Ski alpin:Kur vor dem Urlaub

Ski alpin: Weltcup

Angriffslustig im Schneetreiben: Viktoria Rebensburg, 29, auf dem Weg zum zweiten Platz im Riesenslalom von Courchevel.

(Foto: Marco Tacca/dpa)

Sieg knapp verpasst, aber erstes Podium im Riesenslalom: Viktoria Rebensburg kommt allmählich in Fahrt.

Von Johannes Knuth, Courchevel/München

Tessa Worley stand ganz rechts, Mikaela Shiffrin in der Mitte, beide Skirennfahrerinnen waren bereits in erste Rennanalysen vertieft, da hatte die Siegerehrung im Ziel noch gar nicht begonnen. Viktoria Rebensburg, die den Riesenslalom von Courchevel gerade als Zweite beendet hatte, hinter Shiffrin und vor Worley, stand derweil ganz links und schaute nachdenklich ins Schneegestöber - man hätte jetzt schon gerne gewusst, worum die Gedanken kreisten: Um die nahende Heimreise vielleicht, oder die Sehenswürdigkeiten, die sie auf der Rückreise abklappern könnte - das Apfelmuseum in Bourg-Saint-Maurice etwa? Oder ging es vermutlich doch um das Malheur im zweiten Lauf, das mit den Ausschlag gegeben hatte in diesem letzten Riesenslalom vor dem Weihnachtsurlaub?

Rebensburg war als Führende und letzte Starterin in den zweiten Durchgang gegangen, die Piste war schon arg ramponiert von den ersten 29 Fahrerinnen und dem Schneefall - fast wie vor knapp zwei Monaten in Sölden, beim Saisonauftakt, als Rebensburg nach Platz zwei im ersten Lauf auf Rang vier zurückgerutscht war. Aber jetzt, in Courchevel, war da eine andere Rebensburg unterwegs. Sie fuhr noch entschlossener, auch wenn sie nach dem Start kurz die Kontrolle verlor und mit der Hand in den Schnee griff. 0,14 Sekunden fehlten ihr am Ende zum erstem Saisonsieg und ihrem 17. überhaupt. "Am Anfang ärgert man sich natürlich, wenn es so eng hergeht", sagte sie am ORF-Mikrofon, aber dann war sie doch sehr besinnlich gestimmt, passend zur Jahreszeit. "In Courchevel habe ich mich eigentlich immer schwer getan", sagte sie, "ich bin trotzdem froh, dass es jetzt endlich das Podium geworden ist." Endlich?

Rebensburg war vor dem Winter nach langer Zeit mal wieder als Gejagte in die neue Saison gestartet, als Titelverteidigerin in der Riesenslalom-Wertung. Diese Hauptprämie aus dem Vorwinter war ein süßer Trost gewesen nach mancher Enttäuschung, Platz vier bei ihren vielleicht letzten Winterspielen im Februar 2018 zum Beispiel oder Verletzungen in den Wintern davor. Der Sommer war nun "seit langem mal wieder ein Sommer, in dem wir alles so durchziehen konnten, wie wir es geplant hatten", sagte sie im Herbst; die 29-Jährige hatte noch mal an vielen Kleinigkeiten gebastelt, um ihren kleinen Vorsprung auf die Mitbewerberinnen zu halten. Sie veränderte Konditionstraining und Ernährung, damit sie im dichtgetakteten Winter, auch im Dezember, nicht zu viel Kraft verlieren würde. Rebensburg hat ja längst ihr eigenes Team im Verband, mit Betreuern und Servicemann; das Arbeiten in diesem Umfeld bereite ihr "sehr viel Spaß", das hatte sie in der Vorbereitung noch mal versichert.

Mit dem Spaß war das im neuen Winter dann zunächst nur so eine Sache. Rebensburg schied in Sölden fast aus, beim Riesenslalom in Killington erwischte sie es dann. Statt mit zwei Siegen als Guthaben zu den Übersee-Rennen nach Kanada zu reisen - wie vor einem Jahr -, hatte Rebensburg diesmal einen mauen vierten Platz als Sicherheit. "Das hat sie schon beschäftigt", sagte Jürgen Graller, der Cheftrainer der deutschen Frauen. Die Abfahrten in Lake Louise gingen dann auch gehörig daneben, im Super-G wurde sie immerhin Dritte. Aber Rebensburg hat längst gelernt, den Rückschlägen ihres Sports nicht zu viel Bedeutung zu gewähren. Sie ließ die Abfahrt in Gröden unter der Woche aus, sparte Kräfte für den Riesenslalom am Freitag - und wurde belohnt.

Die 29-Jährige kann die Kur fürs Selbstvertrauen ganz gut gebrauchen: Der nächste Riesenslalom findet kurz vor dem Jahreswechsel in Semmering statt, in der Weltcup-Wertung sind ihr die Italienerin Federica Brignone und Shiffrin derzeit noch etwas voraus. Letztere gewann am Freitag ihren 49. Weltcup, am Samstag, im Slalom, könnte sie ihren 50. folgen lassen. Das hat noch niemand im alpinen Weltcup geschafft - zumindest nicht im Alter von 23 Jahren.

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