Singende Fans aus Irland:Irischer Dreiklang des Glücks

Obwohl ihr Team chancenlos war, sorgten die irischen Fans beim 0:4 gegen Spanien für den bewegendsten Moment dieser EM: Minutenlang sangen 20.000 Männer von der Insel einen herzzereißenden Klassiker. Dieses gutgelaunte Volk nicht zu mögen, ist unmöglich - die Iren verfügen in aller Bescheidenheit über die drei schönsten Dinge des Lebens.

Christian Zaschke

Der irische Gesang erklang umgehend, nachdem die Götter am Anbeginn der Welt außer grünen Hügeln und weißen Schafen auch ein paar gutgelaunte Kelten erfunden hatten. Diese komponierten ein Spitzenlied nach dem nächsten, und in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sangen sie: "Low lie the fields of Athenry".

Die Felder von Athenry, das ins schöne Galway gebettet ist, liegen wirklich sehr tief. Und das Lied ist sehr bewegend, es handelt von einem Mann, der Mitte des 19. Jahrhunderts Getreide für seine hungernde Familie stiehlt und zur Strafe nach Australien verschifft wird. Natürlich ist das Lied auch sehr kitschig, aber das macht nichts.

Die Götter sind bis heute sehr zufrieden damit, dass sie neben grünen Hügeln und weißen Schafen auch diese gutgelaunten Kelten erfunden haben. Das liegt daran, dass die Iren außer dem schönsten Gesang auch noch Flann O'Brien und Guinness hervorgebracht haben. Jede andere Nation wäre stolz, wenn sie die Welt mit nur einem dieser Wunderwerke bereichert hätte. Die Iren aber haben in aller Bescheidenheit den Dreiklang des Glücks erschaffen. Flann O'Brien, Guinness, Gesang.

Für alle, die während der spannenden Unterrichts-Einheit "Irische Kulturgeschichte" aus Versehen die Schule geschwänzt haben: Flann O'Brien ist der Schriftsteller, der James Joyce gern gewesen wäre. Guinness ist das Getränk, das die Götter Ambrosia vorziehen. Der irische Gesang - nun, was es damit auf sich hat, durfte die fußballinteressierte Öffentlichkeit am Donnerstag erleben.

Beim EM-Spiel gegen Spanien rannten die Iren so eifrig wie chancenlos über den Rasen. Die Fans auf den Rängen sahen es mit Sorge. Sie standen, in Grün gewandet, im Danziger Stadion und waren Geschlagene. Die spanischen Fans jubelten ein bisschen herum. Dann erhoben die Iren ihre mächtige Stimme. Fields of Athenry.

Als 20.000 Iren dieses Lied in den letzten Minuten des Spiels anstimmten, obwohl ihre Mannschaft 0:4 zurücklag, als 20.000 Iren sich zum besten Männerchor der Welt vereinten, als die spanischen Fans respektvoll verstummten, als in Europa die Kommentatoren schwiegen und selbst denen mit hartem Herzen eine Träne ins Auge stieg, als ganz kurz aller Zynismus aus dieser EM verschwunden war, als - jedenfalls haben die Götter für diesen Montag eine letzte Zugabe angesetzt. Angesungen wird pünktlich um 20.45 Uhr.

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