Sieg des FC Bayern in Berlin:Anfällig nur bei Superhelden

Hertha BSC - FC Bayern München

Berlins John Anthony Brooks (2.v.r.): Am Meisterstück nur knapp gescheitert

(Foto: Lukas Schulze/dpa)

Berlins John Anthony Brooks verdirbt dem FC Bayern fast den Abend - doch auch gegen Hertha BSC bleibt der FC Bayern unbesiegbar. Trainer Pep Guardiola ist trotzdem unzufrieden und beklagt den Verlust der "eigenen Spielkultur".

Von Sebastian Fischer, Berlin

Es war längst dunkel im Berliner Olympiastadion, das Spiel von Hertha BSC gegen den FC Bayern München seit ein paar Minuten vorbei, da lief der Berliner Verteidiger John Anthony Brooks als einer der letzten Spieler aus dem Innenraum in die Kabine. Er hatte sich eine blaue Decke über die Schultern geworfen, als Schutz gegen die Kälte. Und weil er rannte, flatterte die Decke hinter ihm her. Brooks` Frisur, ein gewagter Irokesenschnitt, tat ihr Übriges: Der Deutsch-Amerikaner sah aus wie ein Superheld. Und es steckte ein Funken Wahrheit in diesem Bild. Beinahe wäre Brooks, 21, gebürtiger Berliner, US-Nationalspieler, der Held des Abends geworden.

In der 86. Minute trat der eingewechselte Ronny einen Freistoß in den Münchner Strafraum, der Ball war lange in der Luft. Brooks war aufgerückt, stand am langen Pfosten, etwa zehn Meter vom Tor entfernt. Er nahm den Ball mit der Brust an, sein Gegenspieler Jérôme Boateng hatte sich verschätzt. Brooks tippte den Ball mit seinem linken Fuß am deutschen Nationalspieler vorbei, der Weg war frei, dann schoss er. Den Berliner Fans stockte der Atem. Er würde doch nicht etwa ausgleichen? Nein. Brooks schoss den Ball über das Tor. Wenig später war das Spiel vorbei, es endete mit einem 1:0 (1:0)-Sieg für den FC Bayern.

Es war knapp, am Ende knapper als gedacht. Doch was zurückblieb von diesem Spiel in der kalten Berliner Nacht, war doch der erdrückende Gedanke, der sich in dieser Saison an jedem Wochenende zu wiederholen droht: Es gibt unter normalen Umständen wohl keine Mannschaft in Deutschland, die den FC Bayern schlagen kann.

In Sachen Eigenkapital steht es 405:23 für den FC Bayern

Die Vorzeichen, dass dieser Gedanke ausgerechnet an diesem Samstag widerlegt werden würde, waren schlecht. Bevor überhaupt angepfiffen wurde, stand es bereits 405:23 für die Bayern. Als Hertha BSC Anfang November seine Mitgliederversammlung abhielt, erntete Ingo Schiller, Geschäftsführer Finanzen, aufbrausenden Applaus, als er verkündete, die Berliner verfügten über 23 Millionen Euro Eigenkapital. Am Freitag, auf der Münchner Mitgliederversammlung, präsentierte auch der FC Bayern die entsprechende Zahl: 405 Millionen.

Und damit nicht genug: Ein paar Stunden vor dem Anpfiff eröffnete Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den ersten offiziellen Bayern-Fan-Shop in Berlin - der FC Bayern war in die Hauptstadt eingefallen. Dementsprechend gingen die Berliner mit einem Gefühl der Machtlosigkeit ins Spiel, und das war ihr Fehler. "Wir hatten viel zu viel Respekt", sagte später der Hertha-Verteidiger Jens Hegeler: "Wir haben zu spät gemerkt, dass heute etwas drin war."

Robben lacht, Guardioloa grübelt

Pep Guardiola hatte seine Mannschaft so aufgestellt, dass sie die Spielfeldmitte belagerte. Arjen Robben spielte mit Franck Ribéry und Mario Götze im zentralen Mittelfeld vor Xabi Alonso in einer Art Raute. Zunächst ging der Plan auf. Es hatten ausschließlich die Münchner den Ball, Hertha wirkte eingeschüchtert von der bayrischen Ballzirkulation. "Wir kamen gar nicht zum Spielen", beschrieb Trainer Jos Luhukay.

27 Minuten waren gespielt, da nutzten die Münchner erstmalig eine ihrer zahlreichen Chancen. Götze spielte auf Müller, der ließ den Ball mit der Hacke abtropfen und Robben brachte das Kunststück fertig, selbst aus der Spielfeldmitte noch nach innen zu ziehen, und in die lange Ecke zu schlenzen. "Es hat Spaß gemacht", sagte Robben über seine ungewohnte Rolle und lachte.

Pep Guardiola lachte nicht. Er blickte bei der Pressekonferenz schüchtern in seinen Schoß, verschränkte die Arme. Die erste Halbzeit wäre gut gewesen, aber die zweite? "Berlin war besser", sagte er. "Wir haben unsere Spielkultur verloren."

Die Bayern ließen den Ball nicht mehr ganz so schnell durch ihre Reihen laufen, Berlin wurde mutiger, foulte nun auch mal, war plötzlich am Spiel beteiligt. Auch die Einwechslung von Salomon Kalou für den völlig wirkungslosen Julian Schieber half dabei. Plötzlich kamen die Berliner dem Münchner Strafraum immer näher, selbst Manuel Neuer, in der ersten Hälfte noch beschäftigungslos, musste ein paar Mal eingreifen. Doch die Chance von Brooks kurz vor Schluss blieb die aussichtsreichste, und sie blieb ungenutzt.

Luhukay hatte das ganze Spiel über schüchtern auf seiner Bank gesessen, am Ende war sogar der Holländer aufgestanden, als hätte er an den Punktgewinn geglaubt. Und er hätte ein Zeichen setzen können, sich ärgern können über den verpassten Ausgleich. Er hätte nochmal darauf hinweisen können, dass es nur eines besseren Torabschlusses in der 86. Minute bedurft hätte, um den Sieg der Münchner zu verhindern. Doch Luhukay ließ diese Chance verstreichen, er sagte, beinahe demütig: "Ich darf nicht ärgerlich sein." Bayern habe nun einmal andere Möglichkeiten.

John Anthony Brooks war da längst in die Berliner Mannschaftskabine geflattert, seinen Umhang hatte er wohl abgelegt. Es braucht in diesem Jahr einen tapferen Helden, der die Liga erlöst. Doch im Olympiastadion war er am Samstag nicht zu finden.

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