Ski alpin:Gepolter aus der rot-weiß-roten Herzkammer

Ski alpin: Abfahrtssieger in Gröden und Bormio: Sollte Vincent Kriechmayr auch in Kitzbühel ein Erfolg gelingen, würde er damit die Stimmung in Österreichs Skiverband enorm heben.

Abfahrtssieger in Gröden und Bormio: Sollte Vincent Kriechmayr auch in Kitzbühel ein Erfolg gelingen, würde er damit die Stimmung in Österreichs Skiverband enorm heben.

(Foto: Lisa Leutner/Reuters)

Konzepte aus der "Steinzeit", ein vermeintlicher "Sauhaufen" und ein ominöser "Küchen-Sager": Österreichs Ski-Szene ist vor den Hahnenkammrennen in Kitzbühel mal wieder latent nervös.

Von Johannes Knuth, Kitzbühel

Immerhin einer von ihnen ist gerade in alter Bestform: Arnold Schwarzenegger, geboren in Thal in der Steiermark, Kampfname "Steirische Eiche", später Karriere gemacht in Hollywood und Amerikas Politik (die ja nicht immer so ganz auseinanderzuhalten sind) - er ist also mal wieder auf dem Weg zu den Hahnenkammrennen am Wochenende in Kitzbühel. Und das leuchten die Reporter hier natürlich penibel aus. Schwarzenegger, so hieß es aus gut informierten Kreisen, hatte "schon am Mittwoch" in seinem Stammhotel eingecheckt, dem Stanglwirt. Am Freitag werde er dort der Weißwurstparty beiwohnen, dort sei er seit Jahren Stammgast. Und die Abfahrten am Freitag und Samstag sowie den Slalom am Sonntag, den werde sich Schwarzenegger wohl auch gönnen, wobei, ganz so genau wollten sich die Reporter da nicht festlegen.

Es ist die alte Welle des Übermaßes, die einem entgegenschwappt, wenn man dieser Tage nach Kitzbühel kommt. Erstmals seit Beginn der Pandemie sind auch hier die Restriktionen gefallen, 85 000 Zuschauer haben sich wieder angekündigt für das Wochenende. Nur die Ergebnisse der heimischen Athleten passten zuletzt nicht ganz zu dieser Vorfreude, allein bei den Männern: Vincent Kriechmayr gewann je eine Abfahrt in Gröden und Bormio, hinzu kamen sieben Podestplätze, darunter zwei von Matthias Mayer, der bislang die denkwürdigste Aktion eines Österreichers in diesem Winter bereitstellte: Als er in Bormio die Piste besichtigte, beschloss er, seine Karriere zu beenden, einfach so.

So ist die Skination mal wieder latent nervös, just vor Kitzbühel, dem Rennen des Jahres, dem berühmtesten der Welt, mindestens das. In kaum einer Jahreszeit zelebrieren die Österreicher ihr Skination-Dasein so ungeniert, aber im Misserfolg kippt das auch schnell in die andere Richtung: Selten zerlegen sie sich dann so schön selbst.

Ortlieb dementiert, das mit dem Sauhaufen je gesagt zu haben

Anstoß war zuletzt ein Interview, das Patrick Ortlieb dem Sender Servus TV gegeben hatte. Ortlieb war 1992 Olympiasieger und 1996 Weltmeister in der Abfahrt, er hat es im Österreichischen Skiverband (ÖSV) mittlerweile zum Vizepräsidenten gebracht, Schwerpunkt Finanzen. Einer aus der rot-weiß-roten Herzkammer also, der nun eine Rede absetzte, die Rudi Völler in Weißbierkäsescheißdreckbestform nicht besser hinbekommen hätte. "Es ist fast peinlich, mit welch großen Entouragen wir reisen", polterte Ortlieb, "wir haben uns dem Spitzensport verschrieben und nicht dem Schönwettersport", und überhaupt: "Es wirkt so, als wären die Athleten zu verwöhnt."

Nicht minder unterhaltsam wurde es, als Ortlieb auf seinen Arbeitgeber zu sprechen kam. Es sei "schon fast beschämend, was wir übernommen haben und nun versuchen wiederaufzubauen", sagte Ortlieb. Er meinte: von Peter Schröcksnadel, 31 Jahre lang ÖSV-Präsident, Kernkompetenzen: viel Geld in den Alpinbetrieb hineintragen - und, mit seinem eigenen Winterimperium, sehr viel Geld wieder hinausschaufeln. Irgendwann fiel Ortlieb das Wort "Sauhaufen" aus dem Mund, als er von seinen Vorgängern sprach, das kam nun so langsam doch der Gotteslästerung gleich. Wobei Ortlieb rasch dementierte, das mit dem Sauhaufen je gesagt zu haben.

Ski alpin: Im Verband zerfleischen sie sich vor dem Höhepunkt in Kitzbühel. Der langjährige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (rechts) sagte kürzlich, dass es am besten wäre, "wenn Patrick Ortlieb in der Küche bleibt und all seine Funktionen im Verband zurücklegt". Ortlieb ist ÖSV-Vizepräsident.

Im Verband zerfleischen sie sich vor dem Höhepunkt in Kitzbühel. Der langjährige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (rechts) sagte kürzlich, dass es am besten wäre, "wenn Patrick Ortlieb in der Küche bleibt und all seine Funktionen im Verband zurücklegt". Ortlieb ist ÖSV-Vizepräsident.

(Foto: Expa/Spiess/Eibner Europa/Imago)

Die Gegenseite war nun jedenfalls wachgerüttelt. "Ich wollte einst selbst, dass er mein Nachfolger wird", sagte Schröcksnadel der Kleinen Zeitung, aber Ortlieb "kann es offenbar nicht". Er, Schröcksnadel, habe gelesen, dass Ortlieb im Hotel seiner Familie in der Küche aushelfen muss. Wie solle "so jemand, der den eigenen Betrieb nicht im Griff hat, den Verband führen?" Am besten, beschloss Schröcksnadel, wäre es, "wenn Patrick Ortlieb in der Küche bleibt und all seine Funktionen im Verband zurücklegt".

Ein Ehemaliger lästert, das österreichische Konditionsprogramm stamme aus der "Steinzeit"

Das offenbarte mal wieder ein recht, nun ja, konservatives Wertebild - und schmeckte vielen Beteiligten natürlich nicht. Weder Ortlieb, der den ÖSV als "inzwischen demokratisch geführten Verband" beschrieb, noch den "Koch- und Tourismuskreisen", die den "Küchen-Sager" des einstigen Verbandschefs gar nicht goutierten, wie der Kurier jetzt berichtete. Immerhin nahm Ortliebs Tochter Nina, mittlerweile selbst versierte Abfahrerin, der drohenden Staatskrise ein wenig die Schärfe, als sie enthüllte, wo sie im elterlichen Hotel aushelfe: "Immer gerne, aber meistens ist es die Buchhaltung."

So haben sie, wie der Kurier genüsslich berichtete, sich nun ein "kleines Skandal-Süppchen gekocht", das sie seit Wochen auslöffeln. Hans Knauß, der einst als Skirennfahrer Karriere machte und später als Kamerafahrer, der die Pisten vor den Rennen abfährt ("Lieber eine pickelharte Gran Risa als ein weichgekochtes Frühstücksei!"), lästerte, das Konditionsprogramm im ÖSV stamme aus der "Steinzeit". Hannes Reichelt, der sich zu aktiven Zeiten beschwerte, wenn ehemalige Fahrer in "irgendwelchen Zeitungen auf uns draufhauen", haute nun selber drauf, in der Krone - die natürlich nicht irgendeine Zeitung ist, sondern Österreichs großes Boulevardblatt und ÖSV-Sponsor: Viele Trainer im ÖSV schauten nur auf die Topläufer, dahinter, so Reichelt, komme die "Sintflut".

Felix Neureuther attestierte den Nachbarn zuletzt im SZ-Gespräch, man habe zu sehr versucht, einzelne Läufer so früh wie möglich zu fördern; habe dabei vergessen, dass die Österreicher sich immer auch im Kollektiv gestärkt hätten. Noch mehr Kritik prasselte auf die noch formschwächeren Skirennläuferinnen ein, die wiederum bemängelten, die vielen Trainerwechsel zuletzt hätten viel Unruhe provoziert. Am Ende, bilanzierte die Wiener Zeitung, habe Ortlieb schon recht mit dem, was er nie gesagt haben will: "Der ÖSV gibt das Bild eines Sauhaufens ab."

Und wenn es jetzt auf der Streif wieder läuft? Dann ist vieles, was war, eh wieder wurscht.

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