Six Nations im Rugby:Make Rugby safe again

England vs Wales

Der Engländer Jack Nowell (rechts) wird vom Waliser Jonathan Davis (links) attackiert.

(Foto: dpa)
  • Eine neue "Bonuspunkte"-Regel sorgt beim Six-Nations-Turnier der sechs besten europäischen Rugby-Nationen für Diskussionen.
  • Beim Schaulaufen der besten Rugby-Spieler kommt wegen der neuen Regeländerungen auch beim Thema "Tackling" die Frage auf: Wie wird sich das Spiel verändern?
  • England ist bei dem alljährlich ausgetragenen Wettbewerb der Titelverteidiger, geht allerdings angeschlagen ins Turnier.

Von Tobias Schächter

Die linke obere Gesichtshälfte von Eddie Jones ist derzeit mit weißen Pflastern zugeklebt, das blaue Auge und die Platzwunde stammen von einem Sturz, nicht etwa von einer Kneipenschlägerei oder einem Saufgelage. Von solch peinlichen Verfehlungen englischer Rugby-Nationalspieler war ja häufig zu hören, bevor der gebürtige Tasmanier Eddie Jones die englische Auswahl im Herbst 2015 als Trainer übernahm. Kurz zuvor war England bei seiner Heim-WM schon nach der Vorrunde ausgeschieden - ein Desaster. Aber Jones, der bei dieser WM noch das Rugby-Entwicklungsland Japan zu einem sensationellen Vorrundensieg gegen das Schwergewicht Südafrika gecoacht hatte, machte aus der englischen Auswahl wieder eine Sieger-15.

Am Wochenende startet England trotz einiger Personalprobleme als Titelverteidiger und Favorit ins jährlich ausgetragene Six-Nations-Turnier: Die sechs besten europäischen Nationen ermitteln in fünf direkten Duellen die beste Mannschaft des Kontinents. Im vergangenen Jahr gewann die Auswahl von Jones den Grand Slam, wie es heißt, wenn der Six-Nations-Sieger alle fünf Spiele gewinnt. Eröffnet wird die diesjährige Auflage am Samstag in Edinburgh mit der Begegnung Schottland gegen Irland, ein paar Stunden später empfängt in Twickenham England Frankreich und am Sonntag in Rom trifft Italien auf Wales.

Das Schaulaufen der besten europäischen Rugby-Teams steht diesmal unter besonderer Beobachtung. Zwei kontrovers diskutierte Regeländerungen werden erstmals auf höchstem Niveau einem Praxistest unterzogen. Mit einer neuen Bonuspunkte-Regelung soll das Spiel attraktiver gemacht werden. Der Sieger einer Begegnung erhält vier Punkte und einen weiteren, wenn er vier oder mehr Versuche während der 80 Minuten schafft.

Aufregende Zeiten im Rugby

Bei einem Unentschieden erhalten beide Teams zwei Punkte und mögliche Boni, der Verlierer kann maximal zwei Punkte gewinnen: Entweder er macht vier oder mehr Versuche oder er verliert mit nur sieben oder weniger Punkten Unterschied. Zur Erklärung: Ein Versuch (fünf Punkte) wird erzielt, wenn ein Spieler das Rugby-Ei im gegnerischen Malfeld ablegt. Nach einem erfolgreichen Versuch gibt es die Möglichkeit zur Erhöhung durch einen Kick durch die Stangen und über die Latte des Tores - dafür gibt es zwei weitere Punkte.

Ob das Spiel so tatsächlich attraktiver wird, bezweifeln manche Experten. Irlands Trainer Joe Schmidt zum Beispiel glaubt nicht, dass sich die Taktik der Teams grundsätzlich ändern werde, er rechnet allerdings mit wilderen Schlussphasen. Rob Howley, der Coach der Waliser, sagt hingegen: "Es gibt keinen Zweifel, dass Bonuspunkte einen großen Einfluss auf den Wettbewerb haben werden." Überhaupt sieht Howley seinen Sport in aufregenden Zeiten.

Wie definiert man ein "hohes" Tackle?

Rund 25 Jahre nach seiner Professionalisierung schreitet die Kommerzialisierung im Rugby weiter voran und schafft immer neue Märkte. Der Welt-Rugby-Verband ging jüngst eine Partnerschaft mit dem chinesischen Online-Händler Alibaba ein, der in den nächsten zehn Jahren rund 120 Millionen Euro in die Entwicklung des Rugby-Sports in China investieren will. Die nächste WM, die im Vierjahresrhythmus stattfindet, wird 2019 in Japan ausgetragen.

Auch im Fußballland Deutschland erlebt der Sport einen klitzekleinen Schub, nachdem die Spiele der WM in England im TV zu sehen waren. Partien der Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation werden künftig vom Sender Sport 1 übertragen. Trotz aller Anstrengungen und Weiterentwicklungen ist das Niveau hierzulande noch immer überschaubar.

"Hohes Tackle" wird härter bestraft

In der französischen Top 14 dagegen verdienen die besten Spieler bis zu einer Million Euro. Aber weil viele Positionen in den Klubs von ausländischen Stars besetzt sind und heimische Talente sich nicht entwickeln können, stagniert die französische Nationalmannschaft seit einigen Jahren. Auch die Dopingprobleme beim harten Ringen um das Rugby-Ei nehmen zu. Und um die Verletzungsgefahr einzudämmen, hat der Weltverband Anfang Januar eine umstrittene Regeländerung eingeführt.

Ab sofort wird ein "hohes Tackle", also eines über Schulterhöhe, in zwei Kategorien aufgeteilt ("unbeabsichtigt" und "fahrlässig") und härter bestraft. Kritiker befürchten, dass es künftig eine Flut gelber und roter Karten geben wird. Viele Spieler sind unsicher, Englands Routinier Tom Wood sagt: "Es wird schwierig zu begreifen, wenn plötzlich etwas härter bewertet werden wird."

Die Androhung von härteren Sanktionen hat aber einen nachvollziehbaren Grund: Auch im Rugby haben Kopfverletzungen stark zugenommen. Jüngst klagte ein Profi des französischen Top-14-Klubs Clermont, man habe ihn nach erlittenen Gehirnerschütterungen zu früh wieder zum Spielen gedrängt. Milliardenschwere Klagen von geschädigten Profis wie im American Football will man im Rugby vermeiden. Englands Coach Eddie Jones findet diese Regeländerung jedenfalls sinnvoll: "Wir wollen keine Eltern, die Angst um die Sicherheit ihrer Kinder haben, es geht um die Zukunft des Spiels."

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