Süddeutsche Zeitung

Ski alpin:Kitzbühels Geschäft mit der Gefahr

Die Veranstalter des Ski-Rennens auf der Streif reagieren auf die schweren Stürze vor einem Jahr. Doch noch immer gilt: Die monströse Abfahrt kann Karrieren vergolden und zerbröseln.

Kommentar von Johannes Knuth

Manchmal funktioniert der alpine Skirennsport, der oft von seinen Bildern und Bergpanoramen zehrt, ganz prächtig als Hörspiel. Am Mittwoch etwa, beim ersten Training auf der Streif in Kitzbühel. Wer die Augen schloss und lauschte, der hörte, wie die Skier übers Eis ratterten, wie sie verzweifelt nach Halt suchten, wie es plötzlich still wurde, weil eine Welle den Fahrer in die Luft hob, ehe er wieder aufs Eis klatschte. Ratterratterratterratter, rumms.

Die Streif, diese Konturen zeichneten sich am Mittwoch scharf ab, stellt den Abfahrern auch in diesem Winter die größte und schwerste Prüfung. Und auch diesmal wird es wieder ein Spiel mit der Gefahr sein, dem nicht alle gewachsen sind. Der Österreicher Otmar Striedinger rauschte am Mittwoch ins Fangnetz und stieg mit blutiger Nase wieder heraus, Nasenbeinbruch, Schnittwunde im Oberschenkel. "Glück im Unglück", sagte Striedinger. Er wird am Donnerstag wieder im Starthaus stehen, beim zweiten Training.

Ein Schleier von Nachdenklichkeit hat sich über das Rennen gelegt

Kitzbühel geht in diesen Tagen routiniert seinem Geschäft mit der Gefahr nach. Wobei, diesmal hat sich auch ein zarter Schleier der Nachdenklichkeit über das Rennen gelegt. Vieles wird dieses Jahr im Zeichen des vergangenen gedeutet, als die Sirenen schrill erklangen. Schwer stürzten die Österreicher Georg Streitberger, Hannes Reichelt sowie der Norweger Aksel Svindal (der sich wegen der Spätfolgen zuletzt erneut am Knie operieren ließ), spitze Schreie schwappten vom Tal zur Unfallstelle, das Knattern des Rettungshubschraubers wurde zur Begleitmelodie des Tages. Die Szene debattierte heftig, ob man den Fahrern wohl zu viel zugemutet hatte (und einigte sich bei aller Nachdenklichkeit darauf, dass der Sport nun mal so sei).

Aber optimal waren die Bedingungen halt auch nicht, das kann man schon an den baulichen Maßnahmen erkennen, die sie jetzt eingeleitet haben. Vor der Hausbergkante wartet auf die Fahrer ein Linksschwung, um das Tempo zu drosseln. Dahinter strahlt ein Flutlicht auf jene Stelle, wo im Vorjahr eine Falle lauerte, eine Kompression, die die Fahrer schluckte und in den Zaun spuckte. Und der Super-G wird in der Traverse auf eine zweite Fahrspur umgeleitet, um das Gelände für die Abfahrt zu schonen. Die Defizite des Vorjahres wollen sie auf keinen Fall kopieren, das ist die eine Lehre.

Die andere ist, dass dies alles Pinselstriche sind in einem unauslöschbaren Bild: Wer Skifahrer auf Eis-Autobahnen hinunterschickt, ringt mit Kräften, denen auch die Besten nicht immer gewachsen sind. Die Streif ist auch wegen dieses Zweiklanges so bekannt geworden: Sie hat Karrieren vergoldet und zerbröselt, beides ist verwachsen, unzertrennbar. Jeder sei bestürzt über das, was er in Kitzbühel zu sehen bekommt, sagte Rennleiter Axel Naglich zuletzt den Salzburger Nachrichten, aber am Ende sei es halt auch so: "Jeder sieht zu."

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SZ vom 19.01.2017/chge
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