Siegtorschütze Arjen Robben:Später Tanz

Nach drei verlorenen Endspielen wird Arjen Robben zum entscheidenden Torschützen im Finale gegen Borussia Dortmund, kurz vor dem Ende schubst er den Ball an Roman Weidenfeller vorbei ins Tor. Seine Geschichte zeigt, dass ein Fußballer ganz gut damit fährt, wenn er die eigenen Niederlagen nicht zu ernst nimmt und geduldig weiterdribbelt.

Von Thomas Hahn

Bayern Munich's Arjen Robben shoots to score past Borussia Dortmund's goalkeeper Roman Weidenfeller during their Champions League Final soccer match at Wembley Stadium in London

Der Moment für den Hochbegabten: Arjen Robben schubst den Ball vorbei an Roman Weidenfeller.

(Foto: REUTERS)

Arjen Robben schüttelte den Kopf, als die Frage nach dem Fußballgott kam. Er wollte nicht heraustanzen aus der Reihe der Champions-League-Gewinner des FC Bayern, bloß weil er das späte Tor zum 2:1-Sieg über Borussia Dortmund erzielt hatte. Er wollte keine kitschige Geschichte von ausgleichender Gerechtigkeit erzählen im Augenblick seines größten Triumphes, zumindest wollte er sie nicht selbst erzählen.

Das ist ja das Gute daran, wenn man ein Meister-Stürmer wie Arjen Robben ist: dass man genügend Medien und Menschen um sich rum hat, die einem die Arbeit abnehmen, diese kitschigen Geschichten des eigenen wilden Fußballerlebens zu erzählen. Arjen Robben schüttelte also den Kopf, als der ZDF-Reporter nach dem Fußballgott fragte. Er sagte, dass er viel Zuspruch bekommen habe vor diesem vierten großen Finale seiner Karriere nach drei verlorenen und dass er dann die Ruhe bewahrt habe, als er wieder zu scheitern drohte. "Ich habe die letzte Chance genutzt", sagt Arjen Robben, "darum geht es."

Vom Fußballgott braucht man tatsächlich nicht anzufangen, wenn ein Sportler seine Karriere zum Guten wendet. Glück gehört dazu, um an die Henkeltöpfe dieser Welt zu kommen, das ist klar, aber die Besten nehmen ihr Schicksal gerne selbst in die Hand. Und der Balltänzer Robben, 29, überhaupt das ganze Team des FC Bayern, hat am Samstagabend auf anschauliche Art gezeigt, dass man tatsächlich ganz gut damit fährt, wenn man die eigenen Niederlagen vor sich nicht zu groß macht und einfach geduldig weiterdribbelt.

Robben besitzt die gesunde Eitelkeit des Hochbegabten, er möchte nicht nur für die Galerie spielen. Er will sich mit Glanz und Gloria schmücken, und deshalb hat es durchaus an ihm genagt, dass er drei Mal in Serie an einem großen Titel vorbeigegriffen hatte. Erst im Champions-League-Finale 2010 gegen die Konterspieler von Inter Mailand (0:2). Anschließend im WM-Finale von Südafrika mit der niederländischen Nationalmannschaft gegen Spanien (0:1 nach Verlängerung), in dem er zu allem Unglück auch noch allein auf Torwart Iker Casillas zulief und scheiterte.

Schließlich zum Abschluss der vergangenen Champions-League-Saison, beim viel betrauerten Finale Dahoam gegen den FC Chelsea. Aus der Überlegenheit des FC Bayern konnte Robben damals nichts machen, stattdessen verschoss er in der Verlängerung einen Elfmeter, was nicht nur keine Führung brachte, sondern auch noch ein fatales Zeichen fürs folgende Elfmeterschießen war.

Wie ein kleiner Junge

Das war alles sehr unerfreulich, und ein bisschen rumorte in Arjen Robben schon die Angst, dass er noch mal so einen misslichen Abend erleben könnte, nachdem die erste Halbzeit in London prompt weitere Missgeschicke gebracht hatte. Zwei Mal scheiterte er freistehend an Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller. Negativ-Gedanken drängelten sich zur Pause in sein Bewusstsein. "Ich habe gedacht, das kann nicht sein, dass du in einem Finale wieder zwei große Chancen hattest und wieder mit leeren Händen dastehst."

Aber weiter ging's auf dem gepflegten Rasen von Wembley, und spät, sehr spät im Spiel kam ja dann auch tatsächlich der große Glücksmoment. Franck Ribéry leitete den Ball weiter, Robben tanzte durch die überrumpelte Dortmunder Viererkette und stand plötzlich wieder allein vor Weidenfeller. Was für ein Trauma hätte das werden können, wenn Robben auch diesen Zweikampf nicht für sich entschieden hätte? Aber diesmal löste er die Aufgabe mit der Ruhe und Übersicht eines abgekochten Angreifers, zog humorlos an Weidenfeller vorbei und legte den Ball ab. 2:1. 88. Minute. "Ich habe immer an mich geglaubt", sagte Arjen Robben später auf Sky.

Dieses Finale endete für ihn so, wie man es sich als kleiner Junge erträumt. Arjen Robben war sehr bewegt, er weinte ein bisschen vor Glück, und als er die letzte Szene nacherzählte, strahlten seine Augen wie die eines Buben, der am Mittagstisch vom gewonnenen Klassenspiel berichtet ("Dann, die letzte Minute . . .").

Es war, als drückten die Kollegen ihn an diesem Abend besonders fest. Eine persönliche Trophäe empfing er auch, als Mann des Tages, aus den Händen des langjährigen Manchester-United-Trainers Sir Alex Ferguson. Und Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer erklärte wohlwollend, warum dieser Erfolg gerade für Robben so groß war. Sammer klang ein bisschen wie die Teamgeist-Polizei, als er in den Jubel um Robben hinein sagte: "Alle Mitarbeiter von Bayern München sind heute Champions-League-Sieger."

Aber die Bedeutung dieses Sieges für die prominenten Verlierer des vergangenen Jahres hat er auch nicht klein spielen wollen, weil er ja weiß, dass viele Leute viel Unsinn reden, wenn große Spieler nicht genug gewinnen. Er blickte auf Philipp Lahm, auf Bastian Schweinsteiger und natürlich auf Arjen Robben, und er sagte: "Es ist sehr, sehr wichtig, eine Laufbahn, die diese Spieler haben, zu krönen. Sonst hört das Gerede nie mehr auf."

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