Süddeutsche Zeitung

Ski alpin:Mit gelähmtem Muskel in den Steilhang

Abfahrts-Rennläufer erleiden ständig Verletzungen, der Österreicher Klaus Kröll aber fährt in Kitzbühel schon die 152. Abfahrt in Serie. Wie schafft er das?

Von Johannes Knuth

Als Skirennfahrer 150 Abfahrten in Serie bestreiten, über mehr als 15 Jahre? "Das ist eigentlich nicht möglich", sagt Klaus Kröll im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, "das wird so schnell auch kein anderer schaffen." Der 36-Jährige aus Öblarn (Spitzname: "Bulle von Öblarn") hat es jedenfalls geschafft. Weil er sich selten verletzte in diesem zehrenden Abfahrtssport, in dem Fliehkräfte und Geschwindigkeiten bis Tempo 160 an Sehnen, Bänder und Gelenken rütteln.

Wenn Kröll sich eine Verletzung einfing, dann in der Sommerpause, beim Motocross etwa. Oder im letzten Rennen der Saison, 2013 in Lenzerheide, als er stürzte und sich den linken Oberarm brach. Ein Nerv hat sich davon bis heute nicht erholt, der Muskel ist gelähmt. Na und? Kröll wird sich am Samstag erneut auf die schwierigste Strecke der Szene werfen, die Streif in Kitzbühel. Es ist seine 15. Teilnahme.

Kröll ist ein wenig aus der Weltspitze gefallen. Die Zeiten wie 2012, als er den Abfahrtsweltcup gewann, wird er vermutlich nicht mehr erreichen. Aber das eine oder andere achtbare Resultat trägt er schon noch in die Wertung. Vor einem Jahr wurde er Dritter auf der Lauberhornabfahrt in Wengen. Hat er ein Rezept für seine Langlebigkeit? Nicht wirklich, sagt Kröll. Und wenn, dann sei es vielleicht seine Treue zu sich selbst.

Kröll schaut dankbar ins Jetzt - aber auch mit Sorgen

Andere Fahrer werfen sich längst enger an die Tore, pressen die Skier wagemutiger in den Schnee, lehnen sich weit nach innen, dass ihre Hüfte fast den Schnee berührt. Kröll fährt ruhiger, runder, holt vor den Toren etwas aus, fährt erst einmal einen Umweg. "Aber dafür komme ich mit weniger Druck durch die Kurve und nehme mehr Geschwindigkeit mit hinaus", sagt er. Das ist sicherer, und oft auch: schneller. Die beste Veränderung, sagt Kröll, sei für ihn gewesen, "nicht zu viel zu verändern".

Kröll hospitierte im Januar 2000 zum ersten Mal auf einer Abfahrt im Weltcup, er hat einiges gesehen. Die Dominanz der österreichischen Abfahrer um die Jahrtausendwende, Hermann Maier, der Kater danach, seine Zeiten in der Weltspitze, zähe Jahre zum Schluss. Er schaut dankbar ins Jetzt, aber auch mit Sorgen. Die Skifirmen und Sponsoren entlohnen oft nur noch die besten Fahrer im Weltcup angemessen, "wenn du nicht kontinuierlich Spitzenplätze einfährst und nur Zwanzigster wirst, ist es schwer, gute Verträge zu kriegen", sagt Kröll.

Und auch beim Thema Sicherheit komme man "auf keinen grünen Zweig". Kröll stand im Vorjahr in Kitzbühel noch am Start, als der Helikopter bereits drei Mal in die Luft gestiegen war. Anschließend fuhr er verhalten, und das ist vermutlich auch ein Grund, warum seine Abfahrtsserie damals nicht riss. Manchmal, sagt Kröll, siege der "Kopf über das Rennfahrerherz".

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