Süddeutsche Zeitung

Sieg bei den US Open:Osaka trotzt Williams' Wutanfall

  • Die 20-jährige Japanerin Naomi Osaska gewinnt die US Open 2018.
  • Überschattet wird ihr Sieg jedoch von einer ausrastenden Serena Williams, die den Schiedsrichter wüst als "Dieb" und "Lügner" beschimpft.

Von Jürgen Schmieder, New York

"Nun, sie ist ja immer noch da." Das war die Antwort von Naomi Osaka auf die Frage, ob sie denn schon bereit sei, die Regentschaft über das Frauentennis zu übernehmen. Sie ist eine schlagkräftige Frau, die selbst die dümmsten Fragen forsch beantwortet. Zum Beispiel jene, wie sie die etlichen kniffligen Momente im Halbfinale gegen Madison Keys überstanden habe: "Weil ich gegen Serena spielen wollte." Und auf die kuriose Frage, warum sie denn so gerne gegen Serena spielen wolle: "Weil es Serena ist."

Sie ist immer noch da, diese Serena Williams, und wer zu den ganz Großen im Frauentennis gehören möchte, der muss Williams besiegen und dabei mit all den Dingen umgehen, die während einer Serena-Williams-Partie so passieren können. Sie bekommt stets Sonderbehandlungen, auch während dieser beiden Wochen in New York, bei Ansetzungen von Partien und Pressekonferenzen zum Beispiel. Und gewöhnlich weiß sie das für sich zu nutzen, weil ihre Gegnerinnen erleben, was sie noch nie zuvor erlebt haben.

Bei diesem Finale wollte Williams' Trainer Patrick Mouratoglou ein paar Zeichen an seine Spielerin senden - laut Reglement ist das aber verboten. Schiedsrichter Carlos Ramos verwarnte Williams dafür, woraufhin diese ihn heftig beschimpfte und eine Entschuldigung von ihm forderte. "Ich habe noch nie geschummelt. Sie schulden mir eine Entschuldigung!" Als sie später ihren Schläger zertrümmerte, zog Ramos ihr schließlich einen Punkt ab. Und als sie nicht aufhören wollte, sich über diese vermeintlich himmelschreiende Ungerechtigkeit zu echauffieren, und den portugiesischen Schiedsrichter mehrfach als "Dieb" und "Lügner" bezeichnete, zog dieser ihr als Strafe ein Spiel ab.

Nun stand es 2:6, 3:5 aus der Sicht der Amerikanerin. Sie hatte sich schon zuvor völlig daneben benommen, hatte lange keinen Respekt für ihre Gegnerin gezeigt. Williams verlor dieses Finale am Ende 2:6, 4:6 - aber nicht aufgrund der Leistung des Schiedsrichters, sondern weil ihre Gegnerin einfach besser war.

Osaka und Williams unterscheiden sich von all den Übers-Netz-Prüglerinnen

Es ist erstaunlich, wie gelassen die 20 Jahre alte Japanerin in all diesen Momenten blieb, sie spielte scheinbar gleichmütig weiter und gewann deutlich. "Es war immer mein Traum, gegen Serena im Finale der US Open zu spielen", sagte Osaka danach und verneigte sich vor Williams: "Danke!"

Es war ein packendes Finale, ohnehin gehören Williams und Osaka derzeit zu den faszinierendsten Spielerinnen im Damen-Tennis. Und das nicht nur, weil Williams ihre Rückkehr nach der Geburt ihrer Tochter geschickt zu vermarkten weiß und weil Osaka aufgrund ihrer Herkunft (ihre Mutter ist Japanerin, Vater stammt aus Haiti, sie wuchs in den USA auf) ein geradezu wahnwitziges Vermarktungspotenzial besitzt. Es sind auch sportlich die beiden interessantesten Frauen, denn sie unterscheiden sich gravierend von all den Übers-Netz-Prüglerinnen, die man zuletzt bei den US Open so häufig sehen musste.

Ein Aufschlagspiel von Osaka Mitte des ersten Satzes stand symbolisch für die Qualität dieses Endspiels und auch dafür, warum Osaka es letztlich gewonnen hat: Williams schlug zu Beginn die Bälle wütend in die gegenüberliegenden Ecken. Bei ihren sechs Partien zuvor wäre der Ballwechsel längst vorüber gewesen - doch Osaka erlief alles, und sie spielte alles zurück. Williams rückte vor ans Netz, ihren präzisen Volley jedoch konterte Osaka mit einem Cross-Passierschlag, dessen Patentrechte eigentlich bei Novak Djokovic liegen.

Williams wurde noch wütender, und normalerweise führt bei ihr diese Wut zu höherer Qualität. Sie erspielte sich über ihre knallharte Vorhand zwei Breakbälle, und bei den sechs Partien zuvor hätte sie einen davon schon aufgrund der Nervosität ihrer Gegnerinnen genutzt. Osaka jedoch blieb gelassen, sie sagt ohnehin von sich, dass sie große Matches auf großer Bühne gegen große Gegnerinnen genießt: "Dafür arbeitet man doch." Sie wehrte also die Breakbälle ab, und kurz darauf gewann sie dieses Aufschlagspiel mit einem 200-Stundenkilometer-Aufschlag. Kurz darauf rastete Williams aus - und Osaka blieb ruhig.

Die Japanerin war während des gesamten Turniers ohnehin aufgefallen, weil sie sich weder über die extreme Hitze beschwerte ("Ach, die sollen alle mal nach Florida kommen, da ist es noch viel heißer") noch über Ansetzungen oder die Auslosung. Sie nahm dieses Turnier, wie es eben kam, und meisten Gegnerinnen schoss sie einfach vom Platz. Osaka hat bei diesen US Open gerade mal einen Satz verloren: im umkämpften Achtelfinale gegen Aryna Sabalenka.

"Ich habe meinen Papa vermisst und konnte mich noch nicht bei ihm bedanken - aber er läuft bei meinen Spielen immer lieber über Anlage", sagte Osaka nach dieser Partie, die sie gegen Williams so dominiert hatte wie zuletzt Kim Clijsters beim WTA-Finale vor 16 Jahren. Aber klar: Serena Williams ist immer noch da, und 126 Spielerinnen bei den US Open mag das gehörig Angst eingejagt haben. Naomi Osaka nicht. Sie ist jetzt auch da. Und sie ist Grand-Slam-Siegerin.

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Quelle:
SZ vom 09.09.2018
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