Ski alpin:Die Sache mit dem Bügeleisen

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Erfolgsgeschichte mit Nebengeräuschen: Petra Vlhova nach ihrem Sieg im Gesamtweltcup im vergangenen Monat in Lenzerheide. (Foto: Harald Steiner/Gepa/Imago)

Petra Vlhova konnte als erste Slowakin den alpinen Gesamtweltcup gewinnen, nach einem umstrittenen Interview trennt sie sich von ihrem Trainer Livio Magoni. Schuld sind wohl auch seine harten Methoden.

Von Johannes Knuth, München

Vor ein paar Wochen, da schienen Petra Vlhova und ihr Trainer Livio Magoni noch über den Dingen zu schweben. Die slowakische Regierung hatte Vlhova nach dem alpinen Ski-Weltcup nahe ihrer Heimat Jasna ein Flugzeug aus dem staatseigenen Fuhrpark bereitgestellt, die 25-Jährige sollte so geschmeidig wie möglich zum vorletzten Stopp des Winters nach Schweden anreisen. Magoni, ihr Chefcoach, posierte im Flieger lässig in einem Ledersessel. Kurz darauf, als Vlhova den Gesamtweltcup tatsächlich gewonnen hatte, als erste Slowakin überhaupt, brach eine gewaltige Welle der Zuneigung in ihrer kleinen Heimat über sie herein. Jetzt posierten Magoni und Vlhova vor Champagnerflaschen, später ging es zur Stippvisite bei der Staatspräsidentin.

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Als hätte der italienische Fußball-Erstligist Atalanta Bergamo die Champions League gewonnen, sagte Magoni, ein gebürtiger Bergamaske, dem italienischen Corriere della Sera. Und damit begann die Festtagsstimmung auf einmal zu kippen.

Denn der Trainer sagte in dem Interview noch ein paar weitere Dinge, die nicht ganz so charmant tönten. Wenn er an "Diamanten" wie Marta Bassino denke, eine Fahrerin, die den Schnee zu streicheln scheint, führe Vlhova zwei "eiserne Füße" mit sich. Manche Medien, der Corriere eingeschlossen, übersetzten das mit "Bügeleisen", das war linguistisch offenbar nicht ganz zutreffend; die Schlagzeile, Magoni habe die Athletin als Haushaltsgerät abgekanzelt, war aber flugs in der Welt. Vlhova, sagte ihr Trainer zudem, fehle es auch sonst "an vielem", das Problem seien aber vor allem die rund ein Dutzend Betreuer ihres Privatteams, darunter der Bruder und die Eltern: Dort herrsche großes Unwissen. Er überlege sich jedenfalls, ob er das Team nach seinem Vertragsende im kommenden Jahr überhaupt noch anleiten solle.

Die Athletin nahm Magoni die Entscheidung jetzt ab: Am Dienstag äußerte sich Vlhova diplomatisch im Ton, aber kompromisslos in der Sache. Sie sei Magoni "ungemein dankbar" für fünf "unglaubliche" Jahre, nun sei es aber an der Zeit, getrennte Wege zu gehen - für die Frau mit den vermeintlichen Eisenfüßen und den Trainer mit der eisernen Hand.

Magoni führte schon Tina Maze zu großen Erfolgen - die Athletin zog sich später entkräftet aus dem Sport zurück

Der Abschied war dann doch nicht so überraschend, wie er auf den ersten Blick wirkte: Hinter Vlhovas Entourage liegt ein Winter voller Spannungen, und die Geschichte dahinter handelt offenkundig auch davon, dass der Zweck nicht immer die Mittel heiligt. Er betrachte einen Athleten als eine Maschine, hat Magoni im Gespräch einmal gesagt, als ein Auto, das man aufbohren müsse, um alle PS auf die Straße zu bringen, und der Kampf um den Gesamtweltcup wäre demnach wohl ein 24-Stunden-Rennen. Magoni hatte Vlhova vor dem gerade beschlossenen Winter überzeugt, alle 31 Rennen des Weltcups zu bestreiten, dazu drei WM-Wettbewerbe - ein brutales Programm. Manche Cheftrainer, die kraft ihres Amtes bei allen Rennen präsent sind, erzählen, dass sie oft schon von den straffen Reisen eines ganzen Winters geschlaucht sind.

Na und?

Magoni hatte mit seiner Marathonmethode schon Tina Maze zum Gesamtweltcup geführt, mit 2414 Zählern, bis heute eine unerreichte Marke - wobei Maze sich später entkräftet aus dem Sport zurückzog. 2016 schloss sich Magoni dann Vlhovas Team an, die Slowakin hatte sich wegen Reibereien mit ihrem Nationalverband selbstständig gemacht, trotz knapper Ressourcen. Aber Vlhova war einem fordernden Trainingspensum lange nicht abgeneigt, mit jedem Erfolg, hat Magoni einmal erzählt, zahle sie auch die Opfer zurück, die ihre Familie einst für die Karriere der Tochter brachte. Binnen fünf Jahren formte der Italiener aus der Slalomspezialistin eine Allrounderin mit einem prall gefüllten Briefkopf: WM-Gold im Riesenslalom 2019, Gesamtsiege in der Slalom-Wertung 2020 und jetzt im Gesamtklassement, 20 Tageserfolge im Weltcup. Allein in diesem Winter trug es Vlhova auf ihrem Langstreckenflug zu sechs Siegen, vier weiteren Podien und 25 Einträgen unter den besten Zwölf, vom Parallelevent bis zur Abfahrt.

Doch der Preis dafür hatte ihr offenbar schon während des Winters zu schaffen gemacht. Magoni hatte das Basislager des Teams zuletzt nach Südtirol verlegt, um die Anreisen zu den Rennen zu verkürzen und dem Rummel in Vlhovas Heimat zu entfliehen. Ein volles Jahr ganz im Dienst des Sports, das hatte selbst der Trainer in der Neuen Zürcher Zeitung als "hart" klassifiziert. Aber wer den Erfolg wolle, müsse sich auch mal über die Grenzen hinauswagen, und nicht nur mit diesem Anliegen, klagte Magoni zuletzt in seinem vieldebattierten Interview, sei er bei der Athletin und ihrem Umfeld nicht immer durchgedrungen.

Er entschuldigte sich kurz darauf zwar für seine Aussagen, betonte aber, dass manches überspitzt aufgefasst worden seien - vor allem die Sache mit dem Bügeleisen. Er habe doch nur erklärt, dass Vlhova nicht ganz so feinfühlig fahre und das mit ihrer kraftvollen Schwüngen kompensiere (wobei der Corriere bekräftigt, dass Magoni den Begriff "Bügeleisen" verwendet habe).

Ihre Differenzen konnten beide Parteien am Ende trotzdem, nun ja, nicht ausbügeln. Dass Vlhova just vor dem Olympiawinter die Stelle des Cheftrainers neu ausschreiben muss, ist nicht ohne Risiko, wobei die 25-Jährige laut italienischer Medien schon länger überlegt hatte, Personal und Methodik zu ändern. Ihre Abschiedsbotschaft an Magoni klang jedenfalls auch ein wenig: erleichtert.

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