Ski alpin:Slalom-Duell: Dünn schlägt kräftig

Ski alpin: Die besten Slalom-Fahrer des Winters: Marcel Hirscher (links) und Henrik Kristoffersen.

Die besten Slalom-Fahrer des Winters: Marcel Hirscher (links) und Henrik Kristoffersen.

(Foto: AFP/Getty)
  • Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen sind die besten Slalomfahrer des Winters.
  • Dabei setzt der Österreicher auf Kraft, der Norweger auf eine spezielle Schwung-Technik.
  • Auch bei der Wahl der Ski folgen beide unterschiedlichen Philosophien.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Ski alpin.

Von Marius Buhl

Der alpine Skisport dieser Tage hat ein Vermarktungsproblem. Da rasen Skifahrer wie Rennautos über Geländekanten, wedeln eleganter als jemals zuvor fast senkrechte Hänge hinab, trotzdem wird der Sport vom Laien gemeinhin als undurchschaubar empfunden. Ähnlich aussehende Läufer fahren in ähnlicher Technik die Pisten hinab und gewinnen am Ende, weil sie einen Wimpernschlag schneller als der Konkurrent im Ziel waren.Das ist schwer zu verkaufen. Manchmal fällt es selbst den Trainern schwer, zu erklären, warum ein Fahrer gewann und ein anderer Zweiter wurde. Früher war das anders. Als Ingemar Stenmark mit weißem Anzug und gelber Mütze die Gran Risa in Alta Badia hinab schwang, konnten selbst Unkundige extreme Stilunterschiede zu den Konkurrenten ausmachen.

Hirscher ist kleiner als Kristoffersen - und wiegt trotzdem fünf Kilo mehr

Der Slalom in Adelboden am Sonntag bildete zur Ski-Konformität der letzten Jahre eine wohltuende Ausnahme. Das lag zum einen an der Piste. Kaum ein Hang im Weltcup-Zirkus fällt steiler ab als das legendäre Chuenisbärgli in Adelboden, insbesondere der 60 Prozent steile Zielhang fordert den Slalom-Fahrern höchste Skikünste ab. Es lag aber nicht nur am Hang, dass der Zuschauer vor dem Fernseher einen ergreifenden Ski-Krimi zu sehen bekam. Es lag auch an den derzeit besten Slalomfahrern der Welt, dem 26-jährigen Österreicher Marcel Hirscher und dem 21-jährigen Norweger Henrik Kristoffersen. Unterschiedlicher sind Ski-Athleten moderner Prägung selten gefahren.

Da wäre zunächst ein körperlicher Kontrast. Kristoffersen misst 1,79 Meter und wiegt dabei gerade einmal 75 Kilogramm. Marcel Hirscher, 1,73 Meter, bringt wuchtige 80 Kilogramm auf die Waage. Hirscher ist ein Kraftprotz, kurz bevor er am Sonntag startete, machte er vor dem Starthaus Sit-ups. Kristoffersen wirkt gegen Hirscher wie ein Schlaks auf Spaghetti-Beinen. Und trotzdem: Momentan ist der Norweger dem Österreicher einen Tick voraus.

Zu sehen war das beim zweiten Lauf in Adelboden. Da gewann Kristoffersen seinen dritten Slalom in diesem Jahr und er fuhr in seiner unnachahmlichen Art. Er schleuderte seine langen Beine in die Kurven, seine Skier carvten ausschließlich auf den Stahlkanten, er rutschte kein einziges Mal. "Wir sprechen von der Reinheit des Schwungs'', sagt sein Trainer Christian Mitter, wenn man ihn nach Kristoffersens Geheimnis fragt. Seit vier Jahren arbeiten Mitter und Kristoffersen zusammen daran, die Schwünge so exakt wie möglich zu fahren.

Marcel Hirscher ist es nicht gewohnt, auf einen anderen Fahrer zu schauen

Das Verrückte ist: Kristoffersen ist geradezu gezwungen, so zu fahren. "Würde er das nicht tun, hätte er wegen seiner Gewichtsnachteile keine Chance'', sagt Mitter. Im letzten Jahr war Kristoffersen noch nicht ganz so weit, immer wieder mischte sich ein Schwung in seine Läufe, bei dem der Schnee aufspritzte. In dieser Saison ist das anders: Kristoffersen trifft jede Kurve. Hirscher weiß um das Geheimnis, seine Trainer haben die Videos des Norwegers ausgiebig studiert. "Henrik kann den Schwung unheimlich gut zu machen", sagte Hirscher vor kurzem. Es bedeutet: Kristoffersen steht schnell auf der Kante, genauso schnell gibt er den Ski aber auch wieder frei und beschleunigt.

Daran arbeitet auch Hirscher, der es nicht gewohnt ist, sich von einem anderen Fahrer etwas abzuschauen - bis zu dieser Saison war der vierfache Weltmeister das Maß der Dinge. Doch auch Hirscher hat Vorteile gegenüber Kristoffersen. Der Österreicher verfügt über deutlich mehr Erfahrung. Diese verwandelt Hirscher auf der Piste in Risikobereitschaft. "Marcel fährt eine brutalere Linie als Henrik, er fährt noch enger an die Tore heran und kann in zweiten Läufen noch einmal mehr herausholen", sagt Mitter, Kristoffersens Trainer.

Marcel Hirscher testet 1000 Ski - Kristoffersen nimmt, was kommt

In Santa Caterina schlug Hirscher Kristoffersen das einzige Mal in dieser Saison. Im zweiten Lauf pushte er seinen muskelbepackten Körper zur Höchstleistung. Kristoffersen suchte währenddessen den reinen Schwung, er fuhr zu feinfühlig für den flachen Hang. Heraus kam lediglich Platz zwei - 0,21 Sekunden hinter Hirscher. Diese Erfahrung fehlt Kristoffersen vor allem im Riesenslalom. Dort kommt es noch stärker als im Slalom auf das Timing der Schwünge an. Setzt ein Fahrer zu früh zur Kurve an, steuert er direkt in das Tor. Setzt er zu spät an, verspielt er Weg und Geschwindigkeit. Hier ist Kristoffersen noch nicht so weit wie im Slalom, zu oft wartet er zu lange mit dem Schwungansatz.

Bei aller Technik gibt es aber eine weitere Komponente, die sich auf die Fahrstile der Ausnahmeskifahrer auswirkt: das Material. Während Hirscher seine Daten unter Verschluss hält, kann jeder Kristoffersens Ski testen. Nur: Wann immer ein anderer Läufer versucht, mit dessen Ski zu fahren, schüttelt er nachher den Kopf. "Normalerwiese lassen Weltcupfahrer sich Ski nach ihren Bedürfnissen bauen", sagt Mitter. Hirscher, so sagt man, teste vor der Saison 1000 Modelle, bis er sich für 40 entscheide. Kristoffersen macht das anders: Er fordert von seinem Ausrüster die schnellstmöglichen Skier. Daran, so sagt er, werde er sich dann anpassen.

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