Sieg der DFB-Elf gegen England:Glanzlos mit doppeltem Bender

Wieder ein Standard-Tor: Dank eines Kopfballs von Per Mertesacker gewinnt das auf acht Positionen umformierte deutsche Team 1:0 in Wembley. Sven und Lars Bender drängen sich im defensiven Mittelfeld kaum auf. Dortmund bangt vor dem Duell mit den Bayern um zwei Verteidiger.

Per Mertesacker lief los, nicht sonderlich schnell, er lächelte auch nur ansatzweise. Es war ja noch immer der leise Per Mertesacker, der Richtung Eckfahne abdrehte, den Zeigefinger fast schüchtern in Richtung der deutschen Anhänger im Wembley-Stadion gestreckt. Aber Mertesacker schämte sich gewiss auch nicht für seinen Treffer.

Er war hochgestiegen nach einem Eckball von Toni Kroos, und weil der leise Mertesacker eben fast zwei Meter groß gewachsen ist, hatte er den Ball in der 39. Minute fast ungehindert ins Tor gewuchtet, ähnlich wie Mats Hummels zuletzt im Test gegen Italien. Die Deutschen führten also auch in England 1:0, doch diesmal lief die Partie anders: Das Tor bedeutete den Endstand - und gefolgt war es auf die erst zweite Gelegenheit der DFB-Elf. Die erste hatte auch so ausgesehen: Ecke Kroos, Kopfball Mertesacker.

"Es war ein gutes Warmlaufen für die WM", sagte Mertesacker, "wir haben die außergewöhnliche Situation, viele gute Spieler zu haben." Trainer Joachim Löw erfreute sich an seiner Sicht der Dinge: Er habe nicht das Gefühl gehabt, "dass die Engländer uns ausspielen können".

Natürlich ist es schön zu sehen, wenn es sich auszahlt, dass Löw inzwischen Standardsituationen im Training einstudieren lässt, die ihm lange als profan galten. Aussagekraft hatte dieses Testspiel sonst ja wenig, da Löw teils gezwungen, teils mit Absicht, eine Mannschaft spielen ließ, die bei der WM in Brasilien kaum in dieser Zusammensetzung agieren wird.

Löws Aufstellung hatte den Dortmundern ähnlich missfallen wie den Engländern. Beide störte, dass Löw so viele Spieler des FC Bayern vor dem am Samstag anstehenden Spitzenspiel der Münchner beim BVB schonte. Philipp Lahm und Manuel Neuer weilten nicht einmal in London, sondern daheim, vermutlich vor dem Fernseher, die Füße gar auf einer gepolsterten Ablage lagernd.

England vs Germany

Sicher am Mann: Sven, pardon, Lars Bender (re.)

(Foto: dpa)

Die Engländer aber wollten doch bitteschön vom bestmöglichen deutschen Team besiegt werden. Wenn sie denn schon verlieren müssten gegen die ungeliebten Deutschen. Dass so viele Spieler des vergangenen Champions-League-Finales in Wembley dem Spiel zur Feier des 150-jährigen Jubiläum des englischen Fußball-Verbandes fernbleiben würden, das hatte die Briten auf eine Weise beleidigt, welche die Deutschen nur steigern könnten, sollten sie nur Zweite-Reihe-Politiker auf die Festlichkeiten zum nächsten Thronjubiläum der Queen entsenden.

Der Bundestrainer ("Bayern gegen Dortmund ist nicht mein Thema", "2008 hat England in Berlin mal ohne Wayne Rooney, Steven Gerrard und Frank Lampard gespielt") hatte versucht, den Debatten um seine Startelf die Kraft zu nehmen. Aber das konnte natürlich nicht gelingen, indem er sich so vehement verteidigte.

Die Stunde des Doppelten Bender

Er behalf sich lieber mit einem Kniff, der fortan als Doppelter Bender in die Historie eingehen wird: Es begannen vier Dortmunder und drei Münchner. Roman Weidenfeller im Tor, Marcel Schmelzer auf links in der Abwehr, dazu Sven Bender im Mittelfeld und Marco Reus auf dem Flügel, das waren die Dortmunder.

Dazu stießen Toni Kroos auf der Zehn, Jérôme Boateng in der Innenverteidigung und Mario Götze auf der Außenbahn. Möglich war dieser paritätische Kunstgriff, weil Löw in der Zentrale Sven Benders Zwilling Lars aus Leverkusen vertraute sowie dem Hamburger Westermann als rechtem Verteidiger, Gladbachs Max Kruse als echtem Neuner - und eben Mertesacker vom FC Arsenal.

Gefährlich nahe an Weidenfellers Tor

Natürlich läuft der Ball nicht gleich geschmeidig durch die Reihen, ändert ein Trainer seine Elf auf acht Positionen, aber so? Die Engländer nutzten die offensichtliche Verunsicherung der Deutschen, sie wollten die DFB-Elf zum ersten Mal seit 1975 daheim bezwingen. Wayne Rooney und Andros Townsend passten sich zu Beginn gleich zweimal gefährlich nahe an Weidenfellers Tor. Nach 20 Minuten vergab Rooney eine gute Gelegenheit per Kopf, die Deutschen waren sehr mit der Defensive beschäftigt.

Von der Dominanz gegen Italien, die zuletzt noch mit dem nunmehr verletzten Sami Khedira erzwungen worden war, war nicht mehr viel zu spüren. Die Benders aus dem Zentrum sind zuverlässige Arbeiter, doch keine Feinfüße mit einer Vorliebe für den vertikalen Pass in die Spitze. Also spielten die Benders eher wie Innenverteidiger, sogar Reus zog es zuweilen in die Abwehr. Und wenn Götze mal auf dem Flügel zum Doppelpass ansetzte wie nach 30 Minuten, dann fand er nur Zwilling Lars, der den Ball vertändelte. Doch es fiel das glanzlose 1:0, das nicht nur Mertesacker überraschte.

Hummels humpelt vom Feld

Nach der Pause brachte Löw Jansen für Schmelzer, Hummels für Boateng, und Sidney Sam für Kruse, an Deutschlands Spielkultur änderte das wenig. Englands Townsend setzte einen Distanzschuss an den Pfosten (52.), Julian Draxler klärte einen Kopfball von Smalling auf der Linie (80.).

Als dann Hummels mit zunächst unbestimmter Diagnose vom Feld humpelte und auch Schmelzer wegen Wadenproblemen "als Vorsichtsmaßnahme" ausgewechselt worden war, wie Löw erklärte, dürfte BVB-Trainer Klopp zu Hause unruhig geworden sein. Und der DFB-Fan wurde unsanft an die Frage erinnert: Kann Deutschland einen Ausfall von Schweinsteiger, Khedira und Gündogan kompensieren?

Nach dem Auftritt der Benders im Mittelfeld lässt sich sagen: eher nicht. Dortmund fehlen nun am Samstag womöglich zwei wichtige Abwehrspieler gegen Bayern. Allerdings verspürte auch Boateng nach Abpfiff Schmerzen an der Ferse.

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