Süddeutsche Zeitung

Skifahrerin Lara Gut-Behrami:Mit Leichtigkeit durch komischen Schnee

Kurz vor der WM ist die Schweizerin Lara Gut-Behrami zurück an der Spitze des Skirennfahrens - dank alter Lockerheit und einer neuen Ruhe, nicht nur auf den Skiern.

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen

Skifahren als ein Spiegelbild der Seele? Die Skirennläuferin Lara Gut-Behrami sieht es eher so: "Für mich bedeutet Skifahren Freiheit", sagt sie, als sie am Wochenende im Zielraum der Kandahar-Piste steht: "Ich komme wieder zur Ruhe, wenn ich auf Skiern stehe." Ein, zwei Minuten wie in Trance. Fernab allen Trubels.

Vor einer Woche erst, da waren die Emotionen wieder angeschwollen. Gut-Behrami hatte gesagt, die Piste beim Weltcup in Crans-Montana sei in einer "widerlichen" Verfassung gewesen; die Ausrichter im Wallis fühlten sich so sehr gekränkt, dass sie darüber sinnierten, die Rennen abzusagen. Die 29-Jährige sah aber nicht ein, ihre Aussagen zu relativieren, "wenn man mich fragt, sage ich die Wahrheit", befand sie. Es ging noch ein wenig hin und her, am Ende wurde dann doch gefahren. Gut-Behrami wurde Zweite in der Abfahrt, im Super-G gewann sie.

Am Samstag, beim Super-G in Garmisch-Partenkirchen, war der Kurs erneut herausfordernd, der Schnee schwer und nass nach dem Regen der vergangenen Tage. "Komisch" zu fahren, urteilte Gut-Behrami, aber diesmal hätten die Pistenarbeiter "einen wirklich großartigen Job gemacht". Und wenn ihr Selbstvertrauen, wie derzeit, bis zum Bersten gefüllt sei wie ein Alpenbach mit schmelzendem Schneewasser, "dann kann ich pushen, auch wenn ich einen ganz anderen Plan für das Rennen hatte".

Am Samstag legte sie allein sieben Zehntelsekunden zwischen sich und die zweitplatzierte Norwegerin Kajsa Vickhoff Lie (Kira Weidle wurde 23., Anna Schillinger 42.; der Super-G am Sonntag wurde wegen Nebels auf Montag verschoben). Mit Leichtigkeit sogar durch komischen Schnee zu pflügen: "Daran", sagte Gut-Behrami, "habe ich sehr hart gearbeitet in den letzten Monaten und Jahren."

Sogar der Gesamtweltcup ist wieder ein Thema

Gut-Behrami, man muss sich das immer wieder in Erinnerung holen, ist als 16-Jährige in den Weltcup geprescht, die skibegeisterten Schweizer beäugen seither jedes ihrer Rennen, fast jede Regung. Der jungen Athletin war das, milde gesagt, nicht immer recht, und sie sagte das auch, wenn man sie fragte, was oft zu noch mehr Trubel und Missverständnissen führte. 2016, nach vielen Auf und Abs, gewann sie den Gesamtweltcup, ein Jahr später, bei der Heim-WM in St. Moritz, riss das Kreuzband.

Es folgten zwei Jahre ohne Sieg im Weltcup, 2018 die Heirat mit dem einstigen Hamburger Fußballprofi Valon Behrami. Seit diesem Winter reiht sich Gut-Behrami wieder regelmäßig in die Spitze ein, im Weltcup gewann sie die drei vergangenen Super-Gs, sie wurde auch Zweite in der Abfahrt und im Riesenslalom. Sogar die Gesamtwertung ist wieder ein Thema, dort ist sie bis auf 62 Punkte an die Slowakin Petra Vlhova herangerückt.

Es hat jedenfalls nicht den Anschein, als könne das alles die Schweizerin aus ihrer neuen Ruhe werfen. Meistens zumindest.

Sie versuche mittlerweile, "Frieden zu finden", hat Gut-Behrami neulich der Neuen Zürcher Zeitung gesagt. Sie wolle "nicht immer an die Schwierigkeiten von früher denken", das Einzige, was sie mit ihrem früheren Selbst verbinde, sei der Ehrgeiz, Rennen zu gewinnen. Sie nahm es sogar hin, dass ihr Vater Pauli, der seit 13 Jahren das Privatteam der Tochter lenkt, nicht mehr vom Schweizer Verband bezahlt wird; Gut-Behrami war zuletzt ja von einigen Teamkolleginnen überflügelt worden, Michelle Gisin, Corinne Suter, Wendy Holdener. Vor einem Jahr hatte sie vom Verband noch öffentlich mehr Hilfe gefordert, zuletzt beteuerte sie, dass sie sich nur noch aufs Skifahren konzentrieren wolle.

Wie findet man da zurück zur Leichtigkeit? Mit Schwerarbeit, sagte Gut-Behrami in Garmisch-Partenkirchen: "Die Tage, in denen keiner an dich glaubt und du trotzdem nach Verbesserungen suchst, führen dich wieder zu besseren Tagen." Sie trennte sich nach zwölf Jahren von ihrem alten Konditionstrainer und lotste in Alejo Hervas einen neuen zum Verband, der auch die Kunst der Pause beherrsche, wie die Athletin findet: "Seitdem habe ich nicht mehr das Gefühl, dass mein Körper am Ende meiner Karriere völlig ausgelaugt sein wird." Sie arbeitete auch an ihrem Schwung im Riesenslalom, der alpinen Basisdisziplin: Der Schlüssel fürs schnelle Geradeausfahren liegt ja auch in den Speed-Rennen darin, schnell durch die Kurven zu kommen.

"Ich fühle mich gerade ganz anders"

Der Super-G am Samstag zeigte dann wieder mal, was ein aufgefrischtes Selbstvertrauen anrichten kann, gepaart mit Gut-Behramis Fahrstil. Im Riesenslalom kommen ihr die engeren Torabstände nicht immer entgegen, in der Abfahrt ist sie mit 1,60 Metern Körpergröße gegenüber größeren Athletinnen benachteiligt. Aber der Super-G, das Hybrid aus Kurven und Speed, der viel Instinkt und Mut verlangt, kam ihrer energischen Neigetechnik schon immer entgegen.

Die Erwartungen schwellen da jetzt natürlich wieder an, kurz vor der WM in Cortina d'Ampezzo (ab 8. Februar). Gut-Behrami hat mittlerweile sechs Medaillen bei Weltmeisterschaften und Winterspielen erstanden, aber noch keine goldene, so sehen das zumindest manche in der Heimat. Sie selbst? "Ich fühle mich gerade ganz anders", sagte sie in Garmisch. Früher habe sie vor Großevents viel Druck verspürt, weil sie dachte, "dass ich etwas beweisen musste". Diese Zeit sei vorbei. Vermutlich auch, weil Gut-Behrami sich nach einer langen, funkelnden Karriere allmählich von den Gesetzmäßigkeiten ihrer Branche löst. "Ich habe", findet sie, "nichts mehr zu verlieren."

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