Ski alpin:Auf Kamelbuckeln

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Men's Super G

Kurz mal abheben: Josef Ferstl bei seiner Fahrt auf Rang fünf.

(Foto: Alexis Boichard/Getty Images)

Die deutschen Skirennfahrer überzeugen in Gröden, etwa Josef Ferstl als Fünfter im Super G. Aber der Fall Stefan Luitz sorgt weiter für Unruhe.

Das komische Gefühl war gleich zu Beginn des Rennens da, es wollte sich auch für den Rest der Fahrt nicht vertreiben lassen. Das Gefühl beschlich den Skirennfahrer Josef Ferstl immer dann, wenn sein Ski den Grip verlor, ganz kurz, oder wenn es ihn von der Ideallinie trug - aber kleine Unsauberkeiten gehören zu einer schnellen Fahrt nun mal dazu, sie signalisieren, dass der Fahrer sich langsam aber sicher dem Limit nähert. "Lieber ein paar Fehler und schnell, als sauber und langsam", beschloss Ferstl, und als er im frostigen Zielraum von Gröden eintraf, im Schatten des Langkofel-Fels, da wusste er, dass sein Gefühl ihn nicht getäuscht hatte.

Sechster ist Josef Ferstl vom Skiclub Hammer im Super-G von Gröden geworden, mit dem das Wochenende der alpinen Schnellfahrer am Freitag in Südtirol eröffnet wurde. Der 29-Jährige lag 81 Hundertstel hinter Aksel Lund Svindal, dem Altmeister aus Norwegen, der sich den Skistock an seinen gebrochenen linken Daumen gebunden hatte und auch so gewann; Andreas Sander, Ferstls Teamkollege, rundete die gute Vorstellung als Zehnter ab. Die Vertreter des Deutschen Skiverbands hatten am Ende sogar wieder Lust auf Späße - auf die Frage, ob er irgendwas auszusetzen habe an seiner Fahrt, scherzte Ferstl: "Klar, ich bin nicht Erster." So wie im Vorjahr, als er in Gröden seinen bislang einzigen Triumph im Weltcup sichergestellt hatte. Was ein, zwei Wochen für einen Unterschied machen.

Vor ein, zwei Wochen war es mit den Fahrten der Deutschen ja noch umgekehrt gewesen: Sie sahen gefällig aus, aber sie waren nicht richtig flott. Ferstl hatte als Zwölfter in der Abfahrt von Beaver Creek noch den besten Ertrag geschafft, Sander fuhr ratlos hinterher, und Thomas Dreßen, der Kitzbühel-Sieger, der in Kanada stark in die Saison aufgebrochen war, war im Schneetreiben verunfallt - Kreuzbandriss, monatelange Krankschreibung inklusive. Die süßen Erträge in Gröden, auf den welligen, fiesen Kamelbuckeln der Saslong-Piste, waren da ein willkommenes "Geschenk", wie Ferstl nun befand, als hätten die Deutschen ihre gute Form nur für ein paar Rennen verlegt, wie einen Regenschirm in der Straßenbahn.

Ferstl hatte am Tag vor dem Super-G die vergangenen Monate noch einmal erörtert, für die er sich selbst attestierte, "gereift" zu sein. Der alpine Skisport ist ja immer eine "kleine Formel 1", wie Ferstl befand; es gibt unzählige Möglichkeiten, Skischuh, Platte, Bindung und Ski aufeinander abzustimmen, und Ferstl hatte sich bei dieser Tüftelei im Vorwinter immer wieder verzettelt. Die ersten Trainingsfahrten im neuen Winter waren da schon vielversprechender - bis sich am ersten Renntag in Kanada das Wetter änderte. "Ich habe mich trotzdem auf das Material vom Training verlassen", sagte Ferstl, und so fuhr er dann eben: schön und schön langsam. Am Freitag, in Gröden, passte er seine Abstimmung dem Wetter an, im Vertrauen auf den Erfahrungsschatz. "Wenn man immer nur 30. wird, hinterfragt man sich irgendwann schon", sagte er: "Aber das ist bei uns nicht mehr der Fall - jeder von uns hatte ja schon gute Ergebnisse."

Bei Sander, dem Konstantesten der vergangenen Jahre, war die Lage zuletzt noch komplizierter. Er hatte im Sommer seine muskulären Probleme behoben, auch er fuhr beim Auftakt in Kanada sauber und schön - er verlor aber auch ganz schön viel Zeit, was Sander auf mangelnde Entschlossenheit zurückführte, und Cheftrainer Mathias Berthold als Rückfall in alte Zeiten klassifizierte. "Abfahrt", sagte Berthold in Gröden mit gewohnt diplomatischem Geschick, "ist ein Gemetzel", da müsse jeder am absoluten Limit fahren. Am Freitag präsentierte sich Sander wieder einigermaßen aggressiv, anstatt sich von den Skiern treiben zu lassen. Wolfgang Maier, der DSV-Alpindirektor, wertete den Auftritt seiner Fahrer zumindest als Beleg ihrer Wehrhaftigkeit, nach den ersten Wochen, "wo du wie in einer extremen Achterbahn hin- und hergeschüttelt wirst".

Die nächste Schüttelpartie folgte freilich noch am Freitag, da war ja noch die Sache mit Stefan Luitz.

Luitz hatte beim Riesenslalom in Beaver Creek seinen ersten Weltcup gewonnen, er hatte am Renntag dabei künstlichen Sauerstoff eingeatmet - was laut Reglement der Welt-Anti-Doping-Agentur gestattet ist, laut den Paragrafen des Ski-Weltverbands Fis aber nicht. Das Anti-Doping-Panel der Fis empfahl nun am Freitag, den Deutschen zu disqualifizieren. Maier sagte, man wolle die Begründung erst einmal übersetzen. Der DSV hat danach zwei Wochen Zeit, Stellung zu beziehen, erst dann wird die Fis eine erste Entscheidung fällen. Sicher ist bislang nur: Der letzte Spruch in dieser Causa wird das eher nicht sein.

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