Ski alpin:Mittelfeld statt Königsklasse

Ski alpin: Einer, mit dem sich die Mitarbeiter gerne unterhalten - und der gerne auf Menschen zugeht: Der neue DSV-Cheftrainer Andreas Puelacher hat viel Arbeit vor sich.

Einer, mit dem sich die Mitarbeiter gerne unterhalten - und der gerne auf Menschen zugeht: Der neue DSV-Cheftrainer Andreas Puelacher hat viel Arbeit vor sich.

(Foto: Patrick Steiner/Gepa/Imago)

Andreas Puelacher gab seinen Posten beim großen Österreichischen Skiverband auf, um neue Herausforderungen zu suchen. Davon erwarten ihn bei den deutschen Skirennfahrerinnen genug.

Von Johannes Knuth

Wenn der Skitrainer Andreas Puelacher in den Rückspiegel schaut, auf die vergangenen Jahre, die er als Chefcoach der österreichischen Skirennfahrer verbrachte, sieht er noch einmal: "ein Schlaraffenland". Finanziell hält kaum einer mit der Alpinmacht in diesem kleinen Land der Berge mit, und die Athleten erst - "wie der FC Bayern, Real Madrid und FC Barcelona in einem", findet Wolfgang Maier, der Sportvorstand im Deutschen Skiverband (DSV). Weshalb zieht es da einen wie den Tiroler Puelacher zum DSV, beileibe kein Ski-Zwerg, aber auch kein Habitat, in dem Milch und Honig die Berghänge hinunterfließen?

Nun, Überfluss kann auch träge machen. Viel Geld und Potenz heißt in jedem Fall, dass viele Leute reinreden, potente Menschen und die, die sich dafür halten. Beim DSV sind die Wege kürzer, die Mittel bescheidener, die Erfolgschancen kleiner; vor allem in der Frauensparte, die Puelacher von seinem Landsmann Jürgen Graller übernommen hat. Dafür hat ein Chef viel Spielraum, etwas zu bewegen, wenn er es geschickt anstellt, auf seine Weise. Puelacher findet: "Das macht es interessant."

So ist diese Personalie auch wieder einmal eine Fallstudie darüber, wie ein Mitteklassestandort sich in diesem sehr speziellen Gewerbe zu behaupten versucht. Ein wenig erinnert Puelachers Geschichte dabei an die von Mathias Berthold. Auch der hatte Jahre als Cheftrainer der ÖSV-Männer hinter sich, ehe er 2014 zum DSV umzog (Puelacher übernahm Bertholds Job und hatte ihn bis zuletzt inne). Auch Berthold wollte einst, wie Puelacher wieder mehr "mit Leuten arbeiten", vor allem mit den Athleten am Hang. Manche schauten Berthold damals schief an, als er proklamierte, er wolle insbesondere die schwächelnden deutschen Abfahrer für die Weltspitze befähigen. Und dann: nun ja.

Ski alpin: Eine der wenigen Spitzenfahrerinnen bei den DSV-Frauen: Lena Dürr fuhr im vergangenen Winter vier Mal aufs Weltcup-Podest und gewann mit dem Team Olympia-Silber.

Eine der wenigen Spitzenfahrerinnen bei den DSV-Frauen: Lena Dürr fuhr im vergangenen Winter vier Mal aufs Weltcup-Podest und gewann mit dem Team Olympia-Silber.

(Foto: Yohei Osada/Aflosport/Imago)

Puelacher hatte, das gehört zur Wahrheit, zunächst geprüft, ob sie ihm im ÖSV einen neuen Job mit mehr Praxisbezug verschaffen. Als der DSV zugleich sein Interesse hinterlegte, geschah das mehr im Scherz. Als der ÖSV seinen verdienten Mitarbeiter dann ziehen ließ, waren sie im DSV, nun ja, freudig überrascht. Was die "brutale Herausforderung" (Maier) angeht, die Puelacher gesucht hat, ist er bei den DSV-Frauen jedenfalls richtig: Seine neue Auswahl umfasst eine WM-Zweite in der Abfahrt (Kira Weidle), eine Fast-Olympiasiegerin im Slalom (Lena Dürr), die am kommenden Wochenende in Levi in die Saison aufbricht. Ansonsten: eher graues Mittelfeld statt Königsklasse. Ein bisschen wirkt es so, als wolle Carlo Ancelotti Werder Bremen zu altem Glanz führen.

Jeder Neue hat ja sein Regierungsprogramm; als Graller vor fünf Jahren zum DSV stieß, schrieb er viel Grundlagenarbeit in den Stundenplan, viel Riesenslalom-Training, aus dem einmal Sicherheit und Selbstvertrauen erwachsen sollte. Das fruchtete teils gut, teils weniger gut, vor allem bei den jüngeren Athletinnen. Am Ende gaben alle Parteien recht offen zu, dass die Auswahl eine neue Ansprache brauchte, da verhält sich der Skisport nicht anders als der Fußball.

Puelacher will, wenn man ihn richtig versteht, erst mal anbauen statt massiv umbauen; viele kleine Reize setzen, die zu etwas Größerem führen sollen. Er möchte, dass die Athletinnen breiter trainieren, damit sie sich nicht zu sehr in eine Disziplin verbeißen. Er ließ einige Athletinnen zuletzt mit den Männern üben, ein paar neue Reize fürs Training und Gemeinschaftsgefühl. Kira Weidle, die zuletzt oft ohne DSV-Kolleginnen durch die Winter zog, soll auch wieder mehr Gesellschaft erhalten, zunächst in der Kanadierin Roni Remme, die sich im Sommer dem DSV anschloss.

Der beste Trainer, findet der neue Chefcoach, ist der Athlet selbst

Die größte Herausforderung, findet Sportvorstand Maier, liege allerdings darin, die Trainer zu einen, die die Athleten in den jeweiligen Disziplinen Tag für Tag betreuen, wie Abteilungsleiter in einem Unternehmen. Puelacher soll die Last der öffentlichen Erwartungen von ihnen fernhalten; die Mitarbeiter daran erinnern, die nicht gerade üppig besetzte Nachwuchsriege in die Spitze zu führen, Schritt für Schritt. Manch jüngere Trainer, findet Maier, machten auch "manche Dinge von der Methodik her anders, wobei es ihnen guttun würde, wenn sie sich ein bisschen zurückbewegen würden", hin zu altbewährten Konzepten. Auch da verfüge Puelacher über einen tiefen Teich an Wissen, einerseits. Zum anderen wisse der 58-Jährige genau, wie er mit unterschiedlichen Charakteren so sprechen müsse, dass diese ihre Talente in den Dienst einer Sache stellen. Ein Trainer auch für die Trainer, wenn man so will.

An Arbeitsnachweisen mangelt es in der Hinsicht nicht. Puelacher betreute einst die Skifahrerinnen in Liechtenstein, die Technik-Auswahl der Schweizerinnen, auch die aufstrebende Tina Weirather. Er kann einer Athletin schon sehr klar sagen, weshalb man einen Rechtsschwung genau so fahren sollte, letztlich, so bündelt Puelacher selbst seine Lehre, serviere er aber nur Vorschläge. "Der beste Trainer muss der Athlet sein", findet er - der müsse nicht nur seinem Ski diesem oder jenen Kantenschliff verpassen, sondern auch verstehen, weshalb er das tut. Nur so könne der Erfolg dauerhaft Wurzeln schlagen.

Auch in Sachen Krisenmoderation gab er zuletzt eine erste Kostprobe. Im Gegensatz zum ÖSV müsse er vor den Weltcups nicht stundenlang darüber brüten, welche Sportler er für welches Rennen nominiere - "die Athleten stellen sich jetzt selber auf", sagte Puelacher, halb im Scherz, halb im Ernst, "das macht es einfacher." Er sei aber "überzeugt, dass wir am Ende der Saison schon deutlich besser dastehen werden, wenn sich die Teams so weiterentwickeln wie bisher." Es muss ja nicht gleich das Schlaraffenland sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: