Ski alpin:Der Rebell bastelt an einer Ski-Revolution

Ski alpin: 33 Weltcup-Siege, vier WM-Titel, zwei Siege im Gesamtweltcup, einmal Olympiagold - trotzdem erwägt Bode Miller, 39, seine Karriere im alpinen Ski-Weltcup fortzusetzen.

33 Weltcup-Siege, vier WM-Titel, zwei Siege im Gesamtweltcup, einmal Olympiagold - trotzdem erwägt Bode Miller, 39, seine Karriere im alpinen Ski-Weltcup fortzusetzen.

(Foto: AFP)

Bode Miller, 39, plant sein Comeback für die kommende Alpin-Saison. Er baut seine Skier nun selber - und glaubt, dass er damit schwer zu schlagen sein wird.

Von Johannes Knuth, Kitzbühel

Wenn Bode Miller in diesen Tagen über seinen Sport redet, wird es schon mal präsidial. Der alpine Rennsport benötige Veränderung, "change", sagte Miller zuletzt, er klang fast wie einst Barack Obama, sein Landsmann und US-Präsident a. D. Miller findet jedenfalls, dass der Skisport in den vergangenen Jahren zu sehr im Jetzt verharrt sei, anstatt Neues zu schaffen. Aber keine Sorge, er wisse, wer diesen Stillstand lösen könne: Bode Miller, klar.

Der 39-Jährige hatte während der Hahnenkammwoche in Kitzbühel in ein Chalet geladen, um Auskünfte zur Lage des Skirennfahrers Bode Miller zu erteilen. Die Reporter zogen im Flur die Winterschuhe aus, nicht, dass die hellbraunen Holzdielen im Wohnzimmer besudelt werden. Miller saß dort vor einer Fensterfront, die so breit war wie eine Kinoleinwand, in der Ferne schimmerte die Streif, Kitzbühels berüchtigte Abfahrtspiste.

Später nahm Miller unter anderem die drängende Frage in Empfang, ob er an seine knapp 20 Jahre im alpinen Profi-Betrieb bald ein paar weitere knüpfen werde. Er wolle Klartext reden, hatte er im Vorfeld ja versprochen. Aber am Ende blieb doch vieles im Ungefähren.

Millers Pläne ändern sich auf dem Golfplatz

Zum bislang letzten Mal fuhr Miller bei der WM vor zwei Jahren in Beaver Creek. Er führte im Super-G, stürzte schwer, die WM war gelaufen. Er habe damals beschlossen, aufzuhören, erzählt Miller. Kurz darauf lernte er den Inhaber einer kleinen amerikanischen Skifirma kennen, beim Golfen, und irgendwo zwischen der dritten und vierten Runde beschloss er, ins Unternehmen einzusteigen. Sein alter Ausrüster legte ihm derweil ein Papier vor, in dem Miller versicherte, zwei Jahre lang auf Weltcuprennen in Diensten anderer Ausrüster zu verzichten. Miller unterschrieb, er hatte seine Karriere ja stillgelegt.

Irgendwann wünschte er sich dann aber doch ein Comeback, weil ihn die Skier seiner neuen Firma begeisterten. Blöd nur, dass er dieses Papier unterzeichnet hatte, das "illegal" sei, wie er fand. Miller klagte im Sommer 2016 in Kalifornien, der Richter verwies ihn aber nach Colorado, wo Millers alter Ausrüster seine US-Dependance unterhält. Weil die aktuelle Saison mittlerweile angebrochen war und die Klausel im März 2017 erlischt, habe er letztlich auf die Klage verzichtet. Er wolle das Geld lieber nutzen, um die neuen Skier zu entwickeln. Also, wird er damit im kommenden Winter im Weltcup antreten?

Miller will den Skisport wieder aufmischen

Ja, das sei der Plan, sagt Miller. Er wäre schon jetzt rennfähig gewesen, mit Geist, Körper, Material. Aber: Es gebe halt "eine Million Dinge, die mit einer Million anderer Dinge kooperieren müssen". Er sei bald 40, habe diverse Geschäftsinteressen (Rennpferde etwa), eine Familie mit vier Kindern ("Meine Frau ist der Boss"). Überhaupt habe er im Weltcup "nichts mehr zu beweisen", er hat ja zwei Mal den Gesamtweltcup gewonnen, vier WM-Titel, Olympiagold. Andererseits "gibt es nichts Besseres, als Weltcups zu gewinnen", sagte Miller, und eigentlich würde er schon noch gerne die Abfahrtswertung in seinen Besitz übertragen. So knetete er seine Motive, widersprach sich selbst, widersprach seinem Widerspruch, nach knapp einer Stunde war schließlich klar: Er macht weiter - wenn er es sich nicht anders überlegt.

In einer Sache sprach Miller dann aber doch Klartext. Der Skisport habe seit den Neunzigerjahren, als sie die ersten Carvingskier erfanden, keine Innovationen mehr erschaffen, im Gegenteil. Die Produkte würden immer billiger, schlechter. "Die Anführer in diesem Sport", sagte Miller, Ausrüster, Verbandschefs, "sind zu reich und schwerfällig, um Dinge voranzutreiben." Also müsse er es halt tun.

Die neuen Skier sind steifer, rutschsicher im Steilhang

Seine kleine Firma fertige die Skier so, wie es zu seiner verwegenen Fahrweise passe: Steifer, rutschsicher im Steilhang, wo er mit seinem Körperschwerpunkt oft auf Höhe der Skienden pendelt, schnell in den Gleitpassagen, gefertigt mit dem besten Material, als würde man "den ersten Ferrari" fahren. Irgendwann hatte man das Gefühl, Millers Skier fahren quasi von selbst, erledigen nebenbei Hausputz und Abwasch und können den Fahrer problemlos zum Mars fliegen. Wenn er am Wochenende auf der Streif gefahren wäre? "Ich denke", sagte Miller, "ich hätte gewonnen."

Miller hat eine Karriere als Rebell hinter sich, er fuhr waghalsig (und schon mal unter Alkoholeinfluss), eine spektakuläre Rennlinie bedeutete ihm oft mehr als Medaillen und Weltcupsiege. Niemand verließ den Zielraum, ehe Miller ins Ziel gerauscht war, jeder wollte wissen, was er diesmal anstellte. Noch einmal mitzumischen, noch mal Rebell zu sein, diese Flamme scheint noch ein wenig in ihm zu lodern, das spürte man in Kitzbühel, bei aller Produktplatzierung. Und wenn er es sich anders überlege? "Dann werde ich einfach nicht mehr zurückkommen", sagte Miller.

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