Fußball-WM:Spanien durchbricht die Kette der Magneten

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Jubelerprobt: Diego Costa (r.) wird von Isco zu seinem dritten WM-Tor beglückwünscht. (Foto: AP)
  • Spanien erarbeitet sich gegen Iran einen 1:0-Sieg.
  • Diego Costa hat bei seinem Treffer viel Glück.
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Von Benedikt Warmbrunn, Kasan

War das gerade wirklich passiert? Hatte er, Gerard Piqué, wirklich den Ball an der Mittellinie weggeschlagen, und zwar so, dass er ins Seitenaus flog, auf Höhe des eigenen Elfmeterpunktes? Er, den sie wegen seiner vornehmen, eleganten Spielweise auch Piquenbauer nennen? Piqué schaute sich in seiner leeren Spielfeldhälfte um, er sah, dass beide Teams auf ihn zuliefen, seine Spanier mit schwerfälligen Schritten, die Iraner voller Leidenschaft. Es war wirklich alles genau so geschehen.

Gerard Piqué kratzte sich an seinem vornehmen Bart.

Bei manchen Fußballspielen ist die Geschichte nicht, dass eine Mannschaft gewinnt. Manchmal ist die Geschichte, wie viel Mühe sie dieses Gewinnen kostet. Die Geschichte des WM-Spiels am Mittwoch in Kasan zwischen Iran und Spanien war daher, wie es dem Außenseiter gelang, die Geduld der Spanier durch eine taktisch disziplinierte Leistung so lange zu strapazieren, bis der Favorit der Verzweiflung sehr nahe war. Spanien gewann zwar 1:0 (0:0). Doch es war ein Abend, der Kraft und Nerven gekostet hatte.

Als Piqué den Ball in die eigene Gefahrenzone geschlagen hatte, waren gerade einmal 35 Minuten vergangen, doch diese 35 Minuten hatten gereicht, um die Verzweiflung in den Reihen der Spanier stetig anwachsen zu lassen. Sie hatten zwar fast durchgehend den Ball, eine gute Torchance hatten sie allerdings lange nicht. Zu geschickt verteidigten die Iraner. Rückte einer von ihnen ein wenig heraus, schlossen die anderen sofort die Lücke, es wirkte, als ob alle zehn Spieler durch winzige Magnete miteinander verbunden wären.

Nach einer Stunde jubelt Iran, doch der Schiedsrichter stört die Feier - kein Tor wegen abseits

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Die Partie war zunächst geprägt von einigen kleinen Fouls, einmal ließ sich sogar der so vornehme Andrés Iniesta zu einem kleinen Rempler hinreißen. Torchancen hatte die Spanier nur in Andeutungen. Einmal touchierte Piqué den Ball mit dem Kopf, so dass der hinter ihm lauernde Diego Costa bloß mit der Schulter an den Ball kam (10.). Einmal schnappte ihn sich Isco im Strafraum vor dem besser postierten David Silva (27.). Erst danach kam Spanien auch zu Torschüssen. David Silva verfehlte das Tor mit einem Drehschuss (30.), in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit fälschte Morteza Pouraliganji einen Schuss von Silva ab, aber der Ball flog neben das Tor.

An der Seitenlinie beobachtete das alles zufrieden Carlos Queiroz, seit sieben Jahren Irans Trainer. Manchmal schimpfte er kurz, und schon klebten alle Magneten wieder aneinander. Und es beobachtete dies alles der zunehmend ungeduldige Fernando Hierro, seit sieben Tagen Spaniens Trainer. Er wedelte und winkte und fuchtelte. Und nichts passierte.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit spielte sich Spanien auf einmal doch Chancen heraus, Irans Torwart Ali Beiranvand parierte einen Distanzschuss von Sergio Busquets (50.), Isco schoss drüber (52.). Und dann jubelten die zahlreichen Iraner in der Arena: Das Tornetz wackelte. Allerdings hatte Karim Ansarifard nur das Außennetz getroffen (53.). Fernando Hierro verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

Eine Minute später jubelten dann doch erlöst die Spanier. Iniesta hatte vornehm einen Pass in die Lücke zu Diego Costa gespielt, der drehte sich, schoss Ramin Rezaeian an, von dem prallte der Ball zurück an Costas Schienbein, und von dort prallte er wie eine Billardkugel ins Tor. Doch der Abend kostete die Spanier weiter Kraft und Nerven.

Die iranischen Magnete wagten sich nun weiter nach vorne, und sie kamen auch recht bald zu guten Torchancen. In der 60. Minute verfehlte Mehdi Taremi das Tor noch mit einem Kopfball. Vier Minuten später traf Saeid Ezatolahi sogar ins Tor - die gesamte iranische Bank sprang vor Freude auf, nur der erfahrene Queiroz blieb ruhig. Als ahnte er schon etwas. Nach Rücksprache mit dem Videoassistenten entschied Schiedsrichter Andrés Cunha dann auch korrekt: kein Tor, da Ezatolahi im Abseits gestanden war. Queiroz wedelte aufmunternd mit den Händen.

Spanien hatte anschließend wieder deutlich mehr Ballbesitz, aber die Partie glich nun wieder der in der ersten Halbzeit. Bis an den Strafraum kombinierten sich die Spanier schnell, dann aber endete die Aktion. Manchmal durch ein Foulspiel, oft durch eine Unkonzentriertheit.

Iran dagegen demonstrierte in der letzten Viertelstunde noch, dass das Team nicht nur hervorragend verteidigen, sondern auch gepflegt angreifen kann. Taremi rutschte erst knapp an einer Flanke vorbei (75.), sieben Minuten später hatte er eine noch bessere Gelegenheit: Vahid Amiri tunnelte auf der linke Seite den schwerfälligen Piqué, er flankte präzise auf den Kopf von Taremi, der aber verfehlte das Tor.

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Dann war das Spiel vorbei. Am lautesten klatschten die Fans der Magneten.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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