Ski Alpin:Ohrfeige an Tor drei

Felix Neureuther scheidet beim Weltcupslalom in Alta Badia früh aus und hadert mit sich selbst - die ehemals personifizierte Zuverlässigkeit ist unsicher geworden.

Wolfgang Gärner

Einzufädeln im Slalom, eine Torstange zwischen die Ski zu bekommen - das ist allen schon mal passiert, dem Kroaten Ivica Kostelic, der am Montag das Weltcuprennen von Alta Badia gewann (nachdem er tags zuvor im Riesenslalom nur den Schweizer Albrecht vorbei ließ), auch dem Franzosen Grange, der Zweiter wurde, sowie dem drittplatzierten Tiroler Benjamin Raich. Alles kein Trost für Felix Neureuther, der auch im zweiten Slalom der Saison ausschied.

Ski Alpin: Felix Neureuther nach seinem Ausscheiden in Alta Badia: "Es ist schwer in Worte zu fassen"

Felix Neureuther nach seinem Ausscheiden in Alta Badia: "Es ist schwer in Worte zu fassen"

(Foto: Foto: dpa)

"Es ist schwer in Worte zu fassen", sagte der Partenkirchener, in den vergangenen zwei Wintern die personifizierte Zuverlässigkeit mit elf Platzierungen hintereinander und nun in genau die gegenteilige Situation gefallen, ziemlich orientierungslos, stark verunsichert.

Im Riesenslalom auf dem Hang Gran Risa war er ausgeschieden nach einer Vorstellung, "für die er eine Ohrfeige verdient und auch akzeptiert hätte", wie es Alpindirektor Wolfgang Maier feinsinnig umschrieb. Am Montag hingegen bekundete er Mitgefühl. Neureuther war nicht der einzige aus der Slalomelite, der den ersten Durchgang nicht überstand, das selbe Schicksal traf die Österreicher Herbst und Matt und den Slowenen Vajdic. Aber der Deutsche fuhr extra kurz, und ihm schwant, dass er damit seine Zugehörigkeit zur Gruppe der ersten sieben wohl verspielt hat. "Ein Einfädler kann passieren, aber nicht am dritten Tor, fertig", meinte fassungslos der Gescheiterte.

"Da muss Felix jetzt durch"

Der Saisonplan stellt alle Slalomspezialisten vor das gleiche Problem: Zu Beginn der Saison muss man ihre Rennen mit der Lupe suchen, dann nehmen sie überhand. "Man bereitet sich fünf Wochen auf den zweiten Slalom vor, nachdem man im ersten ausgefallen ist, und dann passiert so was", sagt Neureuther.

Nach dem Aus steht er lange am Hang, allein: "Ich habe dort oben mit keinem Trainer gesprochen, wollte nicht. Was sollten die mir auch sagen - dass man am dritten Tor nicht ausscheidet?" Anschließend, im Ziel, schweigen sich der Alpindirektor und sein einziger Weltklassefahrer lange an, dann geht es aber wieder, und Neureuther stützt sich auf die Schulter des Chefs.

"Da muss Felix jetzt durch", sagt Maier, "das ist die Schule des Lebens - die ist zwar gesamtheitlich bitter, aber lehrreich. Jetzt wird er gleich mal sehen, wie sich die Zahl der Freunde reduziert. Das macht nichts, denn er ist trotzdem ein guter Skifahrer." Nur hat er Probleme, das im Rennen zu beweisen: "Momentan ist die Seuche da", umschreibt Neureuther seine Befindlichkeit. Alles, was so nützlich zu sein schien für den Aufbau nach dem Scheitern im Auftaktrennen von Levi, hat letztlich doch nicht gegriffen: üben, Rennen unterer Kategorien bestreiten.

Ohrfeige an Tor drei

"Wenn man die gewinnt, holt man sich die Sicherheit genauso", sagte er. Die Sicherheit ist erst mal weg im Weltcup, und für dutzendweise makellose Trainingsfahrten gibt es keine Gutschrift. Da muss er durch: "Ich muss ich mit mir selbst ins reine kommen - locker im Kopf werden, frei werden, mir den Spaß am Skifahren zurückholen. Das muss ich alleine machen, einen Weg finden, um aus dieser Sch...heraus zu kommen, um wieder nach vorne schauen zu können."

Fragezeichen auf dem Helm

Vor einem Jahr war er in Alta Badia Zweiter hinter Jean-Baptiste Grange, hatte sich dementsprechend viel vorgenommen, meinte, er habe auch Grund dazu: An seiner Skitechnik sei nichts auszusetzen, schwören die Coaches, "im Training funktioniert alles", versichert er selbst. "Das ist das Bittere: zu wissen, wie schnell man sein kann und das nicht umzusetzen."

Rasche Änderung tut not, wenn er für die WM in Val d'Isère gerüstet sein will: Im Januar stehen gleich sechs Slaloms auf dem Plan, "da muss ich angreifen". Aber wie sich für diesen Angriff rüsten, wie aus dem mentalen Loch herauskommen, in dem er zurzeit steckt? Noch mehr Skifahren oder gar nicht? Für den 24-Jährigen ist das keine Frage: gar nicht Skifahren, erst mal. "Weihnachten mit der Familie kommt zum richtigen Zeitpunkt, um den ganzen Mist abzuhaken. Bis 26. Dezember werde ich keine Ski mehr anrühren, bis zur Anreise zum nächsten Lehrgang."

Wenn es eine Psychologie des alpinen Skirennsports gibt, dann heißt die: Geduld haben, Ruhe bewahren. Wolfgang Maier hat ein aktuelles Beispiel dafür: "Stefan Kogler brauchte 26 Weltcuprennen, bis er sich in Levi endlich mal platzierte - jetzt steht er im nächsten Rennen schon wieder im Finale." Als der 27-jährige Schlierseer am Montag auf Platz 18 fuhr, bot er sich möglichen Kopfsponsoren vermittels eines Fragezeichens auf dem Helm an. Das Gleiche tat vor sechs Jahren ein gewisser Bode Miller; er gewann. Am Montag schied er im ersten Durchgang aus - das ist allen schon passiert.

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