. Man könne es wohl so bündeln, sagte Vlhova am Donnerstag in einer Medienrunde: "Ich fühle mich glücklicher."

Petra Vlhova wäre nicht die erste Skirennfahrerin, die etwas weniger fährt und dafür am Ende länger lächelt. Nach Sölden setzte sie sofort nach Levi über, trainierte Slalom und Riesenslalom, nahm auch in Kauf, dass die Konkurrenz in Lech/Zürs ein paar Punkte im Parallelrennen sammelte. Auf der Abfahrt und im Super-G wird man sie in diesem Jahr auch seltener sehen, Vlhova will lieber beim Jahreshöhepunkt in Peking fit sein, fitter als zuletzt bei der WM in Cortina. Sollte Vlhova tatsächlich als erste Slowakin einen Olympiasieg holen, dürfte das dem Stolz und Lächeln auch nicht gerade abträglich sein.

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