Ski alpin:Ärger eingeatmet

Lesezeit: 3 min

Abgehängt in Val d’Isère: Stefan Luitz macht die Sauerstoff-Panne wohl immer noch zu schaffen. (Foto: Alexis Boichard/Agence Zoom/Getty Images)

Stefan Luitz' unerlaubte Sauerstoff-Einnahme beschäftigt die deutsche Ski-alpin-Führung weiterhin. Sie streitet einerseits zwar nichts ab - betont aber, dass kein Dopingvergehen vorliege.

Von Felix Haselsteiner, Val d’Isère

Das "Critérium de la Première Neige" machte seinem Namen alle Ehre. "Kriterium des ersten Schnees", so nennt sich jene prestigeträchtige alpine Weltcup-Veranstaltung, die stets Anfang Dezember im französischen Val d'Isère stattfindet, zur Zeit des ersten Schneefalls, der am Wochenende dann tatsächlich mit aller Wucht kam und zur Absage des Slaloms am Sonntag führte. Und an jedem gewöhnlichen Wochenende wären die äußeren Umstände auch für das deutsche Ski-Alpin-Team die Hauptthemen gewesen, doch was war schon normal in diesen Tagen, in denen es um Sauerstoffflaschen, Anti-Doping-Paragrafen und das möglicherweise fahrlässige Verhalten des DSV geht?

Am Freitag machte die Meldung die Runde, dass der Weltskiverband (Fis) gegen das deutsche Team ermittelt. Im Nachgang des Riesentorlauf-Rennens der vergangenen Woche in Beaver Creek waren Aufnahmen aufgetaucht, die zeigen, dass der spätere Sieger Stefan Luitz zwischen den zwei Läufen Sauerstoff aus einer Flasche einatmete. Ein Vorgang, den DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier bestätigte, gegenüber der SZ die Geschehnisse dann noch einmal aus seiner Sicht darlegte.

Auf Wunsch einiger Athleten sei im Teambereich eine Flasche Sauerstoff besorgt worden, wie es im Training und vor sowie nach den Rennen durchaus üblich ist - weil, "manch einem dieses Inhalieren vor dem Lauf noch ein wenig Selbstvertrauen gibt", sagte Maier. Als Maier die Flasche sah, habe er, um sich zu versichern, drei Experten angerufen, die ihm bestätigt hätten, dass die Einnahme von Sauerstoff gemäß den aktuellen Anti-Doping-Regeln erlaubt sei. Erst danach habe Maier die Flasche zugelassen.

Die Mediziner, die Grünes Licht gegeben hatten, will man künftig nicht mehr um Rat fragen

Tatsächlich schreibt die Wada in Artikel M1, Punkt 2 der sogenannten "Prohibited List", dass das Einatmen von Sauerstoff erlaubt sei, seit dem 1. Januar 2010 bereits. Die Wada verweist in einem weiteren Dokument aber darauf, dass Sportler sich bei ihren entsprechenden Verbänden erkundigen müssen, diese könnten nämlich eigene Regeln vorschreiben. Die Fis tut dies in der Tat. In einem Dokument von 2016, dem aktuellsten des Skiverbands, steht, dass es verboten sei, Sauerstoffgeräte zu Rennen mitzubringen und/oder im Rennen Sauerstoff zu konsumieren.

Dass der DSV dagegen verstoßen hat, ist unstrittig. "Das gestehen wir auch offen so ein", sagt Maier, betont jedoch, "dass es sich um einen Regelverstoß und nicht um ein Dopingvergehen handelt". Ein Regelverstoß wäre gleichbedeutend mit einer Disqualifikation für Luitz, eine Klassifizierung als Dopingvergehen hätte weitreichendere Konsequenzen. Am Samstag sagte Maier dazu: "Sollte man uns Doping vorwerfen, werden wir jeden Rechtsweg durchstreiten. Ich möchte nicht mit Doping in Verbindung gebracht werden, weil Sauerstoff kein Doping ist." Viele Teams setzen Sauerstoff zur Verletzungsprophylaxe ein, wie der DSV auf Anfrage bestätigte. Laut aktuellen Studien der Wada ist der Effekt aber umstritten.

Dass ihm die Situation zu schaffen machte, konnte man Luitz jedenfalls deutlich ansehen, am Samstag im Riesenslalom. Nach einem Fahrfehler im zweiten Durchgang trieb es ihn im Klassement weit zurück, im Zielraum ließ er sich enttäuscht in den Schnee sinken - Bilder, die einen scharfen Kontrast darstellen zu jenem Luitz, der in der vergangenen Woche noch den bislang größten Sieg seiner Karriere gefeiert hatte. Der 26-Jährige äußerte sich später nur kurz: "Auf keinen Fall wollten wir irgendetwas Verbotenes machen."

Aus sportlicher Sicht bot der Riesentorlauf für den DSV dennoch einen Hoffnungsschimmer: Felix Neureuther. "Es tut unheimlich gut, wieder zurück zu sein", sagte der Garmisch-Partenkirchner, der sich vor etwas mehr als einem Jahr das Kreuzband gerissen hatte und sein in Levi geplantes Comeback wegen eines gebrochenen Daumens erneut hatte verschieben müssen. Die Freude, wieder im Weltcup unterwegs zu sein, war Neureuther anzusehen, er wirkte fast gelöst: "Einfach die Gewissheit zu haben, nach so einer schweren Verletzung wieder auf diesem Level Skifahren zu können, tut unheimlich gut", sagte er. Ein 21. Rang stand am Ende als Ergebnis in den Büchern, für mehr fehlte es dem 34-Jährigen noch an Routine.

Der große Sieger von Val d'Isère war, wieder einmal, der Österreicher Marcel Hirscher. Auf der berüchtigt steilen "Face de Bellevarde", einem von Hirschers Lieblingshängen, gewann der siebenmalige Gesamtweltcupsieger sein 60. Weltcuprennen mit einem Vorsprung von über einer Sekunde vor dem Norweger Henrik Kristoffersen und dem Schweden Matts Olsson. Doch auch Hirscher wurde später nicht lange nach seinen Rekorden befragt, sondern nach seiner Sicht auf den Fall Luitz. Er sprang seinem Kollegen zur Seite, wie überhaupt die große Mehrheit der Athleten: "Wir Fahrer müssen uns auf unser Team verlassen können. Auch wenn Leute von Eigenverantwortung sprechen, kann man kaum erwarten, dass man sich als Athlet 90 Seiten Anti-Doping-Bericht durchliest. Mir tut es unheimlich leid für Stefan", sagte Hirscher. Neureuther meinte: "Als Athlet bist du in dem Fall leider der Vollidiot."

Und das betroffene Team, das in dem Fall in der Verantwortung stand? "Ich kenne die Regeln nicht alle, daher muss ich mich drauf verlassen, von Anti-Doping-Ärzten richtig beraten zu werden", behauptete Maier. Er schloss aus, mit diesen (unabhängigen) Ärzten weiter zusammenzuarbeiten. Ansonsten wolle er das Ergebnis der Wada-Untersuchung abwarten, das in den nächsten Tagen folgen soll.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: