Ski Alpin: Felix Neureuther:Das quälende Warum

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Ein verkorkster Auftakt in den Olympia-Winter: Felix Neureuther scheidet beim Slalom in Alta Badia erneut aus - und stellt alles in Frage.

Michael Neudecker

Im alpinen Ski-Weltcup treffen sich die Trainer immer am Vorabend eines Rennens zur Besprechung mit dem Renndirektor, bei den Männern ist das der Deutsche Günter Hujara, ein grauhaariger, kräftiger Mann mit Brille. "Good evening coaches", sagt Hujara meist zu Beginn, dann hakt er die teilnehmenden Nationen ab und weist auf die Kurssetzung des bevorstehenden Rennens hin. Am Sonntagabend sagte Hujara: "Ich hoffe, dass keiner der Fahrer morgen Aspirin braucht, wegen der Kopfschmerzen."

Slalomfahrer Felix Neureuther kommt nicht in Schwung. (Foto: Foto: Reuters)

Die Trainer haben geschmunzelt, innerlich aber vielleicht auch gestöhnt. Als Kurssetzer des ersten Slalom-Durchgangs an diesem Montag war nämlich der Kroate Ante Kostelic ausgelost worden; Ante Kostelic ist der Vater und Trainer des kroatischen Skirennläufers Ivica Kostelic, und er ist in der Branche berüchtigt. Ante Kostelic und seine Kurse sind eigensinnig, das war noch das mildeste, das man am Montag von den Trainern und Fahrern hörte.

Aber Felix Neureuther wollte dann nicht mehr über den Kurs reden; gewiss, er war sonderbar, hatte ein paar Stangen, die den Rhythmus zerstörten, die sogar dafür sorgten, dass sich mancher am Hang verfuhr. Von 71 Startern schieden 22 im ersten Lauf aus, das ist eine beachtliche Quote. Felix Neureuther war einer von ihnen, mal wieder, weshalb man das Gefühl hatte, dass er jetzt am liebsten überhaupt nicht geredet hätte. Neureuther jedoch, das ist ihm zugute zu halten, stellt sich nach jedem Ausscheiden.

Felix Neureuther ging mit Startnummer zwölf ins Rennen, aber schon kurz nachdem er das Starthaus verlassen hatte, waren seine Probleme unübersehbar. Er kämpfte mit dem Hang, er geriet in Rücklage, unten im Zielraum stand Alpin-Direktor Wolfgang Maier und fieberte mit. Maier schüttelte den Kopf, und dann kam der Übergang in den Steilhang, die fieseste Stelle im Kurs, da war es vorbei. Neureuther schaffte die enge Kurve nicht, seine Rücklage katapultierte ihn aus dem Rennen. Wolfgang Maier fluchte, ziemlich laut fluchte er.

Zwei Slaloms, drei Riesenslaloms, zwei Kombinationsrennen und eine Abfahrt ist Neureuther in dieser Saison bislang gefahren, die Bilanz ist ernüchternd: dreimal ausgeschieden, einmal nicht für den zweiten Lauf qualifiziert, dazu die Platzierungen 20, 22, 25 und 43. Zur Qualifikation für die Olympischen Spiele muss er wenigstens einmal unter die besten Acht fahren oder zweimal unter die besten 15 - davon ist er derzeit weit entfernt.

"Es ist schon wieder wie letztes Jahr", sagte Neureuther, als er im Zielraum stand, das Gesicht rot von der Anstrengung, die Brille hing hinten am Helm herunter, die Schultern hingen seitwärts am Körper. Man könnte sagen, er wirkte niedergeschlagen, aber das trifft es eigentlich nicht. Felix Neureuther stellte alles in Frage, sich selbst, seine Entscheidungen, das System.

Noch vor der Saison hatte er sich entschieden, von nun an hin und wieder an Speed-Rennen teilzunehmen, um eine Abwechslung zum Slalom zu haben; nun findet er, "das Training für den Slalom hat darunter gelitten". Deshalb wolle er sich "wieder mehr auf den Slalom konzentrieren", denn "lieber hab ich eine gute Disziplin als viele schlechte".

Der Österreicher Herbst als Vorbild

Man müsse sich "zusammensetzen und nach Lösungen suchen", außerdem seien da "ein paar Kleinigkeiten, die nicht passen, die muss man intern ansprechen". Welche Kleinigkeiten, wollte er nicht sagen, "ein paar Dinge, die nicht zum Wohl der Mannschaft beitragen". Und: Er wolle jetzt erst einmal wieder ein paar Fis-Rennen fahren. Je länger Neureuther da stand und sprach, desto weniger hätte es überrascht, wenn er gesagt hätte: Ich höre auf, jetzt sofort.

Felix Neureuther wollte alles anders machen diese Saison, alles besser als in der vergangenen, die so unbefriedigend für ihn verlaufen war. Aber nun ist sie wieder da, diese Frage nach dem Warum, und sie quält Neureuther. Genau daran aber, so erscheint es, scheitert er nun immer wieder. "Er darf nicht dauernd alles in Frage stellen", sagt Alpinchef Maier, "er muss zu seinen Entscheidungen stehen und die auch durchziehen." Soll heißen: Er sollte weitermachen, wie er die Saison begonnen hat, mit den Speed-Rennen, seinem Trainingsprogramm - und nicht alles umwerfen, nur weil er ein paar mal ausscheidet. Zumal der Rennkalender ja noch sechs Slalomrennen bis Olympia vorsieht, sechs Chancen.

Maier sagt auch, Neureuther dürfe "nicht jedes Mal psychologisch in den Keller gehen, wenn etwas nicht klappt". Aber Felix Neureuther stellt hohe Erwartungen an sich selbst, und dann wird die Enttäuschung mit jedem Ausscheiden gewaltiger. Noch vor der Saison hatte er über den Österreicher Reinfried Herbst gesprochen, mit dem er befreundet ist; dass Herbst so locker sei, das bewundere er, das nehme er zum Vorbild.

Er ist noch weit davon davon entfernt. Reinfried Herbst gewann den Slalom von Alta Badia.

© SZ vom 22.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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